RIGA rising!
Hanseatisch, ästhetisch, köstlich
von Sebastian BütowAuf der Fahrt vom Flughafen in die Altstadt erschlagen einen hier und da noch einige spätsowjetische Plattenbaumonster. Im Herzen der lettischen Hauptstadt werden die Augen dann verwöhnt mit den wunderschönsten Jugendstilfassaden, die man sich vorstellen kann. Nirgendwo sonst auf der Welt stehen so viele verspielt-prachtvolle Jugendstilhäuser wie in Riga. Um 1900 erlebte die Stadt einen enormen Aufschwung und katapultierte sich zur Stil-Metropole.
Vor zehn Jahren durfte sich Riga als „Kulturhauptstadt Europas“ schmücken; ein Label, das der Stadt gutgetan hat angesichts des damaligen Images. Denn viele Westeuropäer nutzten die baltische Perle an der oberen Ostsee vor allem für Sauf-, Party- und Rotlicht-Tourismus.
Die Bremer Stadtmusikanten gibt’s auch in Riga
Wie Hamburg, Bremen und Lübeck ist Riga eine Hansestadt – in nicht wenigen Straßen fühlt es sich dank hinreißend restaurierter Backsteinhäuser und gotischer Kirchen exakt so an, als befände man sich in Norddeutschland. Vor der Petrikirche reiben sich einige verwundert die Augen: Nanu, was haben denn die Bremer Stadtmusikanten hier zu suchen? Bei dieser Skulptur handelt es sich allerdings nicht um eine 1:1-Kopie des Originals. Hier schaut das aufeinandergestapelte tierische Quartett neugierig durch eine geöffnete Wand – ein Symbol für den gefallenen Eisernen Vorhang.
Das Werk ist ein Geschenk der deutschen Patenstadt aus dem Jahr 1990 und symbolisiert den Blick in eine neue Ära. Es war übrigens auch ein gebürtiger Bremer, der Riga im Jahr 1201 gegründet hat. Die Skulptur begeistert die Touristen und ist ein Zeugnis für die unerschütterliche Kraft der Freiheit, die diese Perle an der Ostsee zum Glück nach dem Zusammenbruch der UdSSR erfahren durfte. Freiheit ist in der 700.000-Einwohner-Stadt kein leeres Wort. Hier gibt es sogar eine Freiheitsstatue, die als beliebter Treffpunkt in der City dient.
Deutsche, skandinavische und russische Einflüsse
Neben deutschen Einflüssen ist Riga – wie sollte es bei dieser Lage und dieser Geschichte anders sein – auch skandinavisch und russisch geprägt. Das gilt ebenso für die baltische beziehungsweise lettische Küche. Wer diese erspüren, riechen, schmecken und atmen möchte, sollte sich den Rigaer Zentralmarkt in der Speicherstadt keinesfalls entgehen lassen.
Dieser Komplex aus insgesamt fünf Markthallen, allein für sich schon eine echte Sehenswürdigkeit, zählte in den 1930er Jahren zu den größten Märkten Europas. Langsam, aber sicher findet die historische Marktstätte mit täglich 80.000 Besuchern wieder zu einstigem Format zurück. Es ist heute das meistfrequentierte Areal der Baltikummetropole. Fast 50.000 Quadratmeter umfasst der „Bauch Rigas“ mit seinen gigantischen, mehr als dreißig Meter hohen Hallen.