Ahoi! Bread Ahead ...
Das neue Geschäft mit Backwaren & Co.
von Gabriele GugetzerSchon klar, nicht immer behalten Zukunftsforscher Recht. Aber bei ihrer Einschätzung, dass echte Bäcker und leckere Backwaren zum Mitnehmen auch nach Corona boomen werden, lagen sie goldrichtig (s. a. »Kein Lesen im Kaffeesatz«, 2/2021). Wieso ist das so und wie kann die Gastronomie davon profitieren? Wir haben sieben Trends ausgemacht, die die immer fixer arbeitende Convenience teilweise auch schon auf dem Zettel hat.
#1 Eine Bäckerei hat Restaurant-Potenzial
Das kleine Brot-Imperium Bread Ahead war bislang in Londons hochpreisigen Trend-Ecken zwischen Hampstead Heath, Chelsea, Soho und Borough Market angesiedelt. In den Cafés, deren Optik eine gekonnte Mischung aus superzeitgemäß und gemütlich bietet, gibt es sehr, sehr gutes Backwerk auf die Faust. Die aktuelle Neueröffnung in Wembley ist ein Sprung nach vorn, denn statt eines weiteren Cafés wurde ein mehrstöckiges Tagesrestaurant eröffnet. Backwaren, die vor Ort mit langer Teigführung hergestellt werden, werden im Angebot an die Tageszeit angepasst, von Muffins, Sandwiches, Sauerteig bis zu Brioche, selbstverständlich in ordentlichen Öfen und nicht im Schnellpüster gebacken.
Zum Brunch bubbelt dann schon Veuve Clicquot im Glas, beispielsweise zum Käse-Speck-Rindfleisch-Burger. Das Burgerbrötchen ist inhouse gebacken, der Preis (11 Euro) für Londoner Verhältnisse ein echter Schnapper. Auch die Lage der Location ist interessant: Hier kommen Besucher des Wembley-Stadions vorbei. Das Konzept der drei Gründer ist perfekt durchdacht, denn es bietet eine Bandbreite, die den Fußballfan wie den Lifestyle-Esser anspricht. Was Fixes auf die Faust, was Sättigendes, was Veganes, was Elegantes.
Fazit:
Ein sattes Umsatzplus (5 Prozent) notierte die deutsche Gesellschaft für Konsumforschung für Brot und Backwaren auch hierzulande im vergangenen Jahr. Hier schlummert viel Potenzial.
#2 Brot ist Heimat
Auf der einen Seite Menschen, die für eine handgeschmierte Schnittlauchstulle richtig viel Geld auf den Tresen hinlegen, auf der anderen Seite Tankstellen, die dürr belegte Aufbacksemmeln verschleudern. Is(s)t Deutschland wirklich so extrem, spiegelt das noch die Realität wider? Nein, sagt Klaus Borchers, Bäckermeister im gleichnamigen Traditionsbetrieb. Der Hannoveraner erlebt gerade »eine sehr erfreuliche Verjüngung in etlichen Betrieben«, kennt allein in seiner Stadt einige Neugründungen, was jahrzehntelang nicht der Fall war, und geht davon aus, dass sich das auch auf die Ausbildungsplatzsituation auswirken wird.
Corona als Chance? Er bejaht: »Es hat ein Umdenken beim Verbraucher eingesetzt. Lebensmittel werden wieder höher geschätzt, Regionalität ist ein wichtiger Faktor und die Erkenntnis, dass es nicht immer nur billig geht, setzt sich zunehmend durch.« Die jungen Wilden der Bäckerzunft, telegen mit Tattoos auf dem Arm und Sauerteigansatz in der Tasche, empfindet er dabei als große Hilfe. Denn sie bringen Old-School-Produkte – in seinen sechs Filialen sind belegte Brötchen der Renner – in die Jetztzeit.
Für jeden Instagram-Trend gibt’s eben auch einen Gegentrend, dieser heißt Beständigkeit. Was wäre beispielsweise mit bunt gefärbten Broten zwischen Matchagrün und Safrangelb, mit alten Getreidesorten ... sind das Umsatzbringer? Borchers beschäftigt in seinem mittelständischen Betrieb 50 Mitarbeiter, gebacken wie geschmiert wird von Hand nach überlieferten Rezepten. Er weiß eindeutig, wie’s geht. Seine klare Kante: »Nach ca. 20.000 Jahren muss Brot nicht neu erfunden, aber weiterentwickelt werden. Wir sollten nur darauf achten, nicht jedem Trend nachzulaufen und gleich jedes Trendfood zu verbacken, auch unter dem Gesichtspunkt der Regionalität.«
Fazit:
»Brot braucht Heimat«, sagt Klaus Borchers. Mit Tradition, Qualität und regionaler Verortung können mittelständische Bäckereien großstädtischen Lifestyle-Zwängen und dem Billigmarkt trotzen.
#3 Hochwertige
Zutaten sichtbar machen Mal schnell ein Brötchen zwischen die Kiemen schieben, nein, so stellt man sich Genuss bei Aryzta nicht vor. Sie haben sich das allgegenwärtige Walnussbrötchen vorgeknöpft und neu gedacht. Der Von-Hand-Look wird durch Reismehl auf der Kruste erzeugt, das Brötchen selbst enthält ausreichend Walnussstücke, sodass sich knackig als
Genussbeschreibung anbietet. Interessanterweise glaubt man im Hause an das Potenzial eines solchen Brötchens jenseits von schick geschmierter Semmel. Stattdessen wird es als wertige Beilage anstatt billiger Dreingabe zur Suppe vorgeschlagen. Eine Suppe wiederum ist eine völlig machbare und unaufwendige Erweiterung des Sortiments. Es muss keinesfalls eine Suppenkarte sein, aber eine schlichte Suppe der Woche ließe sich mit einer leckeren und wertig aussehenden Semmel hochjazzen und entsprechend einpreisen. Auch beim Croissant sind die Aryztas mal aktiv geworden. So lecker es ist, den jungen Leuten ist es einfach nicht gesund genug. Ihr Croissant wird mit Dinkelmehl gebacken, hat als Dreingabe karamellisierte (!) Quinoakörner, ist vegan und wird ohne Farbstoffe hergestellt. Mit anderen Worten: Sämtliche Voraussetzungen für gesundheits- und umweltbewussten Genuss wurden erfüllt.
Fazit:
Gutes Backwerk als Beilage zur Suppe oder zum Salat ist unaufwendiges Takeaway-Business.
Tipp: »Baking School« (Penguin Fig Tree Verlag, auf Englisch) von Bread Ahead ist ein absolut profitaugliches Backbuch. Es ist unterteilt in Länderküchen und zeigt mit vielen Steps das Führen und Formen von Gebäck, Baguette & Co.
#4 Omas Gemüse liegt im Trend
Edna hat den Kürbis wiederentdeckt. Bei ihnen heißt er natürlich Pumpkin, wir sprechen ja international. Aber die guten Eigenschaften der Wuchtbrumme aus alten Zeiten wurden erhalten. Kürbis, klar, macht Backwaren saftig, färbt sie natürlich ein, gibt ein schönes Mouthfeel und überträgt ein leichtes Nussaroma, ohne die damit verbundenen zusätzlichen Kalorien. Als bereits vorgeschnittener, großzügig portionierter Burgerbun hat er den zusätzlichen Pluspunkt, zuckerfrei zu sein. Dank des Eigengeschmacks lässt er sich auch vegan zubereiten und ist überdies als saisonale Variante für den frühen Herbst gut zu verkaufen.
Beim Sandwich denken die Ednas ähnlich: In ihre vorgebackenen Schnitten ist Kürbis eingebacken, die Kruste ist mit Kürbiskernen bestreut. Nüsse lassen sich gut als Bulletpoint »Vital« auszeichnen, überdies passt das Sandwichbrot in seiner relativen Reichhaltigkeit gut zu einem Salat, wie ihn Bäcker zunehmend als Takeaway anbieten. Die Kombination sieht nicht nur schick aus, sondern macht auch satt.
Fazit:
Mit fast vergessenem Gemüse Ältere, aber auch Jüngere locken.
#5 Brotbackkurse als Kundenbindung
Dass viele im letzten Jahr ihre Liebe zum Brotbacken entdeckten, wurde in der Backbranche mit Sorge gesehen. Wer kauft denn dann bei uns? war die Standardfrage. Im Nachhinein hätte man sich diese Sorgen nicht machen müssen. Denn es stellte sich heraus, dass kaum jemand Selbstversorger in Sachen Brot wird. Es ist zu aufwendig, nix fürs tägliche Schulbrot, eher was fürs Wochenende und zum Angeben. Und so einfach ist es halt auch nicht.
Aber diese kurzzeitige Hinwendung zum Selbermachen ließ ein Bewusstsein für Qualität wachsen. Nicht ganz unähnlich den Cocktail-Kursen, die online zu Coronazeiten boomten. Natürlich kehren die Gäste in die Bars zurück und lassen sich Cocktails mixen, genauso, wie sie zum guten Bäcker zurückkehren oder sogar die Gründung neuer Bäcker – ohne Takeaway-Angebot im Übrigen gar nicht mehr denkbar – begünstigen.
Die eingangs erwähnte Gruppe Bread Ahead hat längst eine eigene Backschule, wo sich in Halbtageskursen bis zum Weihnachts-Workshop vieles lernen lässt.
Fazit:
Das Vermitteln von hauseigenem, oft über Generationen weitergereichtem Wissen erzeugt Kundenbindung und signalisiert die gerade so trendige Transparenz.
Takeaways – aber bitte mit Blick auf
die Umwelt. Eco Up Packaging ist Hersteller von nachhaltigen Verpackungen für die Gastronomie. Mehr Infos unter:
www.biologischverpacken.de
#6 Ein gutes Bauchgefühl erzeugen
Takeaway-Backwaren sollen eines nicht vermitteln, nämlich ungesund zu sein. Resch & Frisch, Familienbetrieb mit 350 Landwirten als Zulieferer, hat sich des Themas besonders angenommen. »Wir setzen bei Brot und Backwaren auf Nachhaltigkeit, Vitalität und besondere Ernährungsbedürfnisse«, erklärt Pressesprecherin Stefanie Eller. Superfoods sind bei ihnen angesagt, ebenso laktose- und glutenfreie Produkte. Wie die Aryztas haben auch sie Quinoa auf dem Zettel, setzen überdies aber auch auf heimische Gesundbrunnen – Vollkornmehl, Leinsamen und Hülsenfrüchte. Für die Gastronomie, sagt Eller, seien die glutenfreien Backwaren einzeln verpackt: »Das sorgt für noch mehr Sicherheit beim Gast.«
Auch bei ihnen darf der handgemachte Look nicht fehlen; Krustenbrote im Miniformat sehen im Takeaway-Bereich aus wie von Mutti geschmiert.
Fazit:
Das Thema Glutenfrei scheint in der Mitte der Gesellschaft angekommen zu sein.
#7 Smörrebröd – Zeit für einen neuen Trend!
Ein Blick auf Brian Bojsen und man denkt, dass einst wohl die Wikinger so ausgesehen haben. Tatsächlich ist der gebürtige Däne Koch (coronabedingt musste er sein Restaurant im Hamburger Stadtteil Pöseldorf schließen), Juror bei der »Küchenschlacht« und Foodfotograf. Für uns hat er sich einem richtig schön altmodischen Thema gewidmet, dem Smörrebröd. Das hätte das Zeug zum Trend. Es ist traditionell, kreativ in der Verwertung von Resten, kombiniert Süßes und Herzhaftes auf ungewohnte Weise und hat einen ansprechenden Look. Verarbeitet wird ausschließlich gesundes, herzhaftes Brot – Brians Dänentipp dazu wäre salzige Butter und viel davon.