Festtagsküche
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Pure Esslust zum Fest

Die perfekten Speisen für den besonderen Anlass

von Gabriele Gugetzer
Dienstag, 05.11.2019
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Ein Einwand vorweg: Ist dieser Artikel wirklich nötig? Festtage in der  Gastronomie, da läuft doch alle Jahre wieder zwischen Personalmangel, Würstchen, Gans und Karpfen das gleiche Spiel? In der Tat sind kulinarische Klassiker gesetzt. Aber den Personalmangel kann man zunehmend mit qualitätvoller Convenience parieren. Außerdem: Das Genussverhalten verändert sich, langsam, subtil, aber es ändert sich. Das weiß Sebastian Hauschild, Corporate Manager F&B Operations bei Aldiana, einem kleinen, feinen, erfolgreichen Anbieter im Cluburlaubsegment. Hier kennt man die Zielgruppen, ist der Anteil der Stammgäste beneidenswert, durchforstet man den europäischen Markt konsequent, nach neuen Locations, nach Trends. Allabendlich gibt’s Büfett und Kochen vor dem Gast, klar, wir sind im Club, aber zu den Festtagen wird auf individuellen Wunsch vor dem Gast zusammengestellt und ausgarniert. Hauschilds Beobachtung: »Jeder holt sich bei uns sein Stück Weihnachten.«

Klassiker und Neues

Natürlich werden Wiener Würstchen und Karpfen aus Deutschland importiert, auch Gänsebraten mit Rotkohl und Wild sind bei Aldiana gesetzt. Aber Hauschild merkt, dass die Gäste die Festtage durchaus als Anreiz auf Neues sehen. Schon in den österreichischen Resorts wird mit den Klassikern aus dem Alpenraum gepunktet, weiter gen Süden wird es mediterran. Spanisches Weihnachtsgebäck ist beliebt, die Gäste erwarten Meerbrasse, Lamm und – interessanterweise – Tapas, die kein Spanier für Festtagshappen halten würde.

Es ist also eine Mischung aus trendigen Likes und Evergreens, die vielleicht die neue Art der Festlichkeit definiert. Und auch wenn Weihnachten ohne Kindheits­aromen nicht auskommt, müssen es vielleicht nicht mehr nur die eigenen sein, sondern gerne auch die des Gastlandes wie Turrón und das Schmalzgebäck Mantecados, das frisch vor den Gästen ausgebacken wird. Opulenz gibt’s dann zu Silvester, Hummer satt. Aber wer das nicht mag, mag bestimmt Lachs. Bei Aldiana ist er dann selbstgebeizt; kein großer Aufwand, aber eine riesige Wirkung, vom Geschmack ganz zu schweigen.

Was ist mit französischer Küche?

In Paris erlebt die heimische Küche gerade eine enorme Aufwertung. Hierzulande, wo französische Hochküche lange als das Ideal angesehen wurde, litt sie in den vergangenen Jahren doch daran, nicht gerade als »der heiße Burner« zu gelten. Aber eine neue Generation, darunter auch Toni Henssler, sind am Start, um das zu ändern.

Aus der Henssler-Dynastie stammend, belebt er als Küchenchef gerade das Hamburger Traditionsrestaurant Petit Délice neu. Es liegt an einem der typischsten Orte der Stadt, edler Kontorlook mit Marmorwänden, Blick auf den Fleet, gehobene Kundschaft, feine Karte, wenige Tische. Zwischendurch hatte das einst vom Imperiumsgründer Henssler geleitete Restaurant den Weg verloren; nun gibt’s den früheren Selbstgänger französische DNA und hervorragende Produktqualität im neuen Gewand, auch schon zum Mittagstisch. Zur Winterzeit zieht
Henssler Geflügel im Ganzen vor, Ente, Stubenküken und Wachtel, zur Weihnachtszeit offeriert er geschmorte Kalbsbäckchen mit Périgord-Trüffel, Soufflés, dunkle Schokolade. Und er läutet im Handstreich die Rückkehr eines echten Klassikers ein, des Pot-au-feu, mit Fleisch, mit Fisch. Auch das Thema Champagner ist gesetzt, vier sind aktuell auf der Karte, darunter der Prestige Rosé und der Brut Réserve von Taittinger.

Der lässig-elegante Umgang mit dem Prickelnden wird ja in Deutschland zunehmend mehr Alltag. Allerdings sind es weniger die Edelmarken wie Taittinger, sondern das Discountsegment, das wächst. Aber vielleicht ist es an der Zeit, den Champagner als Essensbegleiter etwas neu zu denken, findet Sommelière Tanja Klein. »Champagner passt sehr gut zu asiatischem Essen«, erklärt sie, »auch aus diesem Grunde ist Japan einer der Hauptabsatzmärkte für Champagner. Feinperlige Champagner, kombiniert mit Schärfe und rohem Fisch, sind wunderbar.« Sie bestätigt die Aldiana-Erfahrung (Austern zu Silvester sind ein Muss), dass junge Zielgruppen wieder Interesse an Austern haben; auch da ist Champagner das traditionelle Getränk der Wahl. Eher neu ist das Champagnerpairing mit Tatar. Sie empfielt den Taittinger Rosé zu Rindertatar und den Prélude zu Lachs- oder Tunatatar.

Fisch zum Feste
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Die Rückkehr zum Einfachen?

Das Restaurant Se7en Oceans in Hamburgs Innenstadt hat einen echten USP: Mit Blick durch die vollverglasten Fensterfronten auf die Binnenalster speisen, feiern, trinken hier im Restaurant und an der Bar völlig unterschiedliche Gäste, und das mittags, abends, nachts. Vom schaulustigen Touristen bis zum Hollywoodstar ist alles dabei. Gekocht wird schon seit vielen Jahren mit Stern und jetzt auch mit neuem Küchenchef. Stefan Beiter ist ebenfalls sterneaffin, seit neun Jahren hält er (in der Alten Post in Nagold und vorher in der Goldenen Traube in Coburg) einen Stern.
Für die Festtage hat sich der Hamburg-Neuling aber nicht noch eine weitere Lage Langostinos auf der Karte gewünscht, sondern die Rückkehr der einfachen Küche; das führt ja schnurstracks zu der Wiener-Würstchen-mit- Kartoffelsalat-Romantik! »Mir ist das in Coburg und Nagold sehr bewusst geworden, dass diese Küche in der Sternegastronomie in Deutschland in Vergessenheit geraten ist«, sagt Beiter. »Deshalb habe ich als erste Tat eine Markklößchensuppe auf die Karte gesetzt und werde auch weitere Gerichte aus dieser Ecke in die Sternegastronomie heben.« Die Garnierung ist dabei bewusst reduziert, auch beim Brotkorb, der täglich vor Ort gebacken wird, wird das Einfache im »Manufaktum«-Stil zum Besonderen erhoben. Neben Gans ist übrigens wie beim Kollegen Henssler Marzipan ein Aromat, auf das er zu Weihnachten nicht verzichten kann. Wen wundert’s, immerhin sind wir nicht weit weg von Lübeck ...

Kann denn Zuchtfisch gut sein?

Die gruseligen Lachsfarmen der Achtzigerjahre sind längst Vergangenheit, das Wissen um die Aufzucht ist mittlerweile enorm, der Einsatz von Antibiotika sehr gedrosselt, auch die Meereskäfige gehören in Teilen der Vergangenheit an. Und das alles ist auch gut so, findet Wahlhamburger Alexander Tschebull, der mit dem Tschebull das ultimative österreichische Restaurant im Norden betreibt und mit dem Rive am Hamburger Hafen eine Institution aus einer Zeit, als Fisch essen plötzlich cool wurde.

Für das Restaurant benötigt er um die 800 Kilogramm Fisch in der Woche, den er mit Wildfang selbst bei den gehobenen Preisen im Restaurant nicht rechnen kann. Tschebull ist ein engagierter Befürworter von Fischfarmen – Qualität natürlich vorausgesetzt. »Um die Meere vor unkontrollierter Überfischung zu schützen und den wachsenden Bedarf an Fisch zu decken, ist eine Umstellung auf Fischfarmen unumgänglich«, erklärt er und wirft die Frage auf, ob nicht auch die CO2-Bilanz einer Fischfarm besser ist als die einer Intensivmast. Unterm Strich bleiben bei diesem Thema die Kommunikation mit dem Gast und die Wissensvermittlung überaus wichtig.

Fischzucht ist eine sehr alte Methode; kaum ein mittelalter-liches Schloss oder Rittergut hatte keinen Karpfenteich oder eine Forellenzucht.

Alexander Tschebull

Wolfsbarsch und Dorade: Auf die Größe kommt es an

In den Esteros von Lubimar an der andalusischen Küste pfeift der Wind 150 Tage lang im Jahr. Das schätzen die Surfer im nahegelegenen Tarifa ebenso wie die Feinschmecker. Denn hier, in der Fischzucht Pesquerías Lubimar, kämpfen Wolfsbarsch und Atlantik-Dorade ebenfalls mit den Winden, was – ganz natürlich – für eine hervorragende Fleischqualität sorgt. 1.000 Hektar groß ist die Anlage, die Fischteiche sind 300 Meter lang, 13 Meter breit und 2,5 Meter tief. Der Besatz? Ebenfalls vorbildlich: drei Kilogramm pro Quadratmeter. Minderwertige Zuchtbetriebe, das
ist vielleicht als Gästeinfo auch nicht uninteressant, stopfen bis zu 25 Kilogramm Fisch in einen Kubikmeter; notgedrungen hoch ist der Einsatz von Medikamenten, und auch auf Geschmack und Textur des Fleisches hat das keine positive Auswirkung.

Im einzigen Dreisterner im spanischen Süden, dem Aponiente bei Cadiz, setzt Chefkoch Ángel León regelmäßig Wolfsbarsch und Dorade Royale aus dieser Zucht auf die Karte. Geschmack beiseite; die Größe, die die Wolfsbarsche auf die Waage bringen, ist für die Gastronomie ein Segen. Bis zu 2.000 Gramm Kampfgewicht pro Wolfsbarsch lassen sich kostengerecht einpreisen und vollständig verarbeiten. Bis es so weit ist, haben die Fische lange Zeit zum Wachsen.

Dorade und Wolfsbarsch leben in diesem Lagunensystem in Meerwasser, das sich ständig erneuert, ernähren sich von Kleinstlebewesen und werden nur zusätzlich mit Futter aus nachhaltiger Fischerei und Algen gefüttert. Kontrolliert wird die Anlage inmitten eines Naturschutzgebietes vom spanischen Staat, der hier überdies die Möglichkeit sieht, jungen Andalusiern eine berufliche Perspektive zu bieten.

Im Frischeparadies laufen beide Fische aus der Zucht unter dem hauseigenen QSFD-Label für besonders hohe Qualität und Frische; auch ökologische Nachhaltigkeit und ein lückenlos dokumentierter Transport sind selbstverständlich garantiert.

Festtage mit Convenience wuppen

Das Familienunternehmen Achenbach liegt mit seiner Manufaktur-Ausrichtung absolut im Trend und spielt überdies gekonnt mit dem, ohne das die Festtage einfach nicht auskommen, der Saisonalität. 28 Produkte sind neu am Start für das diesjährige Festtagsgeschäft, variabel bis zum Bankett und dem À-la-Carte-Geschäft, in kalt und warm und mit feinen Desserts. Geflügel sind als Vorspeisen in der Gänseleber und dem Törtchen mit geräucherter Entenbrust, auch bei den warmen Sachen bleibt’s übersichtlich in der Größe, Ravioli mit Roter Bete, eine Praline mit Graved Lachs. Im Dessertbereich setzt man nach wie vor auf den Lolly, aber hat auch die Klassiker Zwetschge, Kürbis und Nuss, als Strudel, Terrine oder Mousse.

Interessanterweise hat man sich auch bei Achenbach Gedanken über die traditionellen Gerichte gemacht; es gibt keine Markklößchensuppe, aber eine entzückende Eisbeinpyramide und einen Basis-Tafelspitz, der sich mit wenigen Aromazugaben (Spinat-Meerrettich, Senföl-Schnee, Bouillon-Gemüse) veredeln oder individualisieren lässt. Trendig wird’s mit Kale (neudeutsch für Schwarzkohl, eine Variante unseres Grünkohls) und Quinoa. Die Basics also können bleiben, aber wer möchte, kann mit einigen neuen Akzenten auf der festtäglichen Speisekarte punkten.

Fix veredelnde Aromen: Die Würzmixer von Ubena haben drei Gewürzmischungen am Start, die in ihren Heimatregionen typisch sind wie bei uns Salz und Pfeffer. Vadouvan aus Indien hat subtile Currynoten; Furikake mit Wakame-Alge gibt einen interessanten Crunch, Zatar hat ganze Thymianblättchen. Läuft schon auf dem Frühstücksbüfett, für die Eierspeisen, auch für Dips und Wraps.
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