Warum ist das Austarieren speziell bei Corona so schwierig?

Die Verfassungsmäßigkeit einer Maßnahme ist nicht in Stein gemeißelt, sondern hängt von der aktuellen Situation und den wissenschaftlichen Erkenntnissen ab. Erst gab es keinen Impfstoff, dann schon. Dann kam die noch viel ansteckendere Delta-Variante. Inzwischen weiß man, dass auch Geimpfte andere anstecken und manchmal auch selbst schwer erkranken können. Und: Was bei entspannter Corona-Lage völlig unverhältnismäßig schien, muss es heute nicht mehr sein. Vor diesem Hintergrund hat die Politik auch einen weiten Einschätzungsspielraum.

Dürfen Ungeimpfte strikteren Beschränkungen unterworfen werden?

Hier scheint unter Rechtsexperten niemand ein Problem zu sehen. Andersherum: Als im Frühjahr mehr und mehr Menschen geimpft waren, wurde schnell der Ruf laut, diesen mehr Freiheiten zu gewähren. Nur die wenig einschränkenden Maßnahmen, die sonst schwer zu kontrollieren wären, zum Beispiel die Maskenpflicht in Bus und Bahn, sollten weiter für alle gelten. Das Grundgesetz macht auch gar nicht die Vorgabe, dass alle immer gleich behandelt werden müssen. Für unterschiedliche Behandlung muss es nur einen Sachgrund geben.

Wenn es hart auf hart kommt – wären Einschränkungen für alle möglich?

Mangold, die im Frühjahr selbst eine Verfassungsbeschwerde gegen die nächtlichen Ausgangsbeschränkungen unter der Bundes-Notbremse verfasst hat, hält aktuell „flächendeckende und kontaktbeschränkende Maßnahmen gegenüber der gesamten Bevölkerung“ für zulässig – „also gegenüber geimpften wie ungeimpften Personen“. Denn überfüllte Intensivstationen bedrohten potenziell die Gesundheit aller Menschen.

Die Juristin Andrea Kießling von der Ruhr-Uni Bochum meint dagegen, es müsse differenziert werden. „Einfach pauschal irgendwelche Dinge anordnen, die dann für alle Personen uneingeschränkt gleich gelten, das geht nicht mehr“, sagte sie „Zeit Online“.

Und eine Impfpflicht für alle oder bestimmte Berufe?

Kießling hat „da keine verfassungsrechtlichen Bauchschmerzen“. Hinnerk Wißmann von der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster empfiehlt in einer aktuellen Stellungnahme für das Gesetzgebungsverfahren im Bundestag, die Impfpflicht in Betracht zu ziehen, „bevor etwa allgemeine Lockdowns für Schulen oder Hochschulen in Betracht kommen“. Er bezeichnet diese als „milderes Mittel“.

Braucht es weiter die „epidemische Lage von nationaler Tragweite“?

Ihre Feststellung ist Voraussetzung, um eine Vielzahl von Maßnahmen aus dem Infektionsschutzgesetz wie Ausgangs- und Reisebeschränkungen anordnen zu können. Die angestrebte Ampel-Koalition will die epidemische Lage nicht über den 25. November hinaus verlängern, den Ländern aber auf andere Weise einen Teil der Schutzmaßnahmen ermöglichen. Hierüber wird unter Juristen gerade gestritten.

Der Bielefelder Rechtsprofessor Franz C. Mayer meint: „Die Feuerwehr wirft mitten im Einsatz Teile ihrer Ausrüstung ins Feuer.“ Ferdinand Wollenschläger von der Uni Augsburg hält es für „rechtlich nicht geboten“, den Katalog möglicher Schutzmaßnahmen derart zusammenzustreichen. Andere Experten finden den Zeitpunkt richtig.

(dpa/MK)

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