Keine Angst vor dem virtuellen Kennenlern-Gespräch
Fotos: iStockphoto

So gelingt die digitale Bewerbung

Keine Angst vor dem virtuellen Kennenlern-Gespräch

von Sebastian Bütow
Dienstag, 09.03.2021
Artikel teilen: 

Ein Stellenangebot in der Zeitung entdecken, eine Bewerbung schreiben und ausdrucken, rein damit in eine edle Mappe und ab die Post. Wer es in die engere Auswahl schafft, schüttelt beim Vorstellungsgespräch ein paar Hände. Es ist gar nicht so lange her, dass ein Bewerbungsprozedere so ablief.

All das hat sich in der vergangenen Dekade drastisch verändert und vereinfacht, der Digitalisierung sei Dank. Teure Mappen, Papier und Porto sind längst ein Anachronismus, und das gute alte Händeschütteln steht vor schweren Zeiten. Die Corona-Krise hat mit ihren Kontakt-Beschränkungen dazu geführt, dass die Bewerbungsprozesse noch digitaler wurden – und wohl auch bleiben werden.

Video-Gespräche sind zurzeit alternativlos, aber ...

»Ich schätze mal, dass momentan mindestens ein Drittel, wenn nicht sogar 40 bis 50 Prozent der Bewerbungsverfahren mit einem Videogespräch beginnen«, sagt Bewerbungs-Experte Jürgen Hesse, der mit seinem Co-Autoren Hans Christian Schrader etliche Sachbuch-Bestseller zum Thema veröffentlichte.

Üben Sie eine Selbstpräsentation


In der Hotellerie und Gastronomie sei ein Kennenlernen über ein Video-Interview »weniger effektiv, weil man hier viel mehr als in anderen Branchen direkt mit Menschen zu tun hat«, findet Hesse. Werde etwa jemand für die Rezeption gesucht, müsse man die Kandidaten unbedingt persönlich kennenlernen. »Sicherlich kann man unter den Kandidaten per Video eine Vorauswahl treffen, letztendlich jedoch ist das persönliche Gespräch, das gegenseitige Beschnuppern unabdingbar.«

Vorbereitung auf ein Vorstellungsgespräch per Zoom, Skype und Co.

»Üben Sie eine Selbstpräsentation«, rät Jürgen Hesse. Einer »Stellen Sie sich doch mal kurz vor«-Bitte musste wohl jeder schon mal Folge leisten, ganz egal ob »Face to Face« oder per Videokonferenzdienst. Erzählen Sie Ihren Werdegang pfiffig und unterhaltsam, statt nur die bisherigen Stationen runterzuleiern.

Stichwort: Storytelling! Eine gelungene Selbstvorstellung ist ein Werkzeug mit Eisbrecher-Qualitäten. Tragen Sie die Fakten Ihres Lebenslaufs mit einem roten Faden vor. Wem dies gleich zu Beginn gelingt, genießt beim weiteren Verlauf des Gesprächs Rückenwind. Logisch, dass die Antworten auf die wichtigsten Standard-Fragen (z.B. Wo sehen Sie sich in fünf Jahren, Stärken und Schwächen) auch beim digitalen Gespräch sitzen müssen.

Sorgen Sie für einen ruhigen Hintergrund und optimales Licht

Wer nicht geübt ist mit Video-Interviews und den gängigen Tools dafür, sollte vorher trainieren! Schnappen Sie sich einen Freund, der in die Rolle eines digitalen Personalers schlüpft und Feedback gibt. Wie sieht er Sie auf seinem Bildschirm? Der Bildhintergrund ist idealerweise weiß oder einfarbig.

Profis empfehlen ein warmes Licht von vorne

Keine vollen Regale, Pinnwände, offene Kleiderschränke oder Dinge, die Unruhe in das Bild reinbringen, das andere von Ihnen erblicken. Es sollte nichts sichtbar sein, was den Gesprächspartner ablenken oder irritieren könnte. Ein Bild oder ein Fenster sind aber erlaubt, allzu steril sollte es auch nicht aussehen.

Störende Geräusche oder überraschende Kurzauftritte, etwa vom verkaterten WG-Mitbewohner in Unterhose, sind ebenso unglücklich wie eine ins Bild springende Katze oder ein bellender Hund. Könnte ein Paketbote hartnäckig klingeln? Mögliche Geräuschquellen besser vorher abstellen.

Webcam und Licht optimal einstellen!

Videogespräche erzeugen Emotionen beim Gegenüber. Damit es die richtigen sind, ist die Einstellung der Webcam von großer Wichtigkeit. Der Blick von leicht unten in die Kamera wirkt unterwürfig, der Blick von oben eher arrogant. Deshalb die Cam so einstellen, dass sie sich bei einer aufrechten Sitzhaltung in Augenhöhe befindet.  

Ebenso wichtig ist das richtige Licht. Hier kann man vieles falsch machen. Licht von hinten lässt den Bewerber zur Silhouette werden, von oben kann es dunkle Augenringe erzeugen. Profis empfehlen ein warmes Licht von vorne. Idealerweise ist das Gesicht gleichmäßig ausgeleuchtet, ohne dass das Licht blendet oder Schatten wirft.

Anziehen wie bei einem richtigen Vorstellungsgespräch

Auch, wenn nicht alles bei Ihnen gesehen wird: »Ziehen Sie sich ein angemessenes Outfit und auch Schuhe an«, rät Jürgen Hesse. Denn: »Man hat ein anderes Gefühl, wenn man anders und komplett angezogen ist, wirkt entsprechend überzeugender.«

Es gibt eine Reihe von Kleinigkeiten, die nicht zu unterschätzen sind. Vorher einen Schluck Wasser trinken oder griffbereit haben, um einer trockenen Kehle vorzubeugen. Zur Kategorie »vorher erledigen« zählt auch ein WC-Besuch. Einen fettigen Teint besser mit Make-up verfeinern. Ist das Handy stummgeschaltet?

Die Hände dürfen nie das Gesicht berühren


Wie zuverlässig ist die Internetverbindung? Sollte sie manchmal zicken, das Interview besser woanders führen. Achten Sie beim Üben auf Ihre Sprechgeschwindigkeit. »Schnellsprecher« können bereits bei einer minimal verzerrten Audio-Übertragung schwer verstanden werden. Ein weiterer Grund, warum eine digitale Generalprobe empfehlenswert ist.

»Die wichtigste Voraussetzung für ein Videointerview ist die funktionierende Technik«, weiß Jürgen Hesse. »Kaum etwas sorgt bei Bewerbern für mehr Frust, Ärger oder Panik als Tech-Probleme während des Gesprächs.« Deshalb vor Beginn alles prüfen und, noch besser: sicherheitshalber eine Ersatzlösung parat haben.

Hände weg vom Gesicht

Auch wenn bei dieser asynchronen Video-Bewerbung kein direktes (menschliches) Gegenüber zugegen ist, zählen Faktoren wie Präsenz, Körpersprache und gepflegtes Auftreten. Digital hin oder her, die nonverbale Kommunikation ist und bleibt das A und O. »Die Hände dürfen nie das Gesicht berühren«, warnt Jürgen Hesse. »Nicht an der Nase kratzen oder mit den Händen durchs Haar fahren.«

Auch hängende Schultern, ein krummer Rücken, ein gesenkter Blick oder ein nervöses Herumfuchteln mit den Händen führen eher nicht zum »Sie haben den Job!«-Anruf. Ein Fehler werde laut Hesse immer wieder gerne gemacht: Statt in die Kamera schauen Bewerber auf den Bildschirm. Früher oder später werden das aber alle verinnerlicht haben, denn: »Das digitale Bewerbungsprozedere ist ein Beschleunigungsfaktor«, so Hesse. »Es wird Corona überleben und weiterhin zum Bewerbungs-Alltag gehören.«

Weitere Artikel aus der Rubrik Karriere & Ratgeber

Artikel teilen:
Überzeugt? Dann holen Sie sich das HOGAPAGE Magazin nach Hause!