Kastilien-Léon entdecken
Wintertrüffel und Rueda-Weine: Derzeit ist die nordspanische Region eine Offenbarung
von Gabriele GugetzerEs ist menschenleer. Den Madrider Flughafen hat man schon vor geraumer Zeit hinter sich gelassen. Ein Blick aus dem Autofenster eine Stunde später ... und immer noch menschenleere Gegend. Auch die Landschaft ist unverändert – kein Wunder, wir befinden uns auf Spaniens Hochebene. Das geht jetzt noch stundenlang so weiter. Flauschig ist hier nix (spätestens jetzt heult jeder Instagrammer), aber genau das macht den Zauber von Kastilien-Léon aus. Hier ist es knorrig. Im Winter echt kalt. Spröde. Dennoch ist diese politisch als autonome Gemeinschaft definierte Region seit Jahrtausenden eine Kulturregion – das wird schon Gründe haben.
Wird im Rest Spaniens vorrangig Rotwein erzeugt, wächst hier schon seit über tausend Jahren und mit großem Erfolg die autochthone Weißweintraube Verdejo. Schwarze Trüffeln, die einst wild gediehen, werden heute kultiviert und mit einem eigenen Festival geehrt. Herzhafte Küche, deren Palette von einfachem Lammeintopf, Hülsenfrüchten und Schweinekrustenknabbereien einerseits bis zu 19 Einsternern andererseits reicht – auch das ist Kastilien-Léon.
Die Region ist flächenmäßig größer als das Nachbarland Portugal und wie gemacht für alle, die Entdeckungen lieben – kleine Warnung an alle, die Geschichte und alte Gemäuer immer sterbenslangweilig fanden ... haha!
Die Astronauten von Salamanca
Essen und Trinken ist den Einheimischen genauso wichtig wie besagte alte Gemäuer. Ganz selbstverständlich lebt man in Städten wie Burgos, Àvila, Léon, Salamanca, Segovia, Soria, Palencia und Zamora mit der langen Geschichte. Die Liste staunenswerter Architektur ist entsprechend lang. Ein kleines Listicle: die komplett erhaltene mittelalterliche Stadtmauer von Àvila, die Kathedrale von Burgos, ein UNESCO-Welterbe, und nicht zuletzt das im Jahr 98 n. Chr. erbaute Aquädukt von Segovia, das in den Abendstunden ein bisschen nach KI aussieht, wäre da nicht die enorme Atmosphäre, die das illuminierte Bauwerk ausstrahlt.
Dann wären da noch die Klöster Santo Domingo de Silos in Burgos, San Pedro de Dueñas in Léon und Santa Clara in Palencia, außerdem perfekt bewahrtes Renaissance-Fachwerk in Peñaranda de Duero. Alcázar in Segovia und Castillo in Zamora sind nur zwei von etwa 300 Burgen. Des Weiteren nennenswert ist die Plaza Mayor in Salamanca mit gleich zwei Kathedralen. Bei Restaurationen verewigte sich ein Steinmetz am Portal der Catedral Nueva überaus gelungen – und erheiternd – mit einem Eis schleckenden Drachen und zwei Astronauten, die sich als Publikumsmagnet erwiesen haben.
Knusprige Torreznos
Das kulinarische Vermächtnis der Region nehmen die Einheimischen einerseits ernst und sind andererseits durchaus aufgeschlossen, in Sterneläden auch Neues auszuprobieren. So hat sich ein völlig aus der Zeit gefallenes Fingerfood zum Renner entwickelt: 2023 wurden in Soria über 2.000 Kilogramm Torreznos produziert. Dahinter verbirgt sich herrlich würzige, getrocknete und kross gebratene Schweinespeckschwarte, was nicht so fettig ist, wie es klingt. Die Spezialität erlebt eine solche Renaissance, dass im Vergleich zum Vorjahr bereits 30 Prozent mehr produziert wurde. Das Restorante Antonio de San Estaban de Gormez in Soria wurde im vergangenen Jahr zum weltbesten Torreznos-Restaurant ernannt.