Köttbullar ist König ...
Elch und Lamm ohne Chichi – eine Portion Skandinavien in Deutschland ...
von Daniela MüllerHelles Holz, viel Licht, klare Linien, dazu folkloristische Elemente. Was mit der Begeisterung für skandinavisches Design begann, hat inzwischen auch die hiesige Gastronomie erfasst. Kein Wunder. Das dänische Noma wurde viermal zum besten Restaurant der Welt gekürt. Sternekoch René Redzepi kredenzt die »neue nordische Küche« auf höchstem Niveau. Ohne viel Chichi. Ursprünglich und naturverbunden, so wie es im Manifest der von skandinavischen Spitzenköchen definierten »neuen nordischen Küche« steht. Auf den Tisch kommt Bodenständiges aus der jeweiligen Region: Elch- und Lammfleisch, viel Fisch, Kartoffeln, Pilze, Moltebeeren und Wildpflanzen. Das passt prima zum Zeitgeist.
Zimtschnecken, Kladdkaka, Glögg
Wer skandinavischen Lifestyle in Deutschland sucht, fährt nach Hamburg. Hier gibt’s inzwischen eine beachtliche Auswahl an Cafés, die mit Zimtschnecken oder Glögg wirksam »Nordweh« bekämpfen. Bullerbü-Atmosphäre inklusive. Das Originellste unter ihnen: »Frau Larsson« in Winterhude. Auf der Karte stehen auch warme Speisen wie Köttbullar und Biff à la Lindström – mit Roter Bete und Kapern gefüllte Frikadellen. Annika Roschitz, Geschäftsführerin, kocht teils nach Rezepten ihres schwedischen Opas. Der Kladdkaka (saftiger Schokokuchen) ist Verkaufsschlager. »Schwedische Kuchen sind süßer, klebriger und salziger. Wir backen nämlich mit gesalzener Butter. Gerade die ungewohnten Geschmacksvarianten kommen bei unseren Gästen super an«, freut sich Roschitz. Das Gros der Lebensmittel kauft sie auf dem Wochenmarkt; Backzutaten wie Sirup und Marmelade nur in Schweden.
Mit Fleischbällchen zum Erfolg
Ingvar Kamprad (Ikea-Gründer) hat früh erkannt, dass der Besuch im Einrichtungshaus umso angenehmer ist, wenn man die Möglichkeit hat, sich zwischendurch zu stärken. Hungrige Kunden kommen in Scharen. Aber nicht unbedingt, um Möbel zu kaufen. Weltweit besuchen pro Jahr rund 160 Millionen Menschen die Ikea-Restaurants, in Deutschland tut dies jeder fünfte Besucher der Einrichtungshäuser. »Deutsche Kunden lieben schwedische Klassiker. Die Fleischbällchen Köttbullar, Lachs-Gerichte, schwedische Waffeln sowie die Mandeltorte. Unser neuer Star ist das vegetarische Gemüsebällchen Grönsaksbullar«, verrät uns Isolde Debus-Spangenberg, Ikea Corporate Communications. Der Trend zur skandinavischen Küche hält außerdem weiter an. »Dies belegen nicht zuletzt auch unsere Umsatzzahlen im Bereich Food, die seit Jahren kontinuierlich steigen«, so Debus-Spangenberg.
Fisch? Geht immer!
Das Munch’s Hus in Berlin wirbt mit dem markigen Slogan »Das erste & einzige norwegische Restaurant Deutschlands«. Kenneth Gjerrud führt sein »Hus« seit über 15 Jahren. Der Norweger weiß, was beim deutschen Gaumen ankommt. »Wir verzeichnen jedes Jahr eine Steigerung der Gästezahlen. In den Wintermonaten sind wir komplett ausgebucht.« Die nordische Küche ist seiner Meinung nach gerade angesagt. Zum einen, weil für ihre hochwertigen Zutaten bekannt, zum anderen, weil Skandinavien bei der internationalen Kochweltmeisterschaft (Bocuse D’Or) fünf der ersten zehn Plätze belegte.
Gjerrud hat viele Stammgäste, die seine Fischgerichte schätzen und für die Skagerrak-Fischplatte mit Eismeersaibling-, Leng-, Kabeljau- und Lachsfilet auch mal aus Düsseldorf anreisen. Elchbraten in norwegischer Ziegenkäse-Wacholdersauce sowie Karamelcreme mit Moltebeeren stehen ebenso auf der Hitliste. Um gleichbleibende Qualität zu sichern, bezieht er seine Zutaten direkt aus Norwegen und Schweden. Den Fisch kauft er fangfrisch in Bremerhaven. Obst und Gemüse vor Ort – am liebsten regional und saisonal.
Scandic punktet mit »schwedischem Lifestyle«
Das Scandic-Hotel Hamburg Emporio hat mit der »H2O kitchen bar lounge« ein eigenständiges Gastronomiekonzept entwickelt; Authentizität wird nicht nur beim Interieur gelebt. Das trendige Motto »Hamburg trifft Stockholm« findet sich auch auf der Speisekarte wieder. F&B-Manager Gunnar Bischof versucht, eine Brücke zu schlagen aus lokaler und nordischer Küche: »Im ›H2O‹ sind Fischgerichte wegen des regionalen Bezugs sehr beliebt. Das regionale Angebot ergänzen wir saisonweise etwa mit dem Lengfisch – eine norwegische Spezialität.« Zu besonderen schwedischen Anlässen wie Midsommar und Julbord (Weihnachtsbüfett) kommen schwedische Klassiker wie Heringssalat und Julskinka (gepökelter Schinken) sehr gut an. Bischof betont, dass deutsche Gäste gerne Gerichte bestellen, die sie bereits kennen. Gegenüber unbekannten Lebensmitteln bestehe eine gewisse Zurückhaltung.
»Im Vergleich zu italienischer Küche ist die skandinavische wenig bekannt. Hier spielt eher der Trend zu gesunder Ernährung mit viel Fisch eine große Rolle. Das gibt den nordischen Gerichten Aufwind. Außerdem sind es unserer Einschätzung nach weniger die Gerichte als die gesamte Tischkultur und der schwedische Lifestyle, der den Hype befeuert«, freut sich Bischof. Auch das Scandic in Berlin (Potsdamer Platz) offeriert in seinem À-la-carte-Restaurant im dritten Stock moderne Küche mit skandinavischem und internationalem Touch. Eine Kombination aus zeitgemäßem Lifestyle und folkloristischen Rezepten. Einfach mal ausprobieren. Das »H2O« kauft bei kleineren Händlern und Schweden-Shops – das entspricht zwar der Scandic-Philosophie von regionalen Lieferanten, andererseits können gewisse Abnahmemengen nicht immer gewährleistet werden.
Nordisch-vegan und Birkenwasser
Schlichte Holzmöbel, weiß vertäfelte Wände, dazu leuchtendes Rot: Schon ist schwedisches Flair im Haus. Hinzu kommt eine Art nordische Lässigkeit,
die sich schwer beschreiben lässt. Das Karlsons in Hamburg ist Restaurant, Café und Shop zugleich. Das Speisenangebot ist hip, teils vegan und auf die Bedürfnisse junger Städter abgestimmt. Konkret heißt das: nordische Speisen neu interpretiert. Hausgemachter Blaubeer-Kompott, Köttbullar mit Preiselbeeren, Salat mit Ziegenkäse und Rote Bete. Alle nordischen Städte – von Malmö bis Helsinki – sind als Frühstücksvarianten auf der Karte vertreten. Das Trendgetränk bei Karlsons: Birkenwasser aus Kopenhagen – vollmundig im Geschmack und sehr gesund.
Wo gibt’s Elchfleisch und Moltebeeren?
Viele der Gastronomen beziehen das Gros der Zutaten über eigene Lieferanten im jeweiligen Land. Andersson Import in Meerbusch ist einer der wenigen »Großhändler« in Deutschland. Patrick Andersson hat sich auf schwedische und finnische Produkte spezialisiert, beliefert Groß- und Einzelhandel sowie Gastronomie. Er führt das Unternehmen seit 15 Jahren und spürt durchaus eine steigende Nachfrage für skandinavische Produkte. »Im letzten Jahr hatten wir ein Umsatzplus von 40 Prozent. Wir verkaufen viel Rentier- und Elchfleisch sowie Gin und Aquavit. Unser Glögg geht am besten, Restaurants können den Wein vielseitig einsetzen.« Der gebürtige Schwede hat immer ein Basissortiment auf Lager, kann aber nahezu alle Wünsche bedienen, weil er bei den großen Herstellern gelistet ist. Rund 15 Prozent seiner Kunden sind deutsche Gastronomen.
Adressbox:
- Amendssons
Skandinavischer Feinkostladen, (leider ziemlich hochpreisig), Hauptstraße 47, 28865 Lilienthal, Tel: 04298 699898, www.amendssons.de - Scandic Berlin Potsdamer Platz, Gabriele-Tergit-Promenade 19, 10963 Berlin, Tel.: 030 7007790
- Munch’s Hus, Bülowstraße 66, 10783 Berlin , Tel.: 030 21014086, www.munchshus.de
- Café Frau Larsson, Peter-Marquard-Straße 13, 22303 Hamburg, Tel.: 040 76979357, www.fraularsson.de
- Karlsons (Restaurant / Café / Shop), Alter Steinweg 10, 20459 Hamburg,
Tel.: 040 52598233
www.karlsons.de - Andersson Import GmbH, Am Fronhof 16 D, 40667 Meerbusch
Tel.: 02132 1318220, www.andersson-import.de - Baltic Sea Spirit, Skandinavische und baltische Spezialitäten, Eingetragene Händler kaufen zu Sonderkonditionen. Waren werden mit einer Lieferzeit von nur ca. 2–3 Tagen versandt. Kadammsweg 3a, 18146 Rostock, Tel.: 0381 44807598
- Schwedenmarkt Berlin, Hält das umfassendste Angebot schwedischer Produkte außerhalb Schwedens bereit. Dickhardtstr. 60, 12159 Berlin, Tel.: 030 22194674,
www.schweden-markt.de