2G, Lockdown, Impfpflicht: Was ist rechtlich möglich?
Warum gibt es immer noch so viel Unsicherheit? Nach fast zwei Jahren Pandemie gibt es inzwischen zwar viele Gerichtsentscheidungen. Dabei handelt es sich aber fast immer um Eilentscheidungen, bei denen die Richter nur kursorisch prüfen: Wie schlimm wäre es, wenn wir die Maßnahme jetzt fälschlicherweise kippen? Und was bedeutet es für den Kläger, wenn sie – möglicherweise unrechtmäßig – noch eine Weile in Kraft bleibt?
Das Bundesverfassungsgericht hat auf diese Weise ganz zu Beginn der Pandemie dafür gesorgt, dass Demonstrieren wieder möglich war und auch Gottesdienste unter Auflagen stattfinden konnten. Zu vielen wichtigen Fragen gibt es aber noch keine abschließende Entscheidung.
Wann ist mit solchen Entscheidungen zu rechnen?
Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat im Oktober den Anfang gemacht und die sehr weitgehenden Ausgangsbeschränkungen in Bayern in der ersten Corona-Welle im Hauptverfahren für unverhältnismäßig erklärt. Der Beschluss ist aber noch nicht rechtskräftig, die Staatsregierung hat angekündigt, Revision einzulegen. Im Moment warten alle auf die erste große Entscheidung aus Karlsruhe, die bis Ende November in Aussicht gestellt ist. Dabei geht es um die sogenannte Bundes-Notbremse, die von den letzten Apriltagen bis Ende Juni 2021 bundeseinheitliche Maßnahmen wie Kontaktbeschränkungen, nächtliche Ausgangsbeschränkungen und Schulschließungen ermöglichte.
Was ist davon zu erwarten?
Der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Stephan Harbarth, hat sich dazu am Freitag im ZDF-„heute journal“ geäußert: Es gehe um „ein bestimmtes Gesetz zu einem bestimmten Zeitpunkt“. Das Gericht begründe seine Entscheidungen aber „sehr, sehr ausführlich“ und entwickele dabei Maßstäbe, um die Verfassung zu konkretisieren. Daraus ergäben sich üblicherweise „Hinweise für Folgefragen, die sich stellen werden, etwa für kommende Pandemien oder für Maßnahmen in der gegenwärtigen Pandemie für die kommenden Monate“.
Und in der Zwischenzeit?
Bis dahin muss die Politik sozusagen auf Sicht fahren. Die Rechtsprofessorin Anna Katharina Mangold von der Universität Flensburg ist der Ansicht, dass sich „gewisse Leitplanken“ trotzdem auch jetzt markieren lassen. „Die Verfassung steht einer weiterhin maßvollen, aber eben auch effektiven Pandemiebekämpfung keineswegs entgegen“, schreibt sie in einem Beitrag für den „Verfassungsblog“.
Welche verfassungsrechtlichen Vorgaben gelten generell?
Grundrechtseingriffe sind unter bestimmten Bedingungen möglich, jede Maßnahme muss aber – auch in der Ausnahmesituation einer Pandemie – verhältnismäßig sein. Das bedeutet: geeignet, erforderlich und angemessen. Eine wichtige Frage ist dabei immer, ob derselbe Zweck nicht auch mit einem «milderen Mittel» erreicht werden kann. Außerdem sind die betroffenen Grundrechte gegeneinander abzuwägen. Bei den Corona-Maßnahmen stehen auf der einen Seite die Freiheitsrechte. Auf der anderen Seite geht es um das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Hier hat der Staat auch Schutzpflichten.