Hot or Not
Foto: stock.adobe.com/leszekglasner

Hot or Not

Wie sexy ist die Hospitality-Branche?

von Karoline Giokas
Dienstag, 31.08.2021
Artikel teilen: 

Es ist in aller Munde. Die Gastgeberbranche tut sich schwer, geeignetes Personal zu finden – seit Corona scheinbar mehr denn je. »Das liegt aber an allen beteiligten Akteuren«, ist sich Tim Plasse, Geschäftsführer des Benediktiner Weissbräuhauses in Gießen, sicher. Die Entwicklung, die die Branche gerade knallhart erfährt, habe sich schon lange abgezeichnet. »In den letzten zehn bis zwanzig Jahren haben wir nicht unbedingt alles dafür getan, als attraktives Gewerbe zu gelten, obwohl es kaum eines mit höherem Spannungswert gibt«, weiß Konzeptfinder Plasse, der erst im Juni gemeinsam mit Bitburger den ersten Eigenbetrieb der Braugruppe als Pilotprojekt eröffnet hat. »Corona verschärft im Grunde einfach nur die Probleme, die uns schon lange begleiten, durch ein großes Brennglas. Wir können jetzt aber einfach nicht mehr wegsehen, geschweige denn uns über die Situation beschweren, sondern müssen nach Antworten suchen«, ruft der VollblutGastronom auf. »Wenn wir uns nicht eingestehen können, dass wir selbst dran beteiligt sind, wird sich auch nichts ändern.« Eine One-size-fits-all-Lösung gebe es aufgrund der mannigfaltigen Bedürfnisse und Anforderungen der vielen verschiedenen Gastronomiekonzepte noch nicht. Jedoch rät Plasse: »Wir müssen endlich umdenken und lernen, Arbeiten zu automatisieren, die ungern gemacht werden und frustrieren. Beispielsweise füllt keiner gerne Temperaturlisten aus oder poliert Besteck. Klar handelt es sich hierbei um Pflichtaufgaben, dafür gibt’s aber doch heutzutage technisch hochentwickelte Abhilfen.«

Hotel Stadt Hamburg
Foto: Hotel Stadt Hamburg, Sylt

Qualifikationen lassen zu wünschen übrig

Bei Hans im Glück ist der Geschäftsbetrieb aktuell mit einer immensen Belastung verbunden – sowohl für das Management als auch in erster Linie für die Mitarbeiter, da auch hier im Laufe der Pandemie viele Fachkräfte abgewandert sind. »Wir versuchen ehemalige Mitarbeiter zurückzugewinnen und neue über die Jobportale sowie unser Netzwerk für uns zu begeistern. Das gravierendste Problem derzeit ist, überhaupt qualifizierte Bewerbungen zu bekommen«, erklärt Johannes Bühler, Geschäftsführer der Burgergrill-Bar-Kette. Ein weiterer Lockdown wäre dementsprechend ein herber Schlag, von dem sich Hans im Glück personalseitig nicht so schnell erholen würde.

Fabian Landhammer
Foto: Hotel Stadt Hamburg,
Sylt

Eine persönliche Beziehung zu
den Gästen aufbauen und diese besondere Wertschätzung zu erfahren – wo sonst erlebt man das schon

Fabian Landhammer, Hotel Stadt Hamburg Sylt

Aus Sicht des Franchise-Unternehmers kann die Branche nur dann relevant und interessant für Arbeitnehmer bleiben, wenn sie eine sichere Perspektive bietet. »Wir wünschen uns und fordern von der Politik, die aktuell entspannte Situation zu nutzen und planbare ­Szenarien zu entwickeln, um auf eine etwaige nächste Welle vorbereitet zu sein«, attestiert Bühler. Unabhängig davon ist der Vorteil der Systemgastro im Vergleich zu anderen Branchen, dass Arbeitgeber wie Hans im Glück ihre Fachkräfte selbst ausbilden und so oft schnellere Aufstiegschancen bieten. »Wir sind mit Leib und Seele Fullservice-Gastgeber und uns sicher, dass dies ein Vorteil ist, sofern wir weiter glaubwürdig und stetig daran arbeiten.«

Pushen wir doch mal die Psyche

Ursächlich für den Wechsel vieler Angestellter aus der Gastgeberbranche in andere Wirtschaftszweige ist dabei nicht unbedingt das Thema Vergütung. »Vier Monate zu Hause herumsitzen, nicht Gastgeber sein zu können, war an dieser Stelle tatsächlich ein größeres Problem« und »die Menschen sind mit den Tagen der Strukturlosigkeit nicht klargekommen«, ist von diversen Stellen zu hören. Juliane Safran, Director of Human Resources im Hyatt Regency Mainz, weiß daher, wie wichtig es ist, den Mitarbeitern regelmäßig Lichtblicke zu geben – nicht nur in Krisenzeiten. »Wir dürfen nie auf einer Stelle stehen bleiben, sondern müssen mit den Mitarbeitern offen kommunizieren, sie genauso aber in die täglichen Belange des Unternehmens einbinden, abwägen, wo neues, weiteres Potenzial in unseren Mitarbeitern schlummert, und überprüfen, wie wir sie dabei unterstützen können, dieses zu nutzen.« Der positive Effekt: Die Kollegen erfahren wohlverdiente Wertschätzung und reichen das positive Gefühl an die Gäste weiter, der Arbeitgeber unterstützt zudem auch die Förderung in eigenen Reihen. Eine Win-win-win-Situation also. Ein Beispiel aus dem Hyatt Regency Mainz: Bankettmanager Christian Krämer hat sich mitten in der Pandemie zum F&B-Manager gemausert.

Rezeptionsmitarbeiter
Foto: stock.adobe.com/Mongkolchon

Vorteile als Gastgeber schätzen

Warum eine Branche, die aufgrund ihrer »Von-Mensch-zu-Mensch-Dienstleistung« wahrscheinlich zu den ehrbarsten des Arbeitslebens überhaupt zählt, immer wieder mit negativen Attributen betitelt wird, ist so manchem dennoch unklar. »Die Vorteile einer Beschäftigung im Gastgewerbe überwiegen, man muss sich auf die Gastgeberrolle einstellen. Wer das nicht mag, ist hier fehl am Platz«, bringt es Fabian Landhammer vom Hotel Stadt Hamburg auf Sylt auf den Punkt. Natürlich müsse man damit rechnen, auch am Wochenende und feiertags Dienst zu haben, aber »das typische Klischee von 12- bis 14-Stunden-Schichten ist wirklich veraltet. Das sind meist nur Ausnahmefälle«, äußert sich der 22 Jahre junge Leiter der Reservierungsabteilung des Hauses. Dann meint er knallhart: »Es gibt Jobs wie im Gesundheitswesen, die weitaus anstrengender sind, in denen Nachtschichten runtergeschrubbt werden müssen. Wir haben dafür Nachtportiers, Menschen, die sich nebenbei was dazuverdienen möchten.« Der gebürtige Bayer geht in seiner Rolle voll auf und weiß die Schichtarbeit durchaus zu schätzen – am Strand spazieren oder einkaufen gehen, wenn andere im Büro sitzen. »Kann auch nicht jeder!« Damit sollte die Hospitality mal werben!

Belange des Hauses gehen auch Mitarbeiter an, nicht nur das
Management. Binde
ich sie mit ein, sind sie happy und auch die Gäste glücklich

Juliane Safran, Hyatt Regency Mainz

Ähnlich sieht das auch Markus Winkler, Restaurantleiter und Sommelier im Hotel Aurelio Lech. »Es muss unter den Arbeitnehmern Akzeptanz geschaffen werden.« Zugegeben, es gibt immer noch schwarze Schafe in der Branche, die Überstunden unter den Tisch fallen lassen, keine Zuschläge zahlen. »Man darf hier nicht alle über einen Kamm scheren. Viele Arbeitgeber bezahlen gut, manchmal sogar übertariflich mit Sonn- und Feiertagszuschlägen, und versäumter Urlaub wird entlohnt«, ist der 28-Jährige überzeugt. Um neue Kollegen zu finden, sollten Gastgeber aus Winklers Sicht vor allem mit ihrer Beständigkeit in die Offensive gehen. In Zeiten der Unsicherheit sei das sogar effektiver, als mit tollen Mitarbeiter-Benefits zu winken. »Bei uns sind so viele Kollegen bereits länger als ein Jahrzehnt angestellt. Das demonstriert Sicherheit nach außen.«

Kommunikation, aber ehrlich!

Einer, der ebenfalls große Stücke auf das Thema Kommunikation hält, ist Maximilian Thost, Country Manager DACH bei Quinyx. Eine unklare oder aufgesetzte Kommunikation nach außen erschwere oftmals die Akquise von qualifiziertem, motiviertem Personal. »Fakt ist: Eine Fassade aufrechtzuerhalten bringt nichts. Sie landen bei potenziellen Mitarbeitenden, wenn Sie Ihr Unternehmen sowie gebotene Positionen offen und ehrlich darstellen.« Ohne Social Media gehe dabei heute nichts mehr, die junge Generation lebe damit.

Mann an der Rezeption
Foto: Arcona Hotels & Resorts

Schichtplansicherheit aufzeigen

Dass Arbeitnehmende heute mehr wollen als einfach nur einen Job, ist nichts Neues – es geht besonders um die Work-Life-Balance. Der alte Drill bei 6-Tage-Wochen oder 2-Stunden-Schichten ist aus Perspektive der Arbeitnehmenden planungstechnisch nicht mehr zeitgemäß. Maximilian Thost zeigt auf: »Unsere jährlichen Umfragen bei Quinyx führen immer wieder zu dem Ergebnis, dass bei rund der Hälfte der Angestellten das Privatleben unter dem Job leidet. Auf der einen Seite gehen zwei Drittel der Mitarbeiter krank zur Arbeit, um ihr Team nicht im Stich zu lassen, auf der anderen können aber zahlreiche Arbeitgeber nach wie vor keine Planungssicherheit bieten – an diesem Hebel sollten Verantwortliche ansetzen.« Abhilfe schaffen zum Beispiel cloudbasierte Personaleinsatzpläne. »Die Branche ist in der Digitalisierung in den letzten Monaten gewaltige Schritte gegangen – leider fast ausschließlich für die ­Gäste. Der letzte Meter im Background muss für Menschen, die die Branche im Endeffekt ausmachen, nämlich die Mitarbeitenden, noch beschritten werden«, so Thost. Der Umgang dürfte ein Leichtes sein: einfach App installieren, auf den Dienstplan zugreifen und mit den Kollegen oder dem Chef kommunizieren – so sind Privat- und Berufsleben sauber voneinander getrennt.

Tim Plasse
Foto: Benediktiner
Weissbräuhaus Gießen

Um- und Querdenken bitte

Wenn man ehe­malige Mitarbeiter nicht überzeugen kann, in den Betrieb zurückzukehren, warum nicht einfach in den eigenen Reihen nach Potenzial forschen oder Kandidaten anderer Branchen anvisieren? Vielleicht sollten wir einmal tiefer graben, Ausbildungskonzepte überdenken und uns fragen, ob diese eigentlich noch zeitgemäß sind? Manch ein Quereinsteiger macht den Job vielleicht sogar besser als jemand Qualifiziertes – weil er mit Herz und Seele Gastgeber ist. Auch das Hyatt Regency Mainz hat seine Strukturen überdacht. »Im Winter-Lockdown haben unsere Azubis die Zügel in der Hand gehalten, Verantwortung in anderem Maße übernommen als sonst – und sind daran unheimlich gewachsen«, berichtet Juliane Safran. Teile der Ausbildung habe man deshalb in digitale Formate geswitcht, hält sie nun zu Hause ab, wie eine Weinschulung. Macht Spaß und ist zugleich lehrreich.

Es hat einen höheren Effekt, lästige Aufgaben zu minimieren, statt das, was Spaß macht, zu maximieren

Tim Plasse, Benediktiner Weissbräu-haus Gießen

Fabian Landhammer ist davon überzeugt, dass die Hospitality Ein- und Aufstiegschancen wie kaum ein anderer Wirtschaftszweig bietet. »Ich habe mich innerhalb von nur zwei Jahren  zum Abteilungsleiter hochgearbeitet. Wo sonst schafft man das innerhalb so kurzer Zeit?«, stellt er in den Raum. Und auch Markus Winkler sieht besondere Vorteile seines Jobs: »Ich kenne keine Branche, die vielseitiger ist als unsere. Zum einen liegt der Reiz darin, dass jeder Gast andere Ansprüche stellt, es mir aber unter gewissen Parametern selbst überlassen bleibt, wie ich diese erfülle und die Gäste glücklich mache. Das macht unseren Job so abwechslungsreich.«


Christian Pornhagen
Foto: Arcona Hotels &
Resorts

Interview mit Christian Pornhagen

Nach seinem geisteswissenschaftlichen Studium begann Christian Pornhagen als Veranstaltungskaufmann in der Hotellerie und rutschte durch eine Elternzeitvertretung als Assistent in die Marketing-Abteilung der Arcona Hotels & Resorts. Heute ist er Marketing Manager der Hotelgruppe und spricht mit uns über seine Ansprüche an die Branche.

Herr Pornhagen, wie stehen Sie zu dem oftmals immer noch negativ besetzten Ruf der Hospitality?
Die aktuelle Entwicklung verdeutlicht ein strukturelles Problem, dessen sich die Branche bewusst ist, wofür sie aber noch nicht die richtigen Lösungen hat. Viele Kollegen sind leidenschaftliche Gastgeber und bereit, vieles für die Branche, in der sie zu Hause sind, zu opfern. Bricht nun aber diese wichtige Säule der sicheren Beschäftigung unvorhersehbar schnell und fremdbestimmt weg, werden Existenzängste real. Der Weg raus aus der Mitarbeiter-Krise führt über viele Ebenen, dazu gehören Vereinbarkeit von Beruf und Familie, höhere Löhne, allgemeines Arbeitsklima. Grundsätzlich müssen die Arbeit und Leistung der Beschäftigten deutlichere Wertschätzung erfahren, ganz klar auch von den Gästen selbst, die diese Privilegien eines überzeugenden Service genießen dürfen. Das gesellschaftliche Miteinander hat sich in den vergangenen Jahren leider sehr negativ entwickelt. Hier muss ein Umdenken stattfinden.

Aus anderem
Blickwinkel

 

 

Christian Pornhagen

Welche Ansprüche stellen Sie an Ihren Arbeitgeber?
Ich lege Wert auf ein aufgeschlossenes, ehrliches Miteinander, wertschätzende Kommunikation auf Augenhöhe und die Kompetenz, mögliche Problemstellungen professionell und lösungsorientiert anzusprechen. Ein Arbeitgeber sollte zwar klare Strukturen und Prozesse haben, jedoch auch die nötige Flexibilität besitzen, alte Herangehensweisen zu überdenken und Möglichkeiten der Optimierung zuzulassen oder zumindest die Bereitschaft für eine Debatte darüber.

Was macht für Sie einen guten Arbeitgeber aus?
Er erkennt Potenzial, lässt einen dies auch wissen und ermutigt dazu, sich selbst zu hinterfragen und über den Tellerrand zu schauen. Gleichzeitig ermuntert er, Hürden zu nehmen, und stärkt in Unternehmungen. Er muss sich selbst reflektieren, lässt Raum für Weiterentwicklung und hat auch ein offenes Ohr für private Belange. Wenn man montags gerne zu Arbeit kommt, stimmt das Paket. Wenn die Bezahlung dazu leistungsgerecht erfolgt: Bravo!

Weitere Artikel aus der Rubrik Titelstory

Artikel teilen:
Überzeugt? Dann holen Sie sich das HOGAPAGE Magazin nach Hause!