Schlagfertigkeit, leicht gemacht
Wie man Angriffe souverän meistert ...
von Frank SimmethStatt elegant zu antworten, fällt nur der Kinnladen runter und man bleibt sprachlos stehen. »Ich wäre gern schlagfertiger«, ist deshalb einer der häufigsten Wünsche, die wir in unseren Trainings von Teilnehmern hören. Vielleicht ist es hilfreich, zu wissen, dass auch sehr spontane Menschen bei überraschenden Angriffen nicht zwingend schlagfertig sind. Schon Mark Twain wusste: »Schlagfertigkeit ist das, was einem 24 Stunden später einfällt!«
Als Dienstleister muss man alles einstecken?
Sicher nicht! Gäste haben nicht das Recht, uns Gastgeber respektlos oder herablassend zu behandeln. Sie kaufen uns Dienstleistungen und Produkte ab, nie unsere Würde! Als Angriff zählen deshalb persönliche Beleidigungen, übellaunige, herablassende Ansprache, ungerechtfertigte Kritik und beißender Sarkasmus. All das sind auch direkte Angriffe auf den eigenen Selbstwert. Selbst wenn ein Gast glaubt, König zu sein, befindet er sich gerade in unserem Königreich.
Schlagfertig oder Gegenangriff?
Was ist überhaupt eine schlagfertige Reaktion? Sagt ein Gast z. B. mit sarkastischem Unterton: »Von Ihnen habe ich nichts anderes erwartet«, und man antwortet mit einem wütenden: »Und Sie sind für mich erst recht ein Idiot«, dann ist das nicht schlagfertig, sondern ein plumper Gegenangriff, der durchaus das Zeug hat, die Situation eskalieren zu lassen. Schlagfertigkeit bedeutet viel eher, dem Angriff elegant auszuweichen und ihn mit einem raffinierten Satz zu kontern.
Mise en Place ist das halbe Leben
Es macht es sehr schwer, spontan zu reagieren, wenn die Situation überraschend ist. Man kann sich mit ein paar antrainierten Reaktionsmustern auf Schlagfertigkeit vorbereiten:
1. Sagen, dass man nichts sagt
Kontert man Angriffe mit: »Da fällt mir jetzt nichts mehr ein!« oder: »Darauf sag ich jetzt einfach mal nichts«, ist man zumindest nicht sprachlos, sondern trifft meist genau den Punkt.
2. Ich versteh das nicht
In der Praxis versteht man solche Angriffe meist überhaupt nicht. Das auszudrücken sagt oftmals mehr als genug, wie z. B.: »Also, das verstehe ich jetzt nicht«, »Können Sie das bitte noch mal wiederholen?« oder: »Haben Sie etwas gesagt?«
3. Spielverderber
Einen Angriff parieren bedeutet, elegant oder nicht auf das Gesagte einzusteigen. Kleine Sätze, die das Muster des Gegenübers durchbrechen, sind hier praktische Spielverderber, z. B.: »Ich habe kein Problem damit!«, »Das haben Sie aber jetzt schön gesagt!« oder: »Das haben Sie aber jetzt gut erkannt!«
4. Allgemeingültige Zitate
»Der Klügere gibt bekanntlich nach!« Verwendet man bei einem Angriff ein bekanntes Zitat oder Sprichwörter, ist das nicht nur spontan, sondern wirkt auch gebildet, z. B. »Dumm ist nur, wer Dummes tut!«
Wirklich souverän?
Ist schlagfertig zu sein aber überhaupt immer der beste Weg, souverän zu reagieren (lat. superanus = überlegen)? Ich glaube nicht und auch, dass es nicht der einzige Weg ist, mit Angriffen umzugehen. Ich habe auch die Möglichkeit, den Angriff einfach zu verbalisieren, wie z. B. so: »Ich fühle mich gerade von Ihnen respektlos behandelt«, »Bitte behandeln Sie mich respektvoll!« oder: »Ich empfinde das gerade als sehr persönlichen Angriff«, »Möchten Sie das denn wirklich?« Solche Sätze erfordern viel weniger Denkleistung und Raffinesse und sind nicht minder effektvoll. Zudem haben wir die Möglichkeit, »gnadenlos liebevoll« zu reagieren mit Sätzen wie »Das war aber gerade ganz schön verletzend! Was hat Ihnen denn heute so die Stimmung verhagelt?« Souveränität und damit echte Überlegenheit bedeutet also auf keinen Fall, dass man immer mit einem »Gegenschlag« kontern muss ...
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