Sushi im Exklusiv- interview
Jetzt rede ich!
von Sebastian BütowAls ich ein Kind war, existierten Sie noch nicht, zumindest nicht in Deutschland. Heute werden Sie in nahezu jedem gut sortierten Großstadt-Supermarkt frisch zubereitet. Wann haben Sie hierzulande den Durchbruch geschafft?
Das war in den achtziger Jahren! Im Windschatten der deutschen Filialen japanischer Firmen, in Hamburg und Düsseldorf, feierte ich quasi meine Premiere bei Ihnen. Dann hat sich herumgesprochen, wie köstlich ich bin. Und tja, heute kommt keiner an mir vorbei. Zumal ich heutzutage wesentlich erschwinglicher bin als damals. Da war ich noch eine ziemlich elitäre Speise.
Haben Sie Ihren Ursprung wirklich in Japan?
Nein, eigentlich nicht! Zwar bin ich in meiner heutigen Form ein japanisches Gericht, aber Sie haben mich nach meinem Ursprung gefragt – und der liegt ganz klar in China. Vor vielen Jahrhunderten wurde Fisch dort haltbar gemacht, indem er eingesalzen und zum Schutz in Reis eingewickelt wurde. Der Unterschied zu heute war, dass der Reis ausschließlich der Konservierung diente und nicht mitverzehrt wurde. In Zeiten der Hungersnot entdeckte man, dass auch der Reis schmackhaft ist. Und das war dann meine Geburtsstunde.
Sushi-Restaurants gehören weltweit längst zum Stadtbild in Metropolen. Wann eröffnete das erste in der westlichen Welt?
1966 in Little Tokyo, einem Stadtteil von Los Angeles. Die allerersten Sushi-Restaurants wurden vor allem von Exiljapanern besucht. Der frische Fisch musste aus Japan eingeflogen werden, und wegen dieser hohen Transportkosten war ich anfänglich auch so teuer.
Wer Sushi bestellen möchte und die wichtigsten Begriffe nicht kennt, steht ziemlich ratlos da. Welches Fachvokabular sollte man unbedingt draufhaben?
Ach, so wild ist das gar nicht! Grundsätzlich unterscheidet man bei mir zwei Grundformen: Maki und Nigiri. Auf diesen beiden Formen basieren fast alle anderen Variationen. Bei Maki werden Reis, Fisch und manchmal auch Gemüse mit einem Noriblatt gerollt. Und bei Nigiri liegt der Fisch lose auf dem Reis. Sashimi wird ja immer beliebter, das ist einfach roher Fisch ohne Reis.
Na ja, auch unter den Sushi-Klassikern gibt es etliche andere Variationen, wie zum Beispiel Inside-Out, California Roll ...
Da sehen Sie mal, meine Entwicklung ist niemals abgeschlossen, weltweit entstehen immer neue und raffinierte Variationen. Meine Fans sind so begeistert, dass sie immer wieder experimentieren und die unglaublichsten Exemplare meiner Wenigkeit hervorzaubern. Das macht mich stolz und glücklich. Ich bin ein wunderbarer Beweis dafür, wie sich Speisen verändern und weiterentwickeln können unter dem Einfluss neuer Kulturen. Ein schönes Beispiel ist die Philadelphia Roll, bei der ein beliebter Frischkäse zum Einsatz kommt.
Ist es aus Ihrer Sicht ein Fauxpas, Sie ohne Stäbchen zu genießen?
Na ja, wenn Sie sich beim ersten Date nicht lächerlich machen wollen, würde ich Ihnen von Messer und Gabel definitiv abraten (lacht). Und jetzt verrate ich Ihnen mal etwas: In Japan essen sie mich traditionell mit den Händen! Ich bin dort ein typischer To-go-Snack, wie bei Ihnen die Currywurst.
Was ist dran am Klischee vom hochanspruchsvollen Beruf des Sushi-Kochs in Japan?
Eine Menge! Um in Japan den Titel des prestigeträchtigen Sushi-Meisters (»Itamae«) zu erlangen, muss man nach zehn Jahren Lehrzeit ein staatliches Examen absolvieren.
Sushi, wir danken Ihnen für das Gespräch.