Gerne, so schreibt Bau, hätte er einen jungen ausgebildeten Koch aus Hongkong mit besten Referenzen eingestellt. Der Antrag auf einen Aufenthaltstitel sei nach monatelangen Verhandlungen verweigert worden. Begründung: „Da wir kein China-Restaurant seien, bräuchten wir keinen chinesischen Koch.“ Auch der Versuch, eine Arbeitsgenehmigung für eine ausgebildete Patissière aus Singapur zu bekommen, wurde zweimal abgelehnt. Baus Resümee zum Stichwort Bürokratie-Irrsinn: „Der von Kanzler Olaf Scholz versprochene Bürokratieabbau hat sich offenbar noch nicht in jeder Amtsstube herumgesprochen.“
Noch ein Beispiel, diesmal aus der Fuldaer Zeitung: Sie berichtet über den Inhaber eines Feinschmecker-Lokals und dessen Bemühen um Mitarbeiter. Weil er hierzulande nicht fündig wurde, startete er 2022 seine Mission „Koch gesucht!“. Und fand in seiner Heimat Türkei zwei junge Talente mit fundierter Ausbildung, die bereits in 4- und 5-Sterne-Hotels Erfahrung gesammelt hatten. Trotz eines „beschleunigten Fachkräfteverfahrens“ war es auch nach eineinhalb Jahren nicht gelungen, alle bürokratischen Hürden zu überwinden.
Mehr Kräfte aus Nicht-EU-Ländern
Doch die Hoffnung stirbt zuletzt: Anfang März dieses Jahres traten neue Regelungen in Kraft, die speziell auch für die Gastronomie mehr Nicht-EU-Bürger auf den deutschen Arbeitsmarkt locken sollen.
Mit der Aufenthaltsmöglichkeit für Ausländer aufgrund berufspraktischer Erfahrung tritt ein Herzstück des Gesetzes zur Fachkräfteeinwanderung in Kraft, hieß es. Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) verkündete hierzu: „Fachkräfte mit Abschluss und Berufserfahrung können so ohne vorheriges Anerkennungsverfahren einreisen und in Deutschland arbeiten.“ Und Innenministerin Nancy Faeser sowie Arbeitsminister Hubertus Heil (beide SPD) sprachen von einem wichtigen Baustein, „um der Fachkräftelücke in Deutschland etwas entgegenzusetzen“.
Bereits vor Monaten hatte sich in der Rheinischen Post der Migrationsforscher Professor Herbert Brücker von der Berliner Humboldt-Universität dafür ausgesprochen, Menschen aus dem Ausland schneller in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Je eher das gelinge, umso höher sei die Akzeptanz Geflüchteter. „Gegen eine sofortige Arbeitserlaubnis für jeden Asylbewerber spricht aus unserer Sicht nichts. Je länger jemand nicht arbeitet, desto schwieriger fällt später die Integration in den Arbeitsmarkt. Und wer arbeitet, der belastet nicht die Sozialsysteme“, so Brücker.
Oito statt Oioo
Von der Theorie wieder zur Praxis:
Bürokratische Hürden belasten weiter. Die viel gepriesene Regel von 2015 getreu dem Motto „One in, one out“ (Oioo), mit der die Bundesregierung versucht, eine Zunahme der Bürokratiebelastungen zu bremsen, indem für jede neue Vorschrift eine alte gestrichen werden muss, wird von Betroffenen
belächelt. Deshalb hat auch der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (DEHOGA) dieses Thema dauerhaft im Blick: Er weiß aus einer Umfrage, dass „trotz aller Bemühungen und politischer Versprechen, Bürokratie abzubauen“, gastgewerbliche Betreiber mittlerweile mehr als 13 Stunden pro Woche mit Zettelwirtschaft verbringen. Es sei nicht die konkrete Einzelbelastung, die Unternehmern zu schaffen macht, sondern die Summe der bürokratischen Pflichten, die für Unmut sorgt. Der DEHOGA fordert deshalb unter anderem die Regelungsbereiche substanziell zu reduzieren und an die tatsächliche Arbeitswelt anzupassen. Ebenso notwendig seien ein Praxis-Check bei neuen Gesetzen, Wochen- anstelle von Tagesarbeitszeiten sowie eine Ausweitung des „One in, one out“-Prinzips hin zu einer „One in, two out“-Regel. Man könnte also auch fordern: Oito statt Oioo.
Gastronomen und Hoteliers wie Üres und Rüther sprechen sich für ein generelles Umdenken in der Politik aus – „weg von Staatsvorgaben, stattdessen mehr Eigenverantwortung“. Die Kultur der Selbständigkeit müsste insgesamt mehr Wertschätzung erfahren. Ziel der Politik sollte eigentlich sein, so sagt etwa Üres, „es Selbständigen möglichst einfach zu machen, so wie es in anderen Ländern der Fall ist. In Deutschland hingegen fallen immer mehr dieser Kleinunternehmer weg.“ Denn neben der großen Bürokratie stünden sie vor allem auch vor der Herausforderung, mit der vorhandenen Kostenstruktur wirtschaftlich zu arbeiten. Schließlich, so zeigt es die DIHK-Studie, koste die Bürokratie im Gastgewerbe den Unternehmen zwischen 1,2 und 6 Prozent des Umsatzes.
Positive, fördernde Menschen
Als eine Minimalmaßnahme fordert unterdessen Rüther, auch mittelständische Individualgastronomen zusätzlich zu den Großverbänden in die Beratung neuer Gesetzesvorhaben oder Vorschriften mit einzubeziehen.
Auf die Frage, was er Gastro-Kollegen rate, um Bürokratieprobleme zu bewältigen, empfiehlt er, sich in der Branche auszutauschen sowie Rat und Informationen einzuholen. Auf keinen Fall dürfe man die Regeln einfach ignorieren oder verdrängen, „da sich das rächen könnte.“ Und Üres sagt hierzu: Man müsse den Aufwand von Anfang an entsprechend einplanen und hierfür konkret eine Stelle, mindestens eine Teilzeitstelle, schaffen.
„Als Gastronom gilt dein Hauptaugenmerk ja erst einmal dem Gast, und damit haben viele schon eine 60- bis 70- Stunden-Woche, ganz ohne Bürokratie.“ Nicht zuletzt ist es Patrick Rüther wichtig, hervorzuheben, dass es bei allem Ärger in Verwaltungen und Behörden auch „positive, fördernde Menschen“ gibt, die lösungsorientiert sind und helfen, soweit es möglich ist. „Ideal wäre es, wenn diese von der Ausnahme zur Regel würden.“