Im Gespräch mit Marie-Anne Wild, Eigentümerin und Geschäftsführerin vom Restaurant Tim Raue, Berlin
Sie war fast so lange Frau Raue wie sie Frau Wild ist. Zusammen mit ihrem Ex-Mann Tim betreibt Marie-Anne Wild das nach ihm benannte Restaurant in Berlin, das aktuell auf Platz 37 der World’s 50 Best Restaurants steht.
Wie sehen Sie nach diesem Durcheinander in 2021 die Prognosen für das nächste Jahr?
Generell sehr gut, Geselligkeit und Genuss haben gerade in Deutschland einen anderen, viel höheren, Stellenwert gewonnen. Das ist eigentlich eine sehr positive Entwicklung für die Gastronomie. Die negative Entwicklung ist die starke Abwanderung; das wird sich leider fortsetzen, bis sich die Situation stabilisieren wird.
Wie wichtig waren Stammgäste?
Sehr wichtig, auch mit dem Lieferdienst Fuh Kin Great für Berlin ... das war einfach gut für die Seele, weiterhin Gäste glücklich zu machen.
»Geselligkeit und Genuss haben einen viel höheren Stellenwert gewonnen«
Wie war die Flexibilität bei den Zulieferern?
Das war teilweise wirklich eine Herausforderung. Eigentlich selbstverständliche Arbeitsmaterialien waren auf einmal drei bis vier Mal so teuer und nur auf Zuteilung bestellbar ... bei Fisch und bestimmten Gemüsen funktionierten die Lieferketten plötzlich nicht mehr.
Hat sich bei der längerfristigen Planung etwas verändert?
Im Mai 2020 hatten in Berlin vermutlich alle Gastronomen kaum noch eine Nachfrage, der Markt war einfach übersättigt vom riesigen Angebot der Lieferdienste und Abhol-Optionen. Im zweiten Lockdown habe ich Tim vorgeschlagen, unseren Lieferdienst deutschlandweit anzubieten, um den Mitarbeitern weiterhin 100 Prozent Gehalt zu zahlen. Ich habe ihn vorgewarnt, dass das aufwendig wird. Er sagte nur: »Okay, dann machen wir das.« Das war ein großer Sprung, denn mit dieser Logistik kannten wir uns überhaupt nicht aus. Aber alle Mitarbeiter haben mitgemacht. Wir konnten unser Wissen und unsere Fertigkeiten dabei sehr erweitern.
Was erwarten Ihre Gäste nun?
Wir haben in den vergangenen Wochen einmal alles auf den Prüfstand gestellt und gemerkt, dass wir an der einen oder anderen Stelle nachjustieren wollen, um noch besser und vor allen Dingen weiterhin am Puls der Zeit zu sein. Daher haben wir zum einen unsere beliebten Signature Dishes (Pekingente und Wasabi-Kaisergrant) überarbeitet und auch unseren Apéros ein kleines Facelift verpasst – gemeinsam mit ASA Selection haben wir eine neue Präsentation entwickelt. Darüber hinaus beziehen wir inzwischen
99 Prozent aller Zutaten aus Europa und nicht mehr aus Asien. Wir haben also viele neue Lieferwege erschlossen. Und auch beim Personal hat sich einiges getan: trotz Veränderungen ist hier Beständigkeit zu erkennen. Die Position des Restaurantleiters und Sommeliers hat Raphael Reichardt übernommen, der bereits seit acht Jahren bei uns tätig ist. Küchenchef bleibt weiterhin Philipp Bendel, der diese Position seit 2019 innehält.
Was sind die Trends für 2022?
Alkoholfreie Getränkebegleitungen mit selbst angesetzten Kombuchas.