„Ich wollte Österreich immer zum Land mit der besten Bierkultur Europas machen“
HP: Herr Liebl, Sie sind seit über 30 Jahren für die Brau Union – damals noch Brau AG – tätig. In Stichworten: Was sind oder waren in dieser Zeit die einschneidendsten Veränderungen am österreichischen Biermarkt? Die Einführung der 0,5-Promille-Grenze, das Aufkommen der Craftbierwelle, …?
ML: Der Biermarkt war noch nie so vielfältig wie jetzt. Vor 30 Jahren bestellte man einfach „ein Bier“. Heute entscheiden sich Biergenießer immer bewusster je nach Situation und Anlass für ein spezielles Bier oder eine bestimmte Sorte: Ein alkoholfreies Bier zum Mittagessen oder für die bewusste Pause untertags, ein erfrischender Radler nach dem Sport, ein alkoholreduziertes Bier zum Start in den Feierabend oder ein kräftiges Bockbier zu einem feierlichen Anlass. Und auch der Trend zur Regionalität – heimisches Bier aus österreichischen Rohstoffen und die Sicherung von österreichischen Arbeitsplätzen – ist heute viel stärker. All das war vor 30 Jahren noch weniger wichtig.
HP: Was macht den österreichischen Biermarkt bzw. das Konsumverhalten im internationalen Vergleich so speziell? Schließlich liegen wir weltweit im Pro-Kopf-Konsum an zweiter Stelle hinter Tschechien und inzwischen auch schon knapp vor unseren deutschen Nachbarn.
ML: Bier hat in Österreich eine besondere Bedeutung – als Getränk und als Wirtschaftsfaktor. 2016 haben die Österreicher 103 Liter Bier pro Kopf getrunken – rechnet man alkoholfreies Bier dazu, waren es sogar 106 Liter. Laut unserem aktuellen Bierkulturbericht, der gerade erschienen ist, sehen 92 % der Österreicher Bier als wichtig für die österreichische Getränkekultur. Mehr als die Hälfte genießt den goldenen Gerstensaft regelmäßig. Alle diese Zahlen belegen die besondere Beziehung der Österreicher zu ihrem Bier und den Stellenwert der österreichischen Bierkultur, die wir in der Brau Union Österreich konsequent fördern. Ich bin überzeugt, dass die Qualität der österreichischen Biere ganz hervorragend ist!
HP: Mit dem Hofbräu Kaltenhausen hat auch die Brau Union ein Standbein im Craftbiermarkt. Ist das ein Bereich, in dem man Geld verdient oder ist man in dieser Nische eher aus Imagegründen aktiv und um Erfahrung zu sammeln?
ML: Seit 2011 widmet sich unsere Spezialitäten-Manufaktur Hofbräu Kaltenhausen ganz der Bierkultur. Mit jahrhundertealtem Fachwissen und gleichzeitigem Sinn für Neues werden dort feine Bierspezialitäten abseits des Mainstreams gebraut. Die Mischung aus Tradition und Moderne macht unsere Spezialitäten-Manufaktur so einzigartig. Höchster Anspruch gilt der Qualität, nicht der Quantität. Gerade wurde beispielsweise die Edition Stille Nacht zum 200-Jahr-Jubiläum des Liedes präsentiert. Daneben bilden wir im Schulungszentrum vor Ort Biersommeliers aus.
HP: Internationale große Marken wie US-Budweiser, Carlsberg aber auch Heineken haben sich in Österreich immer schwer getan. Ist das eine Geschmacksfrage oder ist der Österreicher beim Bier so regional eingestellt?
ML: Die Österreicher sind definitiv sehr heimatverbundene Bierliebhaber: Laut Bierkulturbericht trinkt fast die Hälfte am liebsten österreichisches Bier, knapp ein Drittel sogar Bier aus der eigenen Region. Explizit bevorzugen nur sechs Prozent internationale Biere. Die Bedeutung der eigenen Region zeigt sich auch in den Kriterien für verantwortungsvolle Bierproduktion: Zu den wichtigsten Kriterien gehört für 91 % der Österreicher die Verwendung von regionalen Rohstoffen. Und diesen hohen Ansprüchen werden wir als Brau Union Österreich gerecht: Wo immer möglich, setzen wir auf Qualität aus Österreich.
HP: Nach vielen Jahren an der Spitze des größten heimischen Braukonzerns: Gibt es eine Entwicklung oder Entscheidung, auf die Sie besonders stolz sind bzw. eine, die Sie mit heutigem Wissen anders getroffen hätten?
ML: Ich freue mich sehr darüber, wie sich die Brau Union Österreich, aber auch der Biermarkt im Allgemeinen in den letzten Jahren entwickelt hat. Im Mittelpunkt meiner Bemühungen stand immer, Österreich zum Land mit der besten Bierkultur Europas zu machen. Ich denke, auch meine Begeisterung für das Bierbrauen hat zum Erfolg des Unternehmens beigetragen, worauf ich stolz bin. (CK)