Was macht uns krisensicher
Fotos: pctrbrln/Brikz

Was macht uns krisensicher?

So macht sich die Hospitality jetzt winterfest

von Karoline Giokas
Mittwoch, 07.09.2022
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Resilienz als Zukunftskraft? Ja, denn genau jene Kompetenz hilft uns, krisensicher zu werden. Wir haben gelernt, umzudenken. Dabei geht es nicht ausschließlich darum, zu überleben, sondern, fürs nächste Mal besser vorbereitet, krisensicher oder zumindest -sicherer zu sein.

Mittagstisch adieu!

Simi Berst, Betreiber des Münchner Restaurants „Kapitales vom Rind“, fiel es beispielsweise keineswegs leicht, einige seiner Kollegen während der Pandemie gehen zu lassen. Neun Jahre lang öffnete er montags bis sonntags um 11.30 Uhr die Pforten der Schwabinger Kultlokalität. „Das war kein Business zum Geldverdienen, sondern ein Service für die Nachbarschaft“, betont der Gastronom. Fünf Mitarbeiter heuerte er hierfür an. Innerhalb der zweiten Corona-Welle liefen ihre Arbeitsverträge aus – und konnten vom Arbeitgeber aufgrund der wirtschaftlichen Lage nicht verlängert werden. „Es ging ums nackte Überleben. Vor Corona stammten die meisten Gäste aus den umliegenden Bürogebäuden und blieben im Lockdown natürlich komplett weg“, erklärt Berst. 

Keine weiteren Lockdowns geben uns wenigstens eine kleine Planungssicherheit. Simi Berst, KvR München

Simi Berst, KvR München

Seither ist das „KvR“ von Montag bis Samstag erst ab 16 Uhr geöffnet – sonntags gibt es ab 11.30 Uhr weiterhin den obligatorischen Schweinebraten und Co. Rund 24 Mitarbeiter zählt das Team um Simi Berst aktuell. „Wir haben uns mit den neuen Öffnungszeiten inzwischen prima arrangiert und werden diese künftig beibehalten, doch die knappe personelle Besetzung ist manchmal eine Herausforderung“, betont Berst. Nicht nur aufgrund langfristiger Krankenstände, „sondern wegen deutlich gewandelter Ansprüche der Mitarbeiter.“ Oftmals springt der Chef bei Engpässen nun selbst ein, damit bei seinen Angestellten weiterhin die gewünschte „Work-Life-Balance“ gewahrt bleibt. Der 4-Tage-Woche stehe er zwar offen gegenüber, der Geschäftsführer betont aber ganz klar: „Damit die Mitarbeiter gut bezahlt werden können, muss sich in der Denke der Gäste etwas tun. In der Schweiz und in Frankreich geben sie bereits ein Vielfaches mehr für den Außer-Haus-Verzehr aus.“

An anderen Stellschrauben drehen

Andere Gastronomen haben sogar an den Öffnungstagen geschraubt, sind inzwischen sonntags und montags dicht. „Wir waren in der Corona-Krise dazu gezwungen, weil uns die Köche gefehlt haben“, berichtet Diana Brinkmann, Geschäftsführerin vom Überland Restaurant in Braunschweig, hinter dessen Food-Konzept kein Geringerer als Starkoch Tim Mälzer steckt. Ein weiterer Schließtag wäre definitiv keine Option. „Zur Not würden wir einen Leihkoch anheuern, denn sonst gerieten wir in eine Spirale, aus der wir nicht wieder herauskämen.“ 

Die Gäste des Überland sollen so wenig wie möglich von den aktuellen Problemen spüren. Fakt ist jedoch auch, dass hier Preisanpassungen aufgrund der aktuellen Teuerungen durchgeführt werden mussten. „Aber in einem Maße, wie es die letzten Jahre so oder so stattgefunden hat“, betont Brinkmann.

Restaurant mit Fleischschrank und Bar
Foto: Kapitales vom Rind

Gäste nicht überfordern

„De facto sind Lebensmittel nur einer von vielen Bereichen, die von Teuerungen betroffen sind. Mehrkosten, die auf uns einprasseln und wahrscheinlich künftig auch weiterhin werden, können wir durch unsere Preiserhöhungen längst nicht mehr abdecken. Wir dürfen unsere Gäste nicht überfordern – immerhin ist Essengehen für viele eine Art von Luxus, den sich die Menschen gerade sparen.“ 

Würden wir unsere Mehrkosten eins zu eins umlegen, würden die Gäste wegbleiben

Diana Brinkmann, Überland Braunschweig

Das rund 50-köpfige Überland-Team versucht nun an anderen Stellschrauben zu drehen, um Umsätze zu generieren – beispielsweise die Frequenz der Veranstaltungen zu erhöhen. Locations dafür bietet das Restaurant im BusinessCenter II des BraWoParks jedenfalls en masse: Auf drei Etagen warten nämlich 180 Sitzplätze und im 19. Stockwerk eine Rooftop-Bar mit spektakulärem Rundumblick auf die Stadt. Brinkmann und ihr Team bleiben die nächsten Monate wachsam, schauen, was passiert. „Die Motivation zu verlieren, ist keine Lösung. Wir optimieren, wo es geht, und versuchen in Sachen Personal nicht in den Überhang zu geraten, denn ich bin davon überzeugt, dass wir im Herbst wieder mit deutlichen Einschränkungen rechnen müssen.“ In den letzten beiden Jahren konnte das Überland von Puffern zehren. „Auch wenn die Corona-Hilfen keine Dauer-Alternative sind, haben sie uns gut geholfen – klar ist aber, dass es diese nicht mehr gibt“, bringt es Brinkmann auf den Punkt. „Ob es im Falle des Falles einer Verschlechterung der Lage wieder Maßnahmen geben wird, ist fraglich. Egal wie – wir halten durch!“

Bar
Foto: Andreas Greiner-Napp

Voller Erfolg mit der 4-Tage Woche

Statt den Blick in die Ferne zu richten, nahm Manuel Uguet vom Parkhotel Brunauer in Salzburg die eigenen Arbeitszeitmodelle genau unter die Lupe. Seit Mai 2022 gilt hier nun für alle Mitarbeiter eine 4-Tage-Woche – bei einer Arbeitszeit von 36 Stunden. Geht nicht? „Doch, tut es sehr wohl“, betont der Geschäftsführer. Er bereut sogar fast, das Thema nicht früher angegangen zu sein. Zu lange habe man sich in der Branche ausgeruht und darauf vertraut, dass die Mitarbeiter von alleine kommen. 
Auslöser für das erste 4-Tage-Arbeitswoche-Konzept bei gleich bleibendem Gehalt in einem österreichischen Hotel war die Studie eines groß angelegten Experiments aus Island. Hier hatten u. a. die städtischen Behörden von Reykjavík von 2015 bis 2019 die 4-Tage-Woche bei 2.500 Arbeitskräften getestet – mit Verkürzung der Wochenarbeitszeit auf 35 oder 36 Stunden, ohne geringere Bezahlung. 

Zu Uguets Glück hatten zeitgleich mit ihm selbst auch die Eigentümer des Parkhotel Brunauer, die Arbeiterkammer Salzburg, von der Studie gehört und waren bei der Idee, das Konzept selbst umzusetzen, sofort an Bord. Das Problem: Einige Betriebe hatten zwar die 4-Tage-Woche bereits eingeführt, aber nicht die Arbeitszeit reduziert. „In einem Marathon mussten wir deshalb, unter Einbeziehung der Gewerkschaft, des Betriebsrats und einem Rechtsbeistand die gesetzlichen Rahmenbedingungen klären. Wie werden beispielsweise Überstunden grundsätzlich, vor allem aber ab der neunten Arbeitsstunde geregelt, was ist mit Urlaub, wie wird mit Teilzeitbeschäftigung umgegangen? Wir haben rund zehn Versionen einer Betriebsvereinbarung verfasst“, berichtet Uguet. Ein halbes Jahr verging, bis eine Blaupause fertig war.

Bar und Lounge
Foto: Andreas Greiner-Napp

Plötzlich mehr Motivation und Bewerbungen

Das neue Konzept bedeutete einen massiven Einschnitt in den Berufsalltag jedes Mitarbeiters – für keinen sollten Nachteile entstehen. „Vor Einführung haben wir mit unserer Mannschaft gesprochen und analysiert, welchen Aufgaben jeder Mitarbeiter während seiner Schicht nachkommt“, erklärt Manuel Uguet. „Das sollte keine Kontrolle sein. Wir wollten feststellen, wo man zusammenarbeiten kann. Dabei musste das Team mitentscheiden und sein Okay geben.“ 

Durch die 4-
Tage-Woche schlafe ich wieder ruhig. Wir haben sogar wieder mehr Personal

Manuel Uguet, Parkhotel Brunauer Salzburge

In der Praxis unterstützt jetzt die Nachtschicht dabei, das Frühstücksbüfett vorzubereiten, füllt die Frühschicht mittags Wäsche fürs Housekeeping auf und macht die Abendschicht die Seminarräume für den nächsten Tag startklar. „So nutzen wir im 3-Schicht-Betrieb sinnvoll Überlappungen“.

Nennenswerte finanzielle Einbußen habe das Haus seit der Umstellung nicht. Dafür ist das Team des Parkhotel durch die optimierte Work-Life-Balance wesentlich entspannter und motivierter – das spürt man auch in der deutlich gestiegenen Gästezufriedenheit und dem zurückgegangenen Krankenstand. Ein zusätzlicher Gewinn: Seitdem das neue Arbeitszeitmodell publik wurde, stapeln sich die Bewerbungen – sogar Köchestellen oder die Position des Night-Managers können nun problemlos wieder besetzt werden.

In aktuellen Zeiten der Preiserhöhungen müssen Köche flexibler sein

Arne Anker, Brikz Berlin

Dem Gast ein Lächeln bescheren ...

Das ist das Ziel von Peter Pane. „Unsere Aufgabe als Gastronom ist es, ein bisschen Lebensfreude in den aktuell sehr schwierigen Alltag zu bringen“, ist Patrick Junge, Gründer und Geschäftsführer des Franchiseunternehmens, überzeugt. Deshalb fährt der Systemgastronom immer wieder peppige Aktionen wie das „Im-Menü-Sierung“ als Aufruf zur Impfung gegen Corona oder erst kürzlich das 9-Euro-Genussticket. „Die Themen unserer Gesellschaft bieten wunderbare Aufhänger für Sonderaktionen. Bei den Gästen kommt unsere Methode, oftmals herausfordernde Themen mit einem Augenzwinkern anzugehen, toll an – wie die hohe Resonanz zeigt.“

Tische im eingedeckten Restaurant
Foto: Brikz/ pctrbrln

Hier ist Wohlfühlen angesagt

Auch Arne Anker bringt seine Gäste im Berliner Brikz oft zum Lachen. Wer in das Restaurant im Berliner Stadtteil Charlottenburg kommt, soll sich nämlich fühlen, als betrete er das Wohnzimmer des Restaurantinhabers selbst. „Wir sind ein Lokal ganz ohne Etikette, es geht darum, kulinarisch Spaß zu haben, also mit dem, was wir tagtäglich tun“, betont Anker. Deshalb bringen hier die Köche das Essen selbst an den Tisch und plaudern mit dem einen Gast über die Kinder, mit dem anderen über den Hausbau. Im Gegenzug richtet das Serviceteam auch mal das Essen an. So unbeschwert wie heute war der Start des Brikz nicht: Seit der Neueröffnung am 1. November 2020 hielt sich das Team mit Take-away-Boxen über Wasser, die obligatorische große Eröffnungsfeier blieb aus. Zudem war der Unternehmer mutig: Eine Reservierung war damals nur mit Vorbezahlung möglich. „Wir dachten, nach Corona verstehen die Gäste das“, so Anker.

Schön angerichteter Teller
Foto: Brikz/ pctrbrln

Mehrere Standbeine im Blick

Inzwischen vertraut Anker darauf, dass Gäste auch kommen, wenn sie reservieren. Seit diesem Jahr bietet er neben dem alle zwei bis drei Wochen wechselnden Menü außerdem auch eine kleine À-la-carte-Auswahl an. Sein Trumpf in der Hinterhand: eine organisierte Vorplanung mittels hauseigenen Fermentierens und Einmachens. „Durch die neuen Methoden der Haltbarmachung können wir nicht nur den wohl höchsten Grad der Nachhaltigkeit erreichen, wir sind notfalls auch für schwierige Zeiten im kommenden Herbst gewappnet“, ist sich der 37-jährige Sternekoch sicher. Selbst nicht perfekte Karotten, Paprika & Co. oder zu viel geschnittene Tomaten werden so weiterverarbeitet. Auf die Neuregelungen des Infektionsschutzgesetzes, das im Herbst ohne Lockdowns auskommen soll, vertraut Anker nicht. „Wir haben uns breit aufgestellt, sind für To-go-Angebote und Straßenfeste gerüstet und vertreiben unsere Gerichte auch über den Lieferdienst Voilà.“

Ganz nach dem Motto „nach der Krise ist vor der Krise“, gilt es für die kommenden Monate, flexibel und erfinderisch zu sein. An Ideen und Durchhaltevermögen mangelt es den Gastgebern definitv nicht!

Junge Talente wiederfinden

Michael Pankow
Foto: Selina Schrader

Michael Pankow, Betreiber mehrerer Gastronomie-Konzepte in Berlin, geht in die Offensive und zeigt, was ihm seine Azubis wert sind. „Nur vom Spaß allein kann man in der Gastronomie nicht leben“, ist Pankow überzeugt, der sich einst selbst vom Service zum Unternehmer hochgearbeitet hat. Um die Gastronomie wieder konkurrenzfähig zu machen, zahlt er seinen Auszubildenden im ersten Lehrjahr 1.100 Euro brutto, im zweiten stehen 1.200 Euro auf dem Gehaltszettel. Warum? „Weil auch im Gastgewerbe gute Arbeit mit einem guten Lohn honoriert werden sollte.“ Zumindest ein Ansatz, wie man mit Investitionsbereitschaft gegen den akuten Fachkräftemangel angehen könne. 

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