Digitalisierung
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#DIGITALISIERUNG

Digitalisierung – Angstgegner oder Freund und Helfer?

Das vom Fraunhofer IAO (Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation) initiierte Projekt »FutureHotel« geht mit Branchenvertretern seit Jahren der Frage nach der Zukunft der Hotellerie nach. Aktuell wurde eine Umfrage in Hotellerie und Gastronomie zum Thema »Arbeitswelt im Gastgewerbe«

durchgeführt. Die Studie macht deutlich, dass Mitarbeiter ein ambivalentes Verhältnis zur Digitalisierung haben. Und das überraschenderweise unabhängig von ihrem Alter.

»Die Digitalisierung stellt für viele Mitarbeiter einerseits ein Angstthema dar, weil es schnell zu einer Überforderung kommt«, fasst die Projektleiterin, Prof. Dr.-Ing. Vanessa Borkmann, zusammen. »Andererseits sind sie sehr daran interessiert, weil sie wissen, dass die Digitalisierung sie im beruflichen Alltag unterstützen kann.« Die Mitarbeiter erwarten kompetente Ansprechpartner für die Digitaltechnik, wollen nicht mit der Technik alleingelassen werden. Daher ist das wichtige Ergebnis der Studie: »Wir brauchen maßgeschneiderte Weiterbildungsmaßnahmen, ständige Fortbildungen und Unterstützung im Alltag für mehr Digitalkompetenz«, so die Professorin für Tourismus mit dem Schwerpunkt Hotelmanagement. Sie empfiehlt jedem Hotelier, sich mit dem Thema Digitalisierung auseinanderzusetzen. Hier sieht sie großen Handlungsbedarf. Ihr Fazit: »Ein moderner Chef muss Hilfe geben. Das ist ein Schlüssel zur Mitarbeiterbindung.«

Aus der Perspektive der Gäste verhält es sich ebenso. Sie haben Berührungsängste mit der Digitalisierung, hinterfragen, was passiert, wenn die Technik nicht mehr funktioniert – beispielsweise beim mobilen Check-in. Sie sorgen sich, dass sie dann mit den technischen Problemen alleinegelassen werden, weil keine Mitarbeiter mehr vor Ort sind. »Diese Angst kann man dem Gast nehmen: Wenn der Akku vom Handy leer ist, gibt es immer noch den Mitarbeiter, der ihm hilft«, sagt Vanessa Borkmann.

Aus technischer Sicht ist die Digitalisierung für Gast und Betreiber gleichermaßen ein Gewinn, ist Frank Gerhardt, CEO der auf Smart Hotel-Software spezialisierten VINN GmbH, überzeugt: »Wiederkehrende Tätigkeiten und Standardaufgaben, die nicht zum Kernbereich eines Hotel-Gastgebers gehören, werden zunehmend digitalisiert und automatisiert«, ist Gerhardt sicher. »Somit kann auch dem verschärften Mitarbeitermangel entgegengewirkt werden.«

 

Getränkeroboter
Foto: Robotise.eu

#ROBOTER, DROHNEN, AUTOMATISIERUNG

Wir sind die Roboter

In Asien sind Roboter als Servicekräfte bereits im Einsatz. Dadurch, dass sie im deutschsprachigen Raum noch so selten sind, stellen sie eine Attraktion dar. Stichwort: »instagrammable«. Das bestätigt Johannes Fuchs von der Firma Robotise, welche den Roboter Jeeves erschaffen hat: »Viele Hotelgäste machen Bilder von oder mit Jeeves und schicken diese an Freunde oder zeigen sie auf Social Media.«

Jeeves sieht nicht aus wie ein humanoider Roboter aus einem Science-Fiction-Film, eher wie eine Minibar auf Rädern. Und genau das ist seine Funktion. Der Zugriff auf eine Minibar sei schneller, gibt Fuchs zu. Aber Jeeves punktet mit einer größeren Auswahl an bestellbaren Inhalten. Das Feedback der Kunden sei eindeutig: Die Gäste nehmen gern fünf bis zehn Minuten Wartezeit in Kauf für die frischere und bessere Auswahl. Zudem gibt Jeeves Bescheid, wenn ein Objekt fehlt, damit er dem Gast stets alle Wünsche erfüllen kann. Er lernt auch dazu, welche Artikel mehr und welche weniger gefragt sind.

Auch im Delivery-Bereich sind Roboter und Drohnen vorstellbar. In Neuseeland liefern Drohnen bereits für Domino’s Pizza aus. 2017 und 2018 testete Domino’s Deutschland in einem Feldversuch in Hamburg Liefer­roboter. »Wir haben daraus eine Menge Erkenntnisse gewonnen und sind uns sicher, dass das die Zukunft sein wird«, sagt Julia Janssen von Domino’s Pizza Deutschland.

#INDIVIDUALISIERUNG

Der große Run auf die Extrawurst

Nischenmärkte sind Zukunftsmärkte. Diese Binsenweisheit gilt auch für die Gastronomie und Hotellerie. Denn immer mehr Gäste sind auf der Suche nach einzigartigen Erlebnissen, die genau zu ihnen passen. Vom Themenzimmer über das Bio-Hotel bis zum skurrilen Übernachtungsort. Beispielsweise dem Crane Hotel Faralda, wo man die Auswahl zwischen mehreren Luxussuiten nebst Whirlpool hat – auf einem Industriekran in Amsterdam.

Natürlich muss Individualität nicht um jeden Preis derart spektakulär sein. Es genügt, wenn man ein individuelles Angebot für seine Kernzielgruppe bietet, welche dieses Alleinstellungsmerkmal zu schätzen weiß. »Unsere Kunden sind eindeutig hungrig nach Auswahlmöglichkeiten und neuen Erfahrungen, und wir sehen, wie Unterkünfte immer mehr maßgeschneiderte Angebote bieten«, verrät uns Nadine Stachel, Regional Manager D-A-CH beim Online-Reiseanbieter booking.com.

Individualisierung
Foto: stephanelsler

Die Differenzierung kann auch geschlechts- oder altersspezifisch sein: Adults Only, Businessaufenthalt für Frauen oder der Kinder-Urlaub mit den Großeltern beispielsweise. »Die Themen Wellness und Beauty sind in der Gesellschaft zwar immer noch stark weiblich besetzt, doch bei Männern wächst das Interesse an einer entspannten Auszeit«, weiß Elisabeth Gürtler, Gastgeberin des Astoria Resort in Seefeld in Tirol. Bei der Neu-Konzeption des Wellnessbereichs hat sie für den aufkommenden Trend der Männer-Wellness spezielle Angebote geschaffen. »Die Behandlungen werden sehr gut gebucht, was uns darin bestärkt, diesen Bereich weiter auszubauen«, plaudert Gürtler aus dem Nähkästchen.


Das Astoria Resort bietet im gleichen Haus noch ein weiteres Alleinstellungsmerkmal, das einen großen Trend bedient: Urlaub mit Hund. Viele Hotels seien noch nicht auf Haustiere eingestellt, erklärt Elisabeth Gürtler. Die Zahl der haustierfreundlichen Unterkünfte steigt allerdings deutlich an. Eine Entwicklung, die Nadine Stachel von booking.com bestätigen kann: »Reisende stellen die Bedürfnisse ihrer geliebten Haustiere vor ihre eigenen, wenn es darum geht, auszuwählen, wohin sie reisen, wo sie übernachten und was sie unternehmen.« Eine Umfrage des Portals ergab: 44 Prozent wären bereit, mehr für eine Unterkunft zu zahlen, wenn sie haustierfreundlich ist.


Das Auge isst mit
Fotos: iStockphoto

Das Auge isst mit« heißt jetzt »instagrammable«

 

Trendforscherin Karin Tischer von food & more ist international gefragt. Auf der Internorga schaut sie alljährlich mit der Branchenuntersuchung FoodZoom und dem Trendforum Pink Cube in die Zukunft. Wir haben mit ihr über die heißesten Food-Entwicklungen von heute und morgen gesprochen.

 

 

Karin Tischer
Karin Tischer
Foto: food & more

Derzeit hört man ständig, Angebote im Gastgewerbe sollten »instagrammable« sein, also für Fotos in Social-Media-Kanälen wie Instagram geeignet. Kann man das wirklich so verallgemeinern oder gelten für ein Traditionshaus nicht andere Spielregeln als für eine junge Location?
Dass die Speisen attraktiv aussehen, ist in Zeiten der Digitalisierung ganz wichtig. Dem sollte sich kein Gastronom entziehen, nach dem Motto »Meine Zielgruppe interessiert das nicht so«. Beispiel: Eine ganze Familie geht in einem Brauhaus essen. Opa und Oma haben nicht die Idee, die Speisen zu fotografieren, aber der Enkel vielleicht schon. Insofern sollten sich auch die traditionellen Häuser so aufstellen. Im Marketing ist die Weiterempfehlung die beste Werbung – und »instagrammable« zu sein, ist eine smarte Form der Weiterempfehlung.

Aber bestimmte Zielgruppen sind mehr und andere weniger stark auf das Thema »instagrammable« fokussiert?
Natürlich. Gerade junge Leute teilen ihr Essen gern auf Social Media, fotografieren sich und das Essen. In der Tendenz betrifft das Senioren nicht so stark. Auch ist das in schickeren Restaurants weniger verbreitet als in Casual Locations. Es gibt zudem auch schon einzelne Sterneköche, die sagen: »Ich möchte das nicht. Die Gäste sollen sich auf ihre Sinne konzentrieren.« Aber das muss sich ein Haus erst mal leisten können.

In welchen anderen Food-Bereichen spielt die Digitalisierung derzeit eine tragende Rolle?
Nach der Industrialisierung 4.0 hat auch die revolutionäre Digitalisierung im Foodbereich eine rasante Entwicklung hingelegt. Ich spreche hier von »Foodservice 4.0«. Der Außer-Haus-Markt ist dadurch in all seinen Facetten stark verändert. Und das wird auch rasant weitergehen. Der Verbraucher war noch nie so selbstbezogen und bequemlich – nach dem Motto: Ich will alles, jetzt, an jedem Ort, individuell, convenient und immer mehr. Man kann oder will nicht mehr so viel selbst kochen. 

Muss man sich Sorgen machen, dass Restaurants dadurch irgendwann obsolet werden?
So weit wird es nicht kommen. Der Mensch ist gesellig. Und in der Gegenbewegung bieten Restaurants z.B. große Tische oder – für Singles & Co. – Chef’s-Table-Konzepte. Die Sorge, dass irgendwann keine Restaurants mehr da sind, ist also unbegründet. Im Gegenteil: Essen zu gehen, ist schon lange eine beliebte Freizeitbeschäftigung. Als Alternative dazu, seine Gäste zu Hause selbst zu bekochen.

Für die Restaurants ist das Thema Chance und Risiko zugleich: Weil man weiß, dass der Verbraucher mal ins Restaurant geht und sich ein andermal beliefern lässt. In der Tendenz ist das eher ein Zusatzgeschäft als eine Kannibalisierung, außerdem eine Chance für neue Konzepte, bei denen einige Gäste über den Delivery-Bereich erst testen, bevor sie dort essen gehen. Es bleibt dabei, abzuwarten, ob der Verbraucher tatsächlich noch bequemer wird.

 

 

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