Packen wir's an!
Wie Gastronomen und Hoteliers das Beste aus der Krise machen …
von Daniela Müller#1 Gerhard Rieder, Wirtshaus am Rosengarten:
»Bei uns erlebt der Gast puren Genuss – und keine Krisenstimmung«
Gerhard Rieder ist Pächter und Gastgeber im Wirtshaus am Rosengarten im Münchner Westpark. »Uns geht es sehr, sehr gut«, zieht er sein Fazit der vergangenen Wochen. Trotz Lockdown und Wiedereröffnung unter strengen Hygieneauflagen habe er absolut keinen Grund zu jammern, stellt er klar. »Wir haben Mitte März, als wir keine Gäste mehr im Restaurant bewirten durften, schnell auf Lieferservice umgestellt. Damit haben wir sehr guten Umsatz gemacht.«
Bereits als das Corona-Virus Anfang März seine dunklen Schatten über die Branche verbreitete, machte sich Rieder Gedanken, wie er im Falle eines Lockdowns reagieren könnte. Er schrieb mehrere Lieferservice-Dienstleister an und entschied sich schließlich für den Marktführer Lieferando. Eine gute Wahl, wie sich herausstellte, denn sein Angebot an frisch zubereiteten bayerischen Spezialitäten schlug in München ein. »Wir waren ein Exot zwischen all den anderen Lieferservices und konnten uns vor Bestellungen kaum retten«, so Rieder. Um die Kosten möglichst gering zu halten, mietete der Wirt bei Lieferando vier Fahrzeuge, denn wer selbst ausliefert, zahlt weniger Provision an den Bestelldienst. Außerdem konnte Gerhard Rieder dadurch seine Servicekräfte zum Teil wieder aus der Kurzarbeit zurückholen und als Fahrer einsetzen.
Lieferdienst war eine perfekte Werbung
Da der Verkehr in München es während des Lockdowns zuließ, lieferte er zudem nicht nur im näheren Umkreis, sondern in ganz München aus. »Wir haben jeweils rund 1.000 Kaiserschmarren, Schnitzel und Schweinebraten verkauft. Insgesamt standen 10 Gerichte zur Auswahl – die Resonanz war unglaublich groß«, freut sich der Gastronom. Dass der Lieferdienst zudem eine gute Werbung für das Wirtshaus am Rosengarten ist, steht außer Frage: Neben den Stammkunden, die heute wieder regelmäßig zum geselligen Genuss ins Restaurant kommen, konnte Rieder viele neue Stammgäste aus entlegeneren Stadtteilen in München gewinnen.
Überhaupt brummt mittlerweile das Geschäft im Wirtshaus wieder. Anders als viele Gastronomen in der Stadt ist Rieder im Westpark nicht vom internationalen Tourismus abhängig. Dass Gäste nach dem Lockdown ausgehungert nach kulinarischen Erlebnissen sind, daran bestand für Rieder nie ein Zweifel. »Während viele meiner Kollegen mit kleinen Karten gestartet sind, weil sie überzeugt waren, dass ohnehin kaum jemand kommen würde, haben wir uns gleich mit der großen Karte ins Rennen gewagt – und haben Recht behalten. Viele Menschen, die zu uns kommen, wollen am Essen derzeit nicht sparen, nach all den Entbehrungen in den letzten Wochen. Statt von der günstigen Mittagskarte bestellen z.B. viele Gäste schon zum Lunch ein Rinderfilet. Das merken wir natürlich am Umsatz.« Der Bierabsatz im Juli, berichtet er stolz, sei fast auf dem Niveau der Vorjahre gewesen. Und das, obwohl aufgrund der derzeitigen Hygiene-Auflagen im Biergarten und auf der Terrasse nur 550 statt 1.900 Gäste Platz fänden. Mittlerweile sucht er bereits wieder händeringend nach guter personeller Verstärkung.
Ein schönes und sicheres Umfeld punktet beim Gast
Nach seinem Erfolgsrezept gefragt, erklärt der Gastronom: »Wir bieten unseren Gästen eine Auszeit von den Sorgen, die viele in der derzeitigen Krise plagen. Tolles Essen, alles frisch gekocht aus besten Zutaten, und einen freundlichen Service. Heute, wo die Digitalisierung so sehr auf dem Vormarsch ist, wo alles nur noch über den Computer gemacht wird, sehnen sich die Menschen nach Ansprache und einem Ort, wo sie freundlich empfangen werden und sich wohlfühlen können.« Gleichzeitig sei es wichtig, die derzeit geltenden Hygiene-regeln strikt einzuhalten. »Die Gäste achten sehr darauf, ob man z.B. die Abstandsregeln einhält, denn nur dann können sie entspannt genießen – und kommen wieder.«
Auch die ersten Feiern und kleinen Veranstaltungen haben im Wirtshaus am Rosengarten schon wieder stattgefunden. Nach Genehmigung des Kreisverwaltungsreferats erlebten 400 Gäste jüngst einen Freitagabend mit Live-Musik im Biergarten. Und obwohl nicht getanzt werden durfte, war der Abend ein voller Erfolg. Für das kommende Jahr plant Rieder schon fleißig vor. Wie schon in der Zeit vor Corona hat er Sterneköche eingeladen – für das erste Halbjahr 2021 stehen bereits Harald Wohlfahrt und Syrco Bakker auf dem Programm. Dazu
beispielsweise Lesungen mit Tatort-Kommissar Miroslav Nemec und der Schauspielerin Stephanie Stumph sowie die legendäre Mallorca-Party. Gerhard Rieder ist überzeugt: »Die Menschen brauchen gerade dringend positive Perspektiven – und absagen kann ich ja immer noch, wenn wider Erwarten die Lage es erfordert.« Seinen Lieferdienst betreibt Rieder übrigens weiter, denn der hat sich mittlerweile von der Krisenmaßnahme zum lukrativen Nebengeschäft entwickelt.