Wo bleibt die Wertschätzung?
Es ist ein Vorfall, der sprachlos und zugleich wütend macht. Deutschlandweit fragt man sich: „Bin ich im falschen Film?“ Es geht – mal wieder – um die Frage des notwendigen Respekts und Anstands. Was ist passiert? Vor ein paar Tagen stand eine junge Mutter mit ihrem Kind vor der Fleischtheke eines Edeka-Marktes im oberfränkischen Lichtenfels. Das Kind ist etwa im Grundschulalter und offensichtlich nicht sehr lernbereit. Daraufhin zeigt die Mutter mit dem Finger auf die Verkäuferin hinter der Theke und sagt: „Wenn Du weiterhin nichts für die Schule lernst, dann stehst Du auch mal dort hinten!“ Christian Werner, der Geschäftsführer des Edeka-Marktes, bekam das Ganze zum Glück direkt mit und wendete sich daraufhin mit einem emotionalen Facebook-Post an die Mutter.
„(…) Dem können wir nicht zustimmen! Wenn Ihr Kind weiterhin nichts lernt, dann steht es in der Schlange am Arbeitsamt! In unseren Filialen arbeiten nämlich nur gut ausgebildete Fachkräfte, mit Schulabschluss, und abgeschlossener Berufsausbildung.“ Gleichzeitig wies er die junge Frau darauf hin, dass ihr Kind in der Schule keinen Abschluss in Empathie und Menschlichkeit, Respekt und Wertschätzung erhält, Edeka das später aber gerne übernehmen würde, sollte die Sache mit dem Abschluss noch klappen. Denn jeder Mensch verdiene Respekt, auch wenn es manchmal schwerfiele. Diese Reaktion traf voll ins Schwarze. Innerhalb kürzester Zeit gab es dafür über 120.000 Likes und mehr als 10.000 Kommentare. Es ist also eine Thematik, die die Menschen bewegt und beschäftigt.
Kunden werden immer öfter ausfallend
Wie Christian Werner gegenüber dem Online-Nachrichtenportal inFranken.de. sagte, nehme es verstärkt zu, dass Kunden ausfallend würden. Und schon länger beobachtet er, wie Wertschätzung gegenüber seinen Mitarbeitenden verloren ginge. Selbst Kündigungen hätte es deswegen schon gegeben. Man kommt also nicht umhin sich zu fragen, wie sehr rücksichtsvolles Benehmen und moralische Werte in unserem täglichen zwischenmenschlichen Miteinander abhanden gekommen sind. Und warum denken manche, sie seien etwas Besseres aufgrund ihres Berufs?
Diese Problematik ist aber nicht nur im Einzelhandel festzustellen, sondern zieht sich durch die gesamte Dienstleistungsbranche, zu der ja auch das Gastgewerbe zählt. Was all diese Berufe eint, sind Kundenkontakt und Service. Logischerweise sind das in der Regel auch die maßgeblichen Kriterien für Mitarbeiter, sich auf entsprechende Stellen zu bewerben. Im Fall der Gastronomie und Hotellerie: Weil sie es lieben, Gastgeber zu sein. Weil sie gerne für das Wohl anderer sorgen, Wünsche erfüllen, verwöhnen und begeistern. Weil sie der Kontakt mit Menschen, die Arbeit im Team glücklich macht. Es ist nicht nur ein stupider Bürojob – um gleich mit den sinnfreien Klischees weiterzumachen –, sondern es ist harte, anspruchsvolle Arbeit auf Basis einer fundierten, komplexen Ausbildung mit teils langen Arbeitszeiten. Nichtsdestotrotz, vielleicht sogar gerade deshalb, steckt da ganz viel Herzblut, Mühe und Leidenschaft drin. Und das sind sehr ehrbare Motivationen, die Respekt verdienen.
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