So bringen Gastronomen Nachhaltigkeit in ihre Restaurants – Teil 2
Nachhaltigkeit spielt in unserer Gesellschaft eine immer bedeutendere Rolle. Laut Statista ist ein soziales und ökologisches Handeln von Unternehmen für rund die Hälfte der Bevölkerung in Deutschland ein wichtiges Kaufkriterium.
Auch in der Gastronomie wird Nachhaltigkeit immer entscheidender. Denn Gäste erwarten zunehmend ein umweltfreundliches und nachhaltiges Konzept.
Drei vorbildliche Beispiele dafür, wie Gastronomen nachhaltige Maßnahmen in ihren Restaurants umsetzen, präsentierte HOGAPAGE bereits im ersten Part der zweiteiligen Serie "So bringen Gastronomen Nachhaltigkeit in ihre Restaurants". Doch die Gastro-Branche kann noch mehr.
„Man wächst an seinen Herausforderungen“
Im the Cord auf dem Euref-Campus ist die Karte entsprechend saisonal und man arbeitet mit lokalen Partnern und kleinen Produzenten aus der Region zusammen.
Das Restaurant bietet ein spezielles Vier-Gang-Menü, das den Nachhaltigkeits-Gedanken des Restaurants ausdrücken soll. Darin finden sich viele regionale Produkte von Partnern wie zum Beispiel Burrata von Paolella aus Kremmen, Spargel aus Beelitz, Salatspargel von Fresh-Tasia aus Magdeburg oder Maibock-Rücken und Waldmeister von Richard‘s Wild aus Fürstenberg.
Man versuche jedoch auch, Müll, Lebensmittelverschwendung, Energieverbrauch und CO2 zu reduzieren. „Die Energieversorgung auf dem Euref Campus ist ja bereits CO2-neutral“, sagt Küchenchef Florian Peters. Beispielsweise setze man im Team darauf, den Backofen nicht vorzuheizen. „Wir stellen die Kochplatten eher aus, haben energieeffiziente Geräte und nutzen Trinkwasser aus der Leitung, das wir mit der ‚Best Water Technologie‘ filtern“, erklärt Florian Peters.
Im Zuge der Müllreduktion erhalten nur die Gäste Brot, die dieses auch wollen. Bio-Dinkel- und Roggenbrot mit Kräuterquark, Olivenöl und Meersalz kosten dementsprechend drei Euro. „Das ist nicht viel, aber genug, dass jeder Gast überlegt, ob er das Brot wirklich möchte“, erläutert Florian Peters.
Brot-Abschnitte, die noch nicht auf dem Tisch waren, würden zudem beispielsweise zu gerösteten Brotkrumen mit Nussbutter, Limonen-Schale und Meersalz verarbeitet, um damit andere Gerichte zu toppen.
Kochen mit 100 Prozent biologisch zertifizierten Zutaten
Das erasmus bio fine dining in Karlsruhe ist ein Vorreiter in Sachen Nachhaltigkeit in der Gastronomie. Seit der Guide Michelin im Jahr 2020 den Grünen Stern – eine Auszeichnung, die besonderes Engagement für nachhaltiges Arbeiten hervorhebt – ins Leben gerufen hat, wird das Restaurant mit diesem gewürdigt. „Wir versuchen, soziale, kulturelle und ökologische Nachhaltigkeit gastronomisch umzusetzen“, sagt Geschäftsführerin Andrea Gallotti.
Dafür kocht man mit 100 Prozent biologisch zertifizierten Zutaten. „Das spart CO₂ und Energie im gesamten Anbau. Außerdem hält es Boden, Luft und Wasser gesund“, erklärt Andrea Gallotti. Die ökologische Tierhaltung ermögliche zudem mehr Tierwohl.
Tiere verarbeitet man im erasmus bio fine dining zudem grundsätzlich ganz, also „nose to tail“. „Das fühlen wir uns dem Tier einfach schuldig“, sagt Andrea Gallotti. „Außerdem nehmen wir damit nicht an einem auf Export basierendem Tierhaltungssystem teil, welches letztendlich dazu führt, dass in manchen Fleisch importierenden Ländern kein Lebensunterhalt durch eigene Tierhaltung erwirtschaftet werden kann“, ergänzt sie.
Darüber hinaus setzt das erasmus bio fine dining auf alte Sorten und Rassen, um die Landwirtschaft stark und unabhängig von Chemie zu machen und gleichzeitig den Genuss der Gäste zu steigern. Auch achtet man auf eine handwerkliche Herstellung der Zutaten. „Das ist wichtig, um gastronomisches Kulturgut zu erhalten und ländliche Regionen zu stärken“, erklärt Andrea Gallotti.
In Zukunft will sich das Restaurant engagieren, um die politischen Rahmenbedingungen für Gastronomen zu verbessern. „Denn zur Nachhaltigkeit gehört auch die Wirtschaftlichkeit und es gibt momentan kein ‚level playing field‘, keine fairen Bedingungen zwischen denen, die sich mehr für das Wohl aller, für zukünftige Generationen, für Umwelt, Tierwohl und Kulturgut einsetzen, im Vergleich zu denen, die dies nicht als ihren unternehmerischen Auftrag verstehen. Diese Situation muss sich ändern, sie ist nicht mehr zeitgemäß“, findet Andrea Gallotti. „Unsere Erfahrungen und ein selbst zugeschriebenes gewisses kommunikatives Geschick möchten wir hier zukünftig gerne einbringen“, ergänzt die Gastronomin.
„Wir denken gern andersrum“
Im Bonvivant Cocktailbistro geht man einen etwas ungewöhnlicheren Weg bei der nachhaltigen Speisenkreation: „Wir überlegen uns kein Gericht und bestellen dann die Zutaten, sondern denken gern andersrum: Wir reden mit unseren Bauern und Lieferanten und erfahren, was und wie viel davon vorrätig ist“, erklärt Barchef Elias Heintz. Somit sei das Menü im Einklang mit dem Natur-Zyklus. Aus den Resten, die vom Tagesgeschäft übrigbleiben, wird dann ein Personalessen gekocht, das man zusammen als Team vor der Öffnung im Restaurant genießt.
Zudem versucht man im Bonvivant Cocktailbistro, alles vom Gemüse zu verwenden. Ein Beispiel: Der derzeitige erste Gang besteht aus einem Kohlrabi-Tatar. Küchenchef Nikodemus Berger wollte die Kohlrabi-Blättern nicht einfach wegschmeißen. Deshalb hat er herumexperimentiert und nun gibt es eine warme Suppe aus den Kohlrabi-Blättern. Die Gäste sind laut Paul Rost begeistert.