„Wir wollen neue Zielgruppen erschließen“
HP: Herr Setnes, Sie sind gebürtiger Norweger. Abgesehen von den legendär hohen Preisen dort, wie unterscheidet sich der norwegische Biermarkt vom österreichischen?
MS: In Norwegen lag der Pro-Kopf-Verbrauch 2016 bei 51 Liter, im Gegensatz zu Österreich mit 103 Litern bzw. 106 Litern inkl. Alkoholfreien Bier. Ähnlich wie in Österreich, erlebt auch Craftbier in Norwegen einen Aufschwung, und es gibt ca. 130 Brauereien in Norwegen, aber in Österreich noch immer mehr mit 235 Brauereien. Und auch die Gesamtproduktion von rund 2,4 Mio. Hektoliter kann nicht mit dem Ausstoß in Österreich von 9,2 Mio. Hektoliter mithalten. Der Unterschied liegt neben den sehr hohen Biersteuer in Norwegen sicherlich auch am besonderen Verhältnis der Österreicher zu ihrem Bier, die Bierkultur hierzulande ist sehr stark ausgeprägt.
HP: Hat die Craftbierwelle Ihrer Meinung nach den Zenit schon erreicht oder wird das Interesse an außergewöhnlichen Bieren weiter steigen?
MS: Bierspezialitäten sind wichtig für die Bier- und Getränkekultur in Österreich. Fast die Hälfte der Österreicher ist probierfreudig und greift gerne zu unbekannten Biersorten. Vielfalt ist gefragt wie nie, das wird sich so schnell nicht ändern. Experimentelle Biere wie Craft Biere machen aber nur einen geringen Teil des Umsatzes am Biermarkt aus. Bierspezialitäten hingegen, welche sich oft an klassischen europäischen Bierstilen orientieren oder Altbewährtem neues Leben einhauchen, bieten den Konsumenten Abwechslung und die Möglichkeit, neue Bierstile zu entdecken, ohne dabei auf bekannte Marken oder Regionalität verzichten zu müssen.
HP: Wie sehen Sie die Zukunft des Biermarktes in Österreich generell?
MS: Der Biermarkt hat sich in den letzten Jahren sehr gut entwickelt: Der Konsum ist gleichbleibend hoch, das Angebot vielfältig und das Interesse der Konsumenten steigt sogar. Ich bin sicher, dass die Entwicklung auch in Zukunft positiv bleibt. Die Kategorien mit den größten Wachstumschancen sind alkoholreduzierte und alkoholfreie Biere und Biermischgetränke, die einen spürbaren Aufwind erfahren. Mit Getränkeneuheiten wie Zipfer Hops, Gösser Kracherl oder Heineken 0.0 reagieren wir auf diesen Trend. Aber auch beim Craft Bier Trend liegen wir mit unseren zahlreichen Bierspezialitäten wie den Gösser Brauschätzen, den Zipfer Meisterwerken oder den einzigartigen Bieren aus der Spezialitäten-Manufaktur Hofbräu Kaltenhausen voll im Trend.
Neben immer neuen Getränken sind auch Innovationen in der Schanktechnik gefragt. Das neue Theken-Zapfsystem „Blade“, das vor kurzem in Österreich eingeführt wurde, habe ich gemeinsam mit meinem internationalen Innovationsteam bei Heineken entwickelt und läuft nun auch in Österreich sehr gut an.
HP: Die Brau Union Österreich beherbergt derzeit alleine mehr als zehn verschiedene österreichische Biermarken. Ist diese Vielfalt unter einem Dach aus Ihrer Sicht auch künftig ein notwendiger USP oder könnte es hier zu einer Bereinigung kommen?
MS: Wir können auf 14 starke Marken und über 100 Bier- sowie 8 Cidersorten setzen, die die Brau Union Österreich sehr erfolgreich am Markt etabliert hat. Die Innovationsführerschaft der Brau Union Österreich basiert auf der Entwicklung immer neuer Getränkekategorien, die am Puls der Zeit liegen und Trends wie etwa alkoholfreie/-reduzierte Biere, Bierspezialitäten oder auch Cider aufgreifen. Diese Innovationsführerschaft wollen wir auch in Zukunft behalten und weiter ausbauen. Trotzdem ist eine laufende Überprüfung des Produktportfolios natürlich wichtig, um den Bedürfnissen und Anforderungen unserer Kunden und Konsumenten bestmöglich entgegenzukommen sowie Möglichkeiten für neue, innovative Produktentwicklungen zu finden.
HP: Können Sie jetzt schon Schwerpunkte verraten, auf die Sie bei der Positionierung der Brau Union Österreich künftig besonderen Wert legen werden, oder wo Sie vielleicht auch andere Wege als bisher einschlagen wollen?
MS: Meine Erfahrung von verschiedenen Biermärkten und meine langjährigen Tätigkeit in der Heineken-Familie ermöglichen mir einen anderen Blickwinkel. Ich kenne den österreichischen Biermarkt bereits sehr gut und werde meinen Fokus klar auf Strategie und Innovationen legen – nicht nur im Bereich Getränke oder Zapftechnik, sondern auch im Bereich der nachhaltigen Produktion und erneuerbaren Energie sowie in der Digitalisierung unserer Geschäftsprozesse.
Wichtig für uns ist, neue Zielgruppen zu erschließen. Gerade weibliche Biertrinkerinnen sind eine wachsende und sehr interessante Zielgruppe. Aber auch Nicht-Biertrinker werden wir vermehrt ansprechen, unter anderem mit Biermischgetränken und mit Cider. Immerhin ist Cider DER Aufsteiger am österreichischen Getränkemarkt. Von 2014 auf 2015 hat sich der Cidermarkt in Österreich mehr als verdoppelt, und auch 2016 wuchs die Kategorie noch einmal um fast 50 Prozent. Seit 2015 vertreiben wir die Cider-Marke Strongbow in Österreich und haben heuer mit Stibitzer einen Cider aus 100% österreichischen Äpfeln auf den Markt gebracht. Wir werden weiterhin auf Qualität setzen und noch mehr Fokus auf die großartigen Geschichten legen: z.b. von der Historie des Bierbrauens und den Rohstoffen und dem Brauprozess bis zu den Menschen, die Tag für Tag dafür arbeiten. Bier ist ein natürlich hergestelltes Produkt, vielfältig und reich an natürlichen Geschmacksaromen – unsere Kunden und Konsumenten sind sehr daran interessiert noch mehr darüber zu erfahren. (CK)