Ein perfekter Start
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Ein perfekter Start

Mit Willkommenskultur und guter Vorbereitung meistern Azubis die erste Phase ihrer Ausbildung besser

von Eva Schiwarth
Sonntag, 11.09.2016
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Mit einem etwas mulmigen Gefühl ging Marcel Breiter im Spätsommer 2014 ins Hotel ­Estrel in Berlin. Es war sein erster Ausbildungstag. »Ich hatte schon etwas Angst und war ziemlich nervös. Schließlich ist man da erst einmal völlig fremd und der Neue. Bloß nichts falsch machen, bloß nicht blamieren – vor den Gästen und den Kollegen«, so schildert der 22-Jährige seine Gedanken vor dem Beginn seiner Ausbildung zum Hotelfachmann. »Wenn ich gewusst hätte, wie entspannt die ersten Tage ablaufen und wie gut man sich auf uns vorbereitet hat, dann hätte ich mir diese Angst sparen können.«

Eine möglichst schnelle und reibungslose Integration der Neuen – das ist den Ausbildungsverantwortlichen im Estrel wichtig. »Wir lassen die jungen Leute jedoch erst einmal ankommen und sich eingewöhnen und geben nicht gleich Vollgas«, sagt Personaldirektorin Annette Bramkamp. Drei Welcome-Days zum Start sind zwar gespickt mit vielen Informationen zum Unternehmen und zum Ablauf der Ausbildung. Vorträge, Workshops, das Kennenlernen der wichtigsten Bezugspersonen während der Ausbildung und der anderen Azubis sind aber genauso wichtig. »Wir wissen um die Sorgen der jungen Leute – und wir wollen ihnen diese Ängste nehmen, eine Wohlfühlatmosphäre schaffen und Orientierung geben«, so ­Annette Bramkamp.

Seifenkistenrennen
Seifenkistenrennen als Teambuilding: Am zweiten Einführungstag
im Estrel in Berlin können die Neuen zeigen, wie kreativ und spontan
sie sind. Gemeinsam werden Seifenkisten gebaut und ins Rennen
geschickt. Foto: Estrel Berlin

Hausführung geht auch spannend

Letzteres ist insofern wichtig, da sich in dem Haus mit über 1.100 Zimmern, fünf Restaurants, drei Bars und angeschlossenem Kongress- und Veranstaltungszen­trum in den ersten Tagen schon so manch einer verlaufen hat. Seit zwei Jahren gibt es für die neuen Azubis deshalb statt einer Standard-Hausführung eine QR-Code-Challenge durchs Estrel: In Teams müssen die Lehrlinge das Unternehmen erkunden, die einzelnen Abteilungen finden und Aufgaben lösen. Die Basics für den Job bekommen die Estrel-Lehrlinge dann in den ersten Tagen in den Abteilungen beigebracht. »Wie trage ich ein Tablett, wie bereitet man einen Veranstaltungsraum vor – das wurde mir ganz in Ruhe gezeigt. Ich war froh, dass ich nicht gleich auf die Gäste losgelassen wurde«, erinnert sich Marcel Breiter.

Azubi Marcel Breiter
Gläser tragen will gelernt sein: Azubi Marcel Breiter (rechts) durfte
die Service-Disziplin zunächst ganz stressfrei im »Trockenen« üben,
bevor er Gäste bedienen musste. Foto: Estrel Berlin

Warm-up vor dem Großevent

Schnell ins kalte Wasser springen mussten die neuen Lehrlinge im Romantik Hotel Schloss Rheinfels in St. Goar am linken Rheinufer unweit der Loreley. Mit dem Hansenfest fand nur wenige Tage nach dem Ausbildungsstart Anfang August ein Event mit rund 2.000 Gästen auf dem Gelände von Schloss und Burg Rheinfels statt. »Unsere neuen Lehrlinge mussten da bereits voll mit zupacken, das war ihre erste Bewährungsprobe«, sagt Hoteldirektor Andreas E. Ludwig. Er findet es richtig, den Azubis schnell Verantwortung zu übertragen.

Das geht – mit entsprechender Vorbereitung und einem angenehmen »Warm-up«. Mehrere Wochen vor Beginn des Ausbildungsjahres werden die neuen Lehrlinge von der Azubisprecherin persönlich angeschrieben und in die Rheinfels-Familie aufgenommen. Für den Begrüßungstag, der bereits einen Tag vor dem offiziellen Ausbildungsstart stattfindet, übernehmen die Lehrlinge der älteren Ausbildungsjahrgänge die Vorbereitung und das Kommando: Nach einem gemeinsamen Frühstück mit Hoteldirektor und Inhaber können die Neuankömmlinge das Areal der Burg Rheinfels mit den verschiedenen Hotel-Einrichtungen erkunden, ein Besuch der mittelalterlichen Burg, Picknick und Grillabend sorgen dafür, dass sich die Azubis kennenlernen können.

Die Lehrlinge vom Pullman Munich am Hotelstrand
Verantwortung geben statt nur Besteck polieren: Die Lehrlinge vom
Pullman Munich stemmen jedes Jahr ein eigenes Projekt. In diesem
Jahr wurde das Thema »Hotelstrand« von den Nachwuchs-Hoteliers
in eigener Regie gemanagt – von der Idee über Kreation, Kalkulation,
Einkauf und Gestaltung der Werbemittel bis zur Durchführung.
Foto: Pullman Munich

Buddys und Paten helfen, wenn es klemmt

Eine offene Kommunikation und ein fairer Umgang helfen außerdem, dass der Nachwuchs auf Schloss Rheinfels seine Scheu verliert und lernt, mit Problemen im Joballtag offener umzugehen und sich Rat zu holen. Monatlich gibt es ein »Plauderstündchen« mit Inhaber und Hoteldirektor, bei dem die Azubis ihre Sorgen und Nöte auf den Tisch packen können.

Denn Probleme gibt es meist reichlich in den ersten Wochen. Nach Schulzeit und ­Ferienerholung ist der Ausbildungsstart für die Jugendlichen nicht nur ungewohnt, sondern richtig anstrengend: Früher Arbeitsbeginn, stressiger Job, Wochenend- und Spätdienste, acht Stunden und mehr auf den Beinen – das strengt körperlich an. Neue Umgebung, neue Leute, das Befolgen zahlreicher Regeln – selbst viele, die hoch motiviert in die Lehre starten, sind nach den ersten Wochen ernüchtert.

Tipps von Lehrlings-Expertin Petra Pinker:

  1. Gut auf den neuen Lebensabschnitt vorbereiten, sich an die Gepflogenheiten im Unternehmen anpassen
  2. Freundlich sein: Bitte, Danke und Grüßen sind ein absolutes MUSS!
  3. Aufs gepflegte Äußere achten, Job ist anders als Freizeit
  4. Wenn etwas unklar ist, dann fragen.
  5. Die Arbeit von selbst sehen, sonst wird man schnell zum Befehlsempfänger
  6. Sich flexibel zeigen: auch mal Tätigkeiten ausführen, die nicht zum Berufsbild gehören, mal länger bleiben oder früher kommen.

Quelle: Petra Pinker, Coach und Autorin; www.pinker.at

 

Gute Tipps gegen Fettnäpfchen-Gefahren

Damit der Nachwuchs in dieser Zeit nicht in ein Loch fällt, setzen viele Unternehmen auf Ausbildungspaten, welche die Neuankömmlinge persönlich betreuen. »Die Paten sind in der Regel aus dem dritten Lehrjahr oder Mitarbeiter aus dem ersten oder zweiten Berufsjahr. Die wissen meist aus eigener Erfahrung ganz gut, wo der Schuh drückt«, erzählt Anke Maas, HR-Chefin der Leonardo Hotels. In den Hotels der Gruppe hat man gute Erfahrungen mit dem Paten-System gesammelt. Vieles läuft auf informeller Ebene: Beim Mittagessen gibt es vom Paten Tipps für die Berufsschule, wie man Fettnäpfchen aus dem Weg geht und bei welchem Ausbilder im Hotel man besser genau hinschaut und alle Regeln befolgt.

Lehrjahre sind keine Herrenjahre!?

Welcome-Days, Wohlfühlatmosphäre, sanfter Start – diese Schlagworte klingen überhaupt nicht mehr nach der Redensart der Älteren, nach der »Lehrjahre keine Herrenjahre sind«. Bekommen die Azubis von heute zu viel Welpenschutz, werden sie zu sehr verhätschelt? Anke Maas widerspricht: »Wertschätzung und Respekt – das sind für Unternehmen heute ganz wichtige Themen. Sie sollten nicht nur für die Ausbildung, sondern generell für den Umgang mit allen Mitarbeitern gelten.« In vielen Unternehmen gehöre ein schön gestalteter Ausbildungsstart zum Standard. Schließlich sei das Rekrutieren neuer Mitarbeiter teuer, in Hotellerie und Gastronomie ist die Fluktuation hoch. »Wir müssen die Azubis halten. Und wenn die Lehrlinge merken, dass wir als Unternehmen für sie eine Extrameile gehen, dann sind sie auch bereit, etwas mehr zu geben«, meint Anke Maas.

Azubi von Leonardo Hotels beim Etagenservice
Putzmunter und freundlich schon morgens
um 6 Uhr: Nur eine der Herausforderungen,
die Azubis in den ersten Wochen meistern
müssen. Bei Leonardo Hotels setzt man –
wie in vielen anderen Unternehmen – auf
Ausbildungspaten. Die helfen den Neuen,
im Lehralltag zurechtzukommen. 
Foto: Leonardo Hotels

Ausbildung als Aushängeschild

Ein durchdachtes Ausbildungskonzept kann zum Aushängeschild im Wettbewerb um die besten Azubis werden. Im Pullman Munich standen die Verantwortlichen vor den gleichen Problemen, welche die ganze Branche plagen: Es fehlte an Nachwuchs, die Azubis, die man bekam, waren nicht so motiviert, wie es nötig gewesen wäre. »Das wollten wir ändern. Die Ausbildung in unserem Haus sollte attraktiver werden, wir wollten neue Leute dafür gewinnen und die Auszubildenden begeistern und motivieren«, erzählt Jörg Schmidt, Ausbildungsbeauftragter des Business- und Lifestyle-Hotels in München-Schwabing.

Dafür habe man eine Umfrage unter den eigenen Azubis gestartet: Wie stellen sie sich eine perfekte Ausbildung vor, welche Wünsche und Sorgen haben sie, was sollte geändert werden? »Daraus entwickelten wir ein Ausbildungskonzept, nach dem wir seit dem letzten Jahr arbeiten. Die drei tragenden Säulen sind Eigenverantwortung, Kreativität und das Verständnis von Prozessen im Hotel«, so Schmidt.

Mit Plan zum Erfolg!

Ausgefüllt ist das Programm »Pullman Munich Talents« mit einer ganzen Reihe an Bausteinen: Zum Orientierungstag bekommen die neuen Azubis geballtes Wissen zum Hotel und dessen Besonderheiten, Azubisprecher und das Buddy-System bieten moralische Unterstützung. Für das Mehr an fachlichem Wissen sollen regelmäßige Produktseminare und die Möglichkeit des Crosstrainings in Partnerhotels sorgen. Mit langfristigen Dienstplänen und einer Roadmap wird die Ausbildung für den Azubi planbar und mit Checklisten für einzelne Abteilungen nachprüfbar.

Geringere Absprungrate dank hoher Ausbildungsqualität

Beim Planen, Organisieren und der Verantwortung für das Tagesgeschäft ganzer Projekte wie dem »Hotelstrand« können die Nachwuchskräfte beweisen, was sie fachlich draufhaben und wie gut sie im Team arbeiten können. Und auch wenn man im Pullman Munich noch nicht so lange nach dem neuen Ausbildungskonzept arbeitet – die ersten Effekte sind schon spürbar. Jörg Schmidt: »Wir haben im Moment keinen Mangel an Azubis, auch duale Studenten kommen zu uns. Außerdem ist die Absprungrate während der Ausbildung geringer geworden.«

Starthilfe: Fit in die Lehre

Ein Trainingsprogramm für angehende Azubis und Lehrlinge im 1. Jahr aus Hotellerie und Gastronomie hat das Gas­tronomische Bildungszentrum Koblenz e. V. (GBZ) zusammen mit der IHK vor Ort aufgelegt. In diesen Tagen startete der zweite Durchgang.

Es richtet sich an kleine und mittlere Unternehmen aus der Branche, die nicht die personellen Ressourcen haben, ihren Auszubildenden eine optimale Einarbeitungszeit im Betrieb zu bieten. »Der Kurs ist vor allem gedacht als Vorbereitung auf die Lehre und für Azubis, die einen erhöhten Förderbedarf haben, zum Beispiel bei Mathematikkenntnissen, aber auch in anderen Bereichen. Wir wollen ihnen so den Einstieg erleichtern, die Basics beibringen und sie fit machen für die Lehre in der Gastronomie«, so Detlev Ueter vom GBZ über das Programm.

In insgesamt 30 Unterrichtsstunden werden den Neueinsteigern das Einmaleins in der Küche, Grundwissen für Köche, Körpersprache, Knigge-Regeln, der Umgang mit Gästen und Geschäftspartnern, Briefeschreiben und Rechnen in der Gastronomie vermittelt. Unternehmen, die ihren Nachwuchs anmelden, zahlen nur einen symbolischen Preis pro Unterrichtsstunde und Teilnehmer, den Rest schießt die IHK zu. Zusatznutzen für die teilnehmenden Unternehmen: Die neuen Azubis sind wesentlich motivierter und aufgeschlossener für die Ausbildung.

Mehr Informationen: www.gbz-koblenz.de

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