Das Craft Beer im Exklusiv-Interview
Jetzt rede ich!
von Sebastian BütowIn den 2000er Jahren gab es einen Hype um Sie. Plötzlich tauchten handwerklich gefertigte Edelbiere auf, die der Einheitsplörre den Kampf ansagten. Haben Sie seitdem an Popularität eingebüßt?
Cheers! Ach wissen Sie, ich hatte ehrlich gesagt nie vor, ein Marktriese zu werden – sonst würde ich meinen Independentcharme verlieren. Ich habe meinen Ursprung in den USA, wo ich in den 1970er Jahren quasi als Protest gegen lasche Industriebiere erfunden wurde. Von kleinen, unabhängigen Biertüftlern, die Wert legten auf innovative Rezepturen und hochwertige Zutaten. Von einem Mainstreamprodukt war nie die Rede.
Warum heißen Sie eigentlich „Craft Beer“?
„To craft“ bedeutet im Englischen „handwerklich arbeiten“. Aber meine Bezeichnung impliziert natürlich auch, dass ich kräftiger schmecke und mehr Umdrehungen habe – mein Alkoholgehalt kann je nach Sorte bis zu 12 Prozent betragen. Das ist zum Beispiel bei Imperial Stouts oder Barleywines der Fall.
Welche Ihrer vielen Variationen sind bei uns am populärsten?
Die hierzulande mit Abstand beliebtesten Sorten meiner Wenigkeit sind Indian Pale Ale beziehungsweise Pale Ale. Letzteres ist weniger bitter und alkoholisch, aber immer noch sehr hopfenbetont. Generell sind Pale Ales leichter und zugänglicher für Craft-Beer-Einsteiger. Wer jetzt neugierig wird, sollte damit anfangen.
Wie erklären Sie sich, dass im deutschsprachigen Raum viele traditionelle Bierfreunde offenbar Berührungsängste mit Ihnen haben? Ihr Marktanteil kam hier über 1 bis 2 Prozent nie hinaus.
Dafür gibt es viele Gründe. Zum einen ticken die hiesigen Bierfreunde eher konservativ, trinken lieber weiterhin ihr Pils, Weizen oder Helles. Der Markt wird von den Brauereikonzernen dominiert, die ihre Marktanteile und auch den Vertrieb fest im Griff haben. Somit haben es die kleinen Brauer schwer, sich in diesem Umfeld zu behaupten. Auch der Preis spielt eine Rolle. Ich bin deutlich teurer als normales Bier, davor schrecken viele zurück. Und dann wäre da noch die Sache mit dem Reinheitsgebot. Dieses wird oft als Qualitätsmerkmal betrachtet. Da ich aus exotischen Zutaten und durch ungewöhnliche Brauverfahren entstehe, werde ich von einigen skeptisch betrachtet.
Immerhin haben Sie sich als Nischenprodukt fest etabliert – auch in der Gastronomie.
Das kann man wohl sagen! Vor allem in den Großstädten gibt es Locations, in der meine Community auf ihre Kosten kommt. In der gehobenen Gastronomie und in Lokalen, die Wert auf besondere Erlebnisse legen, werde ich zunehmend als Alternative zu Wein und klassischen Bieren serviert. Einige bieten sogar spezielle Menüs an, bei denen ich perfekt zu den Speisen passe.
Was wünschen Sie sich für Ihre Zukunft?
Sie hatten es bereits angesprochen – hierzulande sind die Biertrinker aus meiner Sicht ein wenig borniert. Probiert mich und meine wunderbare Vielfalt doch mal aus, ihr werdet staunen, was euch bisher entgangen ist. Ob in Großbritannien – meinem umsatzstärksten europäischen Markt – Skandinavien, Spanien oder Italien, dort fahren deutlich mehr Leute auf mich ab.
Ausgerechnet im vermeintlichen Bierland Nummer eins werden Sie vergleichsweise gemieden …
Da stimmt doch was nicht. Bestellt doch endlich mal Pale Ale statt Pils. Es gibt abseits der Reinheitsgebottradition eine aufregende Welt zu entdecken. Ein Prosit auf das experimentelle Bierbrauen!
Craft Beer, wir danken Ihnen für das Gespräch.