Über sieben Brücken musst Du gehen ...
The Yeatman
von Gabriele GugetzerAdrian Bridge ist ein Kanadier, der in der britischen Armee Karriere machte. Dann erfand er sich erfolgreich neu als Investment-Banker. In den 1990er-Jahren stieg Bridge in das Familienunternehmen seiner Frau in Porto ein. Von hier trieb er die Portwein-Produktion maßgeblich voran, vor allen Dingen den Vertrieb in den USA und Großbritannien für den Premiumbereich. In dieser Zeit gründete er Fladgate Partnership, einen Zusammenschluss von Anbietern für ebensolchen Port. Ein Hotel hatten er und seine Frau sich als nächstes Ziel gesetzt. 2010 wurde The Yeatman in Porto als Weinoase der Luxusklasse eröffnet. Dazu gesellt sich seit diesem April die World of Wine, cool abgekürzt als WOW. Ganz offensichtlich ist Adrian Bridge ein Mann, der gerne was Neues im großen Stil aufzieht und sich darauf versteht, es zum Erfolg zu führen.
Ein Hotel erfindet ein Städtchen neu
Porto ist schon ein entzückendes Städtchen. Historisch bimmelnde Straßenbahnen zockeln laut quietschend zum Strand. Das knuffige Altstadtviertel mit seiner erstaunlichen Fliesenarchitektur der knallblau leuchtenden Azulejos lädt zum Stöbern und Schlendern ein. Als Studentenstadt ist es wenig überraschend, dass in Porto eine kreative junge Szene lebt, smarte Restaurants und viel Weinkultur gibt’s auch – fertig geschnürt also ist ein Traumziel, längst nicht nur für Instagrammer. Könnte man meinen. Doch das sah Anfang der 2000er-Jahre noch anders aus. Porto war damals auf Geschäftsreisen abonniert. In Portugals zweitgrößter Stadt und dem Douro-Umland war eindeutig Luft nach oben im Tourismussektor, und der gehobene Genuss-Tourismus aus dem internationalen Ausland wurde eigentlich gar nicht bedient.
Enter Adrian Bridge: »Ich wollte das beste Hotel in Porto bauen, das landesweit, aber auch international neue Akzente im Bereich Qualität und Exzellenz setzt. Ein Luxushotel mit einem Weinfokus, das direkt über den traditionellen, alten Portweinkellern steht«, erinnert er sich im aktuellen Interview. Erste Erfahrungen im Hotelbusiness hatte er bereits sammeln können; im Dourotal hatte Bridge 1998 das erste Luxushotel der Region eröffnet, das Vintage House. Doch nun sollte es viel größer werden, und er hatte auch die Region an sich im Blick. »Wir hatten von Beginn an geplant, die Destination als solche zu pushen.« Das tat Adrian Bridge dann auch, anfänglich quasi im Alleingang, denn die Mühlen mahlen bekanntermaßen auch in südeuropäischen Institutionen eher langsam, und man reagierte eher zurückhaltend auf seine Begeisterung.
Aber Bridge ließ sich nicht beirren und hatte den richtigen Riecher. »Wir wollten die Leisure Traveller ansprechen, also die Reisenden, die Essen und Wein lieben, die Authentizität einer Stadt wie Porto und die Ursprünglichkeit des portugiesischen Nordens erleben wollen, aber durch den Blickwinkel eines Weltklassehotels«, beschreibt er die Ausgangslage. Das mag vielleicht unbescheiden klingen, ist aber nicht so gemeint, denn Adrian Bridge ist Porto-Aficionado durch und durch. »Diese wunderbare Stadt, ihre Lage, ihre Einwohner, die beeindruckende Geschichte, die starke Kultur und die vielen Traditionen, natürlich auch der Weinbau« – das alles seien doch wohl Gründe genug, um hier nicht nur auf Geschäftsreise zu gehen!
Während in Portos Altstadt eher Boutique-Hotels den Ton angeben, ist The Yeatman eine gekonnte Mischung aus international anerkannten architektonischen Wertigkeiten und einem Schuss Portugal. Der Swimmingpool ist in seiner Form einem Weindekanter nachempfunden. Die Badezimmer sind mit Marmor verkleidet. Die Teppiche sind tief und pfötchenfreundlich. Ins Mobiliar sinkt man hinein wie in altmodische und gemütliche Fauteuils, während der Blick in die hochwertig gezimmerten Regale fällt, in denen portugiesische Keramik zeigt, wo man hier eigentlich ist.
Bridge besitzt eine Gläsersammlung, die den Stellenwert von Wein in der Geschichte der Menschheit an 1.800 Exponaten verdeutlicht.
Von jedem Zimmer (es gibt fünf Kategorien) reicht der Blick hinaus über die Stadt und den Fluss, man kann in der Bacchus-Suite den zimmereigenen Kamin befeuern und in der Taylor-Suite im Fass schlafen. Ein Weinhotel eben. »90 Prozent unseres Weinkellers machen portugiesische Weine aus«, präzisiert Adrian Bridge. »Wir hatten uns zum Ziel gesetzt, unsere Gäste mit den verschiedenen Regionen, Stilistiken und Qualitäten der herausragenden portugiesischen Winzer bekannt zu machen und die ganze Bandbreite ihres Könnens zu zeigen.«
Weinmacher als Hotelpartner
109 dieser portugiesischen Weinmacher sind Partner des Hotels, jeder hat ein Zimmer gesponsert und ist als gestalterischer Ideengeber aufgetreten. Überdies gehören sie dem Weinprogramm des Yeatman an: »Wir veranstalten wöchentliche Wein-Dinners und besondere Tastings, außerdem können Gäste an Weinevents teilnehmen.« Besonders stolz ist Adrian Bridge auf die 1.300 gelisteten Weine, die schon zwei Jahre in Folge als beste regionale Weinliste der Welt ausgezeichnet wurden. »
Unser Weinkeller beherbergt die größte Sammlung portugiesischer Weine auf der Welt«, sagt er, und da klingt es nur naheliegend, dass er für The Yeatman auch die Rolle des internationalen Botschafters der besten portugiesischen Weine beansprucht. »Portugal ist so klein. Und doch haben wir so besondere und markante Weinregionen«, begeistert er sich. Was er erst auf Journalistennachfrage preisgibt, ist, dass er selbst auch nicht ganz unbegabt ist. Im Jahr 2008 machte er den ersten »neuen« Portwein seit Generationen, den Croft Pink.
Bei dieser Liebe zu Wein ist es wohl auch wenig überraschend, dass die Beautybehandlungen im The Yeatman weinbasiert sind ...
Bei Weinauswahl, Zimmerausstattung und Ausblick muss The Yeatman den internationalen Luxushotelvergleich nicht scheuen. Wie sieht’s bei der Kulinarik aus? Aktuell listet der Guide Michelin für Portugal keinen Dreisterner, aber sieben Zweisterner. Das hauseigene The Yeatman Restaurant ist einer davon. Ein Jahr nach Eröffnung kam der erste Stern, seit 2017 hält das Restaurant unter Ricardo Costa nun durchgehend die Doppelbesternung. Ist das nur eine Imagefrage? »Weinfans essen in der Regel auch sehr gerne«, grinst Adrian Bridge. »Wir wollten gastronomisch auf dem höchsten Level mitspielen. Ricardo hat uns da ein Konzept entwickelt, das einerseits lokale Produkte in den Fokus stellt, sie andererseits aber mit modernem Flair umsetzt. Gerne bedient er sich als Anleihe bei traditionellen Gerichten, die er quasi neu erdenkt. Die Produktqualität spielt die Hauptrolle, aber auch zeitgemäße Küchentechniken und Kreativität wollen wir zeigen.«
Ganz fix ist die neue Speisekarte noch nicht; auch in Portugal beherrschte Corona bei Drucklegung das tägliche Leben. Adrian Bridge, Ricardo Costa und die Brigade hatten sich Zeit dafür genommen, die Speisekarte zu überprüfen. Aber Klassiker aus Costas Küche sind natürlich gesetzt. Ovos Moles de Gaia sind eine Hommage an das Stadtviertel Vila Nova da Gaia, in dem The Yeatman liegt, und eine Art Maultaschen in Dessertform. Klassische portugiesische Creme ist mit Oblaten umhüllt und somit versteckt, dazu gibt’s Schokoladenkutteln (tripa de chocolate), die mitnichten Innereien sind, sondern nur in ihrer Textur an diese erinnern. Generell ist die Speisekarte im Wording eher unlyrisch, zum Klassiker Stachelrochen gesellen sich Blumenkohl und Couscous, das Spanferkel kriegt Kartoffeln, Kopfsalat und weißen Knoblauch ... aber schon ein Blick auf die Foodfotos verrät, dass sich dahinter eine enorme Tüftelei verbirgt.
Neben dem Zweisterner hat The Yeatman natürlich noch andere Restaurants, in denen, so wird es diplomatisch formuliert, sich Kinder vielleicht wohler fühlen als im Zweisterner. Eine wunderbare Anregung, denn wer schon mal im Sternerestaurant zwischen überdrehten Kindern und überforderten Eltern Kochkunst nachschmecken wollte, wird wissen, dass das schier unmöglich ist. Auch dieses ein Zeichen eines Weltklassehotels, der Service nämlich; er ist vom Feinsten.
World of Wine
Doch was hat es nun mit der WOW auf sich? Sie ist im April nach mehrfacher coronabedingter Verschiebung eröffnet worden und von Bridge als eigenständiges Kulturviertel konzipiert. Praktischerweise liegt diese World of Wine nur wenige Gehminuten vom The Yeatman entfernt und beherbergt auf 55.000 Quadratmetern sechs Museen, dazu Ausstellungs- und Veranstaltungsflächen, Restaurants, Bars, Cafés, eine Weinschule, ein Schokomuseum und – wenig überraschend bei Bridges offensichtlicher Vernarrtheit in Porto – ein Museum für Stadtgeschichte. »Ich will ja nicht immer von der Bucket List reden«, sagt er, »aber ähnlich wie damals bei unserem Ziel, Porto als Destination auch mittels unseres Hotels bekannt zu machen, ist es nun unser Ziel, einen Ort zu schaffen, der die Tradition des Portweinviertels von Porto belebt und neue Akzente für den Tourismus setzt. Wir haben Weinkeller restauriert oder erneuert und möchten in diesem Areal im passenden Umfeld Wein verständlich machen und überdies Portugal den Rang in der Liste der wichtigen Weinproduzenten der Welt zuweisen, den es verdient.«
Dazu gehört für ihn auch der Schwerpunkt Planet Cork (»Kork ist das sauberste und innovativste Produkt«), das Mode- und Stoffmuseum (»hier wird die hohe Qualität portugiesischer Textilien gezeigt, gibt es viele Exponate in den Bereichen Mode und Schmuck«) und natürlich die Wine School, »die sich an alle Weininteressierten vom Einsteiger bis zum Profi richtet«.
Man darf davon ausgehen, dass ihm auch dieses Unterfangen glückt. Ob er sich das als junger Soldat in der Dragoner-Garde von Königin Elizabeth wohl hat träumen lassen?
Tipps für Porto
- Claus Porto, Seifenstücke zum Verlieben. Ein Mitbringsel-Must.
- DOP by Rui Paula, Entzückendes Restaurant in der Altstadt.
- Dourotal, Geführte oder private Weintouren.
- Foz, Ausflug ans Meer.
- Igreja de Santo Ildefonso, Barockkirche mit berühmten Fliesen.
- Livraria Lello, Eine wirklich atemberaubende Buchhandlung, gegründet 1869.
- Manteigaria, Zugucken, wie die berühmten Pastéis de Nata gemacht werden.
- Ribeira, Flussuferregion der Altstadt, sehr dekorativ, leider verfallend.
- Tram, Dekorative Bimmelbahnen, die auf drei noch bestehenden Routen fahren. Eine geht auch nach Foz.
- Vista Alegre, Bekannte Porzellanmarke, die Porto eine eigene Reihe gewidmet hat. Unweit Livraria Lello.