Nie auf dem aktuellen Stand
Auf keinen Fall habe sich die Lage verbessert. „Ich habe sogar das Gefühl, dass es nach Covid noch deutlich bürokratischer geworden ist“, meint Üres. Dem stimmt Patrick Rüther als geschäftsführender Gesellschafter der Hamburger Tellerrand Consulting zu, dessen Team (120 Mitarbeiter) zurzeit neben der Beratungsgesellschaft drei Gastronomieunternehmen betreibt – zwei am Frankfurter Flughafen (Hausmanns/Pezzo di Pane) und eines in Hamburg (Überquell).
Rüther beklagt unter anderem „die sich teils schnell wandelnden Bedingungen“. Paradebeispiel sei das Auslaufen der Mehrwertsteuer-Reduzierung. Und weil diese lange unklar war, musste man dann in kürzester Zeit reagieren, also neu kalkulieren, vieles umstellen bis hin zu neuen Speisekarten. „Wenn da stetig steigende bürokratische Anforderungen von der Lebensmittel-Dokumentierung (Stichwort: HACCP) über Elektro-Kleinteileprüfungen und die Datenschutz-Grundverordnung bis hin zum Whistleblower-Gesetz hinzukommen, ist das schlicht nicht zu leisten ohne Zentrale mit mehreren verwaltenden Menschen.“ Das freilich haben nur die wenigsten Gastronomiebetriebe, weshalb vielen von ihnen droht, nie auf dem aktuellen Stand zu sein.
Kemal Üres sagt dazu: „Es ist immer das Gleiche. Irgendein Politiker hat eine Idee, die im Bundestag durchgeboxt wird. Aber über die Umsetzbarkeit wird nicht nachgedacht.“ Apropos: Gastronom Leo Dietz sagt als Politiker, im bayerischen Landtag stehe das Thema Entbürokratisierung an zweiter Stelle nach dem Klimaschutz. Oft könne man aber nur appellieren, da die meisten Gastro-Gesetze vom Bund oder aus der EU kommen. Er selbst nennt sich „Bürokratie-Hasser“ und verweist auf einige Verbesserungen auf kommunaler Ebene.
So sei man in Augsburg bemüht, bei der Außengastronomie jeweils die Vorjahresregeln weiterzuführen, solange die Lokalbetreiber bezüglich ihrer Freiflächen keine Änderungen wünschen.
Für eine Wochenarbeitszeit
Grundsätzlich kämpfe er für pragmatische Vorgaben, die man problemlos umsetzen kann. Beispielsweise auch, was die Arbeitszeiten angeht – „ein Riesenproblem“ (Dietz). Eine Begrenzung auf zehn Arbeitsstunden pro Tag gehe gerade an den Wochenenden an der Realität vorbei, weshalb manche Lokale zwei Schichten fahren müssten. Ein Landgasthof, der etwa eine Hochzeit ausrichten soll, stößt hier an Grenzen, nennt Dietz ein Beispiel. Eine Wochenarbeitszeit wäre hier eine sinnvolle Lösung, die im Übrigen auch vom Gros der Beschäftigten befürwortet werde.
Kein Koch aus China
Zum Kopfschütteln sind immer wieder Medienberichte über Probleme beim Versuch, ausländische Fachkräfte anzustellen – obwohl der Personalmangel zu den größten Sorgen der Branche zählt. Solche Fälle beklagte etwa Sternekoch Christian Bau vom Victor’s Fine Dining im saarländischen Perl-Nennig in einer Kolumne der Welt online: Die deutsche Bürokratie erschwere es auf „irrwitzige Art und Weise“, Ausländer in seiner 3-Sterne-Küche zu beschäftigen, in der die Brigade längst international besetzt ist.