Bella Italia & Pesto Genovese
Kulinarische Expedition in die genussreiche Region Ligurien
von Gabriele GugetzerSchon die alten Römer fühlten sich in Ligurien wohl, diesem langen, schmalen Streifen, der sich von der Toskana bis zur Blumenküste Frankreichs hinzieht. Die Küste bietet fast an jeder Kurve einen unverbauten Blick aufs Mittelmeer, bei dem selbst Hartgesottene ins Quietschen kommen. Das Hinterland ist unerschlossen, ländlich, von hier stammen die berühmten sanften Olivenöle, die Taggiasca-Olive und die Pigna-Bohne aus dem Slow-Food-Umfeld. Nicht nur Basilikum, auch Borretsch und vor allen Dingen Majoran spielen eine wichtige Rolle in der frischen, leichten Küche der Region. Wildkräuter (erbette) werden für Nudelfüllungen verwendet, Walnüsse und Pinienkerne, einst das Eiweiß des armen Mannes, zu Saucen verarbeitet. Pesto, wohl die begehrteste Pastasauce der Welt, ist offiziell Kulturgut geworden, weshalb sie auch im Handgepäck mitfliegen darf.
Die wahre Schönheit Italiens
In Ligurien ist das echte »bella Italia« zu finden. Hier muss sich nicht ständig alles ändern. Klar, Genuas Altstadt ist sicherer geworden, was eine dringend nötige Veränderung war. Auch die vor sich hin bröselnden Renaissancepaläste der Stadt wurden restauriert; entlang der Strade Nuove stehen sie als Prachtbauten. Stararchitekt Renzo Piano hat sich modern und publikumsbeliebt am Genueser Hafen verewigt, die berüchtigte eingestürzte Brücke steht auch schon wieder. In der Kulinarik hingegen war Ligurien schon immer dort, wo aktuell der Zeitgeist tobt. Cucina povera, Kräuterküche, viel Fisch, Regionalität. Handgemachte Pastasorten für das Wohlgefühl und die Optik. Viele traditionelle Zutaten. Aperitifkultur. Was fehlt noch? Na? Nix.
Für kurzlebige Trends ist dieser entspannte Flecken Erde mit seinem verzauberten Licht nicht geeignet, und genau das ist in unserer unruhigen Zeit ein wahrer Segen. Hier kocht man mit Sardellen und Stockfisch, tischt Uralt-Gerichte auf wie von Hand gestempelte Nudeln oder Ciupin (nach San Francisco als Cioppino exportiert) und hat Focaccia, auch in der Käsevariante, perfektioniert. Da in Ligurien etwa alle 50 Kilometer eine andere Identität hervortritt, die Palmenriviera, die Blumenküste, der Golf der Dichter, die großen Häfen, die Jetset-Kultur, die Fischerdörfer, die Naturparks, die Ausläufer der Seealpen, die Bergdörfer, wird das nicht langweilig. Und dann ist da noch »La Superba«, so viel mehr als ein Kreuzfahrtterminal.
Genua, die Stolze Liguriens Hauptstadt mit dem Beinamen La Superba hat eine wechselvolle Geschichte hinter sich. Andrea Doria, Christoph Kolumbus, Fabrizio de André, Renzo Piano – alles Söhne der Stadt.
Viele Stadtviertel sind behaglich und geschmackvoll gebaut. Auch in der Altstadt sind ganze Straßenzüge von traumhaften Palästen flankiert, gleichzeitig riecht es nur einige Gassen entfernt authentischer, als man vielleicht mag. Denn die Altstadt ist nicht überall dekorativ antik, mit entzückenden Krimskramsläden und Shabby Chic. In Teilen ist sie verwahrlost, stinkt und es nerven die rotzfrechen Drogendealer wie Mücken im finnischen Sommer. Aber am Morgen, nachdem die Müllabfuhr durch ist mit der dringend nötigen Wischerei, wenn winzige alteingesessene Gemüseläden, Apotheken, Bars, Cafés mit lautem Quietschen ihre Gitter hochfahren, ist es unvergleichlich.
Häufig finden sich in der Altstadt Gleichgesinnte, Künstler, Kunsthandwerker, Köche, Hoteliers, die mit interessanten Projekten der Verwahrlosung entgegenwirken und die Verantwortung für ihr Viertel in die eigenen Hände nehmen. Dabei hat man immer die lange und stolze Tradition Genuas als Seefahrerrepublik im Blick, hegt alte Rezepte mit der gleichen Leidenschaft, mit der man in den Palästen Fresken freilegt. Und da es von letzteren ebenso wie von Kirchen sehr viele gibt, begeistert wohl nur Jerusalems Altstadt Kunsthistoriker noch mehr.
Rund um Genua liegen unzählige kleine Stadtstrände (schöner sind die in Richtung La Spezia an der Riviera di Levante), sauber, kindersicher, übersichtlich, mal mit Sand, mal mit Steinen. Mittags und abends isst man in den Bagni (z.B. Medusa in Nervi) teilweise überraschend gut. Häufig sind die Restaurants in Imbiss/Pizzeria und schön eingedeckte Ebenen aufgeteilt. Das Essen ist einfach und ansprechend, die Einpreisung übersichtlich. Die Wirte setzen nicht auf den Meerblick, sondern auf Stammgäste. Und das funktioniert sehr gut.
Ligurisches Olivenöl
Last but not least hier noch ein paar wertvolle Infos zum sogenannten flüssigen Gold Liguriens: Olivenöl ist ein Grundbestandteil der ligurischen Küche. Hier schmeckt es mild, nur leicht fruchtig, ohne rauchige Spitzen oder den alles übertünchenden Grasgeschmack, sondern einfach sehr angenehm, weshalb es ebenso großzügig über so ziemlich alles gekippt wird, sogar altmodische Kuchen. Mit der autochthonen Sorte Taggiasca hat man eine Allzweckwaffe am Start, als superleckere Speiseolive (etwas an Mandeln erinnernd, nur dezente Schärfe) und als Öl. Die Ölhändler Calvi haben mit Letzterem bereits seit über 100 Jahren Erfahrung; sie sind eines der ältesten Ölhandelshäuser des Landes und konnten sich früh überdies international platzieren. Angesiedelt in Imperia, auf halber Strecke zwischen Genua und Nizza, hat man sich einerseits auf Blends aus zugekauften heimischen Ölen spezialisiert.
Da ihre Ölmühle hochmodern ist, ist das für die vielen kleinen Olivenbauern, die es in der Region weiterhin gibt, sehr praktisch. Andererseits liegt der Calvi-Fokus seit Ende der 1970er-Jahre auch auf reinsortigen Ölen aus besagter Taggiasca, die bereits seit dem 11. Jahrhundert in der Region angebaut wird. Wenn die Ernte ansteht, liegt die Organisation in Calvi-Hand. So haben sie eine Qualitätskontrolle, vom Baum bis zur Mühle. Das Premiumprodukt aus Taggiasca ist ihr Mosto Oro aus später Ernte, mit einem feinaromatischen, leicht floralen Duft. Gianni Calvi veranstaltet auch Führungen. In Deutschland führt der ebenfalls aus Ligurien stammende Importeur Viani ihre Range.
10 Altstadttipps
- Farmacia di Sant’Anna: Hausgemachte Kräuterliköre und Düfte.
- Romanengo: Eine Konditorei wie im Zuckerzauberland.
- Piazza delle Erbe: Genua ist Studentenstadt, hier treffen sie sich.
- Palazzo Grillo: Schönstes Boutiquehotel der Stadt in einem gekonnt restaurierten Palast.
- Restaurant The Cook: Einsterner im Palazzo Ducale.
- Restaurant Quelli dell’Acciughetta: Modern in Look und Küche.
- Les Rouges: Cocktails unter Fresken.
- Sà pesta: Die beste Farinata, zum Mitnehmen.
- Via Garibaldi 12: Schönstes Design im alten Palazzo.
- Palazzo Rosso: Wunderbares Museum, noble Location.