Riechen, schmecken und genießen –  ein Rundgang durch den Kräuter- und Heilpflanzengarten ist jederzeit erlaubt.
Riechen, schmecken und genießen – ein Rundgang durch den Kräuter- und Heilpflanzengarten ist jederzeit erlaubt. Foto: Hotel Kranzbach GmbH / A. Kompatscher

G7-Gipfel zweimal zu Gast

Zur Kranzbach-Philosophie gehört auch eine gewisse Zurückhaltung, vom Sprücheklopfen hält man hier nichts. Das Refugium will weder den Massentourismus noch Tagungen oder Seminare – außer, es kommen die Großen der Weltpolitik. Als 2015 und 2022 die G7-Gipfel – erst mit Merkel, Obama und Putin, dann mit Scholz und Biden – hier stattfanden, waren das nahe Schloss Elmau und das Kranzbach für einen Monat belegt.

Selbst für Hochzeiten ist das Kranzbach nicht buchbar. Es gilt: nur Hausgäste im Restaurant, keine Day-Spa-Besucher, keine Buchungen über Plattformen und große Reiseveranstalter. Und nicht zuletzt: keine Kinder unter 12 Jahren. Gästen mit kleineren Kindern empfiehlt man hier gerne befreundete Familienhotels. 

Erlaubt sind hingegen Hunde – für ihre Halter stehen entsprechend ausgestattete Zimmer mit Zugang ins Freie und speziellen Waschplätzen bereit. Liegewiesen, Bäder und bestimmte Restaurantbereiche sind für die Vierbeiner tabu, das herrliche Umfeld des Hotelplateaus mit teils naturgeschützten, ungedüngten und nur einmal im Jahr gemähten Blumenwiesen, Wanderwegen und (im Winter) Langlaufloipen bietet aber genug Freiheit zum Aus­toben. Die klare Bergluft beginnt ja direkt vor der Tür.

Ein besonderes Highlight des Hauses ist das Spielezimmer, wo rund 85 Spiele – darunter auch das aktuelle „Spiel des Jahres“ – zum Zusammensein verlocken.
Ein besonderes Highlight des Hauses ist das Spielezimmer, wo rund 85 Spiele – darunter auch das aktuelle „Spiel des Jahres“ – zum Zusammensein verlocken. Foto: Hotel Kranzbach GmbH / A. Kompatscher

Das englische Schloss

Der Kini ist schuld: Um 1870 ließ König Ludwig II. eine Zufahrt ins Elmau-Tal anlegen, um leichter sein jüngst erbautes königliches „Schachenhaus“ auf 1.866 Metern Höhe zu erreichen. Dieses ist übrigens, obwohl weit weniger bekannt als Schloss Neuschwanstein und andere von Ludwigs Prachtbauten, einen Blick wert – mit einem funkelnden Türkischen Saal wie aus „Tausendundeine Nacht“ und auch sonst überaus edel ausgestattet.

Über 40 Jahre später, anno 1913, war „The Honourable“ Mary Isabel Portman aus London in ihrer Pferdekutsche unterwegs auf der Suche nach dem Königshaus am Schachen, als sie an den Kranzbach-Wiesen vorbeikam. Das herrliche Fleckchen Erde, umrahmt von Wetterstein, Karwendel und Zugspitze, faszinierte die damals 36-jährige, selbstbewusste und für eins­tige Verhältnisse recht unabhängige Frau so sehr, dass sie es kaufte.

Dort sollte ihr ganz persönliches Hideaway entstehen – vielleicht auch, um ihre Freude an der Klangwelt auszuleben. Mary, zehntes Kind von 2nd Viscount William Henry Berkely Portman, hatte nämlich in Leipzig Musik stu­diert. Sie war eine äußerst talentierte Geigerin und sogar in Besitz einer Guarneri del Gesù – ähnlich berühmt wie eine Stradivari.

An der Portman Bar werden Cocktails in einem Ambiente gereicht, das englischen Landhausstil und Modernes vereint.
An der Portman Bar werden Cocktails in einem Ambiente gereicht, das englischen Landhausstil und Modernes vereint. Foto: Hotel Kranzbach GmbH / A. Kompatscher

Einmaliges Bauwerk

Das Mary Portman House, von den Einheimischen schlicht „Englisches Schloss“ genannt, wurde von den britischen Architekten Detmar Blow und Fernand Billerey im Stil der englischen Arts-and-Crafts-Bewegung mit Backsteinfassade gestaltet. Bis heute ist es das einzige Bauwerk dieser Art in ganz Deutschland. 

Mary Portmans Träume, die etwa von geselligen Musikabenden im eigenen Konzertsaal handelten, machte der ­Erste Weltkrieg zunichte. Die englische Adlige musste Deutschland verlassen und hat ihr in den Kriegsjahren fertiggestelltes Schloss vermutlich nie gesehen. 1931 starb die Namensgeberin, die auch als Automobilistin bekannt war, mit nur 53 Jahren in Montreux in der Schweiz. Das Kranzbach ehrt sie, indem es den Namen für das Haupthaus des heutigen Top-Hotels beibehält.

Bis es 2003 aus dem Dornröschenschlaf erweckt und zum Wellnesshotel umgewandelt wurde, diente das imposante Schloss unter anderem als ­Ferienort für Kinderlandverschickung und als Erholungshotel für US-Offiziere – immer auch verbunden mit ­Besitzerwechseln: Der erste Käufer war 1931 ein gewisser Major Charles Sydney Goldman, dem Kontakte zum englischen Geheimdienst nachgesagt wurden. Er erwarb das Schloss für 60.000 Reichsmark.

Nachdem dort ein Brand gewütet hatte, ging das Anwesen 1933 an die Evangelische Kirche Dortmund. Im Zweiten Weltkrieg wurde es von der Wehrmacht beschlagnahmt und war erst 
ab 1947 wieder im Besitz der Kirche, die es ab 1995 an eine örtliche Hotel­gesellschaft verpachtete. Nach deren Konkurs verkaufte die Evangeli­sche Kirche das Anwesen Ende 2003 an eine Privatstiftung aus Innsbruck.

Die Betreiber bleiben im Hintergrund

Es folgten aufwendige Reno­vierungsarbeiten und Vergröße­rungen, bis dann im Mai 2007 das heutige Luxus-­Refugium als „spezialisiertes Wellness- und Wohlfühlhotel“ eröffnet wurde. Dessen Betreiber, die sich generell gerne im Hintergrund halten, sind Gunda und Werner Unterweger, die auch das renommierte Fünf-Sterne-Spa-Hotel „Der Steirerhof“ in Bad Waltersdorf in der österreichischen Steiermark betreiben, und David Edinger, der Sohn des 2023 verstorbenen Hotelchefs und „Kranzbach-Erschaffers“ Dr. Jakob Edinger.

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