Die Vielzahl an Verbänden, Initiativen und Fachgruppen kann freilich auch ein Hemmschuh für die Branche sein, die nicht als besonders homogen wahrgenommen wird: Pluralität und Vielseitigkeit der Interessenvertretungen wecken bei sieben von zehn Befragten (genauer bei 68 Prozent) ein Bild der Zersplitterung.
Die auch für die Gastronomie zuständigen tourismuspolitischen Sprecher der Bundestagsfraktionen, die von HOGAPAGE außerdem zur aktuellen Lage der Gastwelt und zu Lösungsansätzen befragt wurden, urteilen ähnlich: Hotellerie und Gastronomie seien, wie fast alle Teile der Tourismusbranche, sehr heterogen. Laut Lena Werner von der SPD ist das zum einen ein Vorteil, wenn es aber darum gehe, Interessen durchzusetzen, auch ein Nachteil. Das Ziel müsse daher sein, möglichst an einem Strang zu ziehen.
Wenn Interessen kollidieren
Stefan Schmidt, tourismuspolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, nimmt die Branche ebenfalls als sehr heterogen wahr und betont, dass das natürlich auch Breite und Vielfalt biete. Für mehr Durchsetzungskraft wäre es auch seiner Ansicht nach hilfreich, Interessen zu bündeln. Anja Karliczek von der Union drückt es so aus: „Mit einer Stimme zu sprechen, ist immer besser als ein vielsprachiger Chor.“ Sie geht allerdings davon aus, „dass die Branche ihre divergierenden Interessen nicht immer unter einen Hut bringt“, und verweist auf den Austritt der TUI beim größten deutschen Reiseverband DRV.
Nico Tippelt von den Liberalen sieht vor allem in der Denkfabrik Zukunft der Gastwelt einen guten Ansatz, die Stimmen zu bündeln und damit der Branche auch in der Politik mehr Gewicht zu verleihen. Das Lob aus dieser Ecke kommt nicht von ungefähr, schließlich ist DZG-Chef Dr. Marcel Klinge ein Ex-Kollege. Als früherer Abgeordneter und Tourismuspolitiker würde Klinge politische Erfahrungen und Netzwerke hervorragend in den Dienst der Hotel- und Gastronomiebranche stellen, so Tippelt. Der Dialog mit den unterschiedlichsten politischen Ebenen und Entscheidungsträgern, den die Denkfabrik forciere, mache die Verbände nicht überflüssig, sondern bereichere deren Arbeit.
Bitte mehr Engagement und Zusammenarbeit
Angesichts der Diskrepanz zwischen Wertschätzung und tatsächlicher politischer Unterstützung bleibt laut DZG-Chef Klinge die Frage, wie die Branche dieses Bedeutungsdelta überwinden könne – insbesondere mit Blick auf Herausforderungen wie Mitarbeitermangel, bröckelnde Standortattraktivität und steigende Kosten.
Kernbotschaft sei, dass die Branche kein Nice-to-have, sondern ein unverzichtbarer wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Stabilitätsanker ist, und dies müsse man gemeinsam stärker kommunizieren. Mit Blick auf die Bundestagswahl 2025 wünscht sich Klinge mehr Zusammenhalt bei den Gastro-Verbänden. Und er verweist auf die kürzlich von der DZG mit 44 Verbänden und Organisationen gestartete Kampagne #HerzUnsererGesellschaft (einfach im Internet nachlesen).
Und damit nicht genug: Wie Dr. Marcel Klinge HOGAPAGE mitteilt, wolle man Politik und Praxis näher zusammenbringen – z. B. im Rahmen von Dialogwochen. Mit Blick auf die Wahlen 2025 sei ein Ziel, unterstützt von möglichst vielen Verbänden drei bis vier konkrete Forderungen der Branche in den Blickpunkt zu stellen.
Laut Klinge muss man die gesellschaftliche Funktion und Verantwortung der Gastwelt deutlich machen, schließlich biete sie Treffpunkte, was in Zeiten, in denen die Einsamkeit stetig zunimmt, besonders wichtig sei. Schön wäre auch, wenn sich mehr Gastwirte und Hoteliers in der Politik oder zumindest in den Interessenvertretungen engagierten. „Das scheitert leider oft daran, dass die sehr gerne ihren eigenen Job machen“, so der DZG-Chef.