Außengastronomie in Riga
Foto: Latvia Travel

Unfassbare Schickimicki-Dichte

Schöne Frauen in Designerkleidchen, mit glitzerndem Schmuck und einem Gläschen Champagner in der Hand? Das werden Sie in einigen Rigaer Stra­ßen ungefähr so oft sehen wie Pa­pierkörbe, Ampeln oder Parkbänke, zumindest im Sommer. Ebenso Anzugträger, Protz-Sportwagen und rosafarbene Stretch-Limos. Die extrovertierte (neu-)reiche russische Community prägt das Stadtbild ebenso wie der Jugendstil. Es gibt dutzende extrem überteuerte Lokale, in denen eine laute, aufdringliche Dekadenz Purzelbäume schlägt. In einer dieser Bars ist das güns­tigste Glas Weißwein für 14 Euro zu haben. Der Wein ist aber lauwarm und schmeckt schlicht ungenießbar, wurde offenbar zur Vertreibung des Gastes ausgeschenkt. Die Einheimischen meiden diese Läden strikt. Kommt man mit ihnen ins Gespräch, ist es nur eine Frage der Zeit, bis man auf das Thema Russland kommt und auf eine drohende Kriegsgefahr. Dann sinken die Mundwinkel schlagartig nach unten. Die Letten spüren die Bedrohung, dass sich der Krieg von der Ukraine ins Baltikum ausweiten könnte. Große Angst.

Tanz und Singfestival
Alle fünf Jahre findet in Riga das nationale Sing- und Tanzfestival „Dziesmu svētki“ statt – und das bereits seit über 150 Jahren. Foto: Inga/stock.adobe.com, victorgrow/stock.adobe.com)

Auf dem„Dziesmu svētki“ singt und tanzt die ganze Stadt

Wir erleben im Juli das ganz große Glück, das Musikfestival „Dziesmu svetki“ miterleben zu dürfen, das alle fünf Jahre in Riga zelebriert wird, auf eine lange Tradition zurückblickt und die ganze Stadt in eine musikalische Traumwelt voller Fröhlichkeit und Leichtigkeit verwandelt. Ganz Riga trägt eine Tracht in skandinavischem Stil – in seiner Traditionswucht erinnert das Festival an das Münchner Oktoberfest, nur ohne Lederhosen. Chöre, Folklore, Lieder, Kostüme – Riga tanzt. 

Dieses Festival ist ein Symbol für den nationalen Stolz und die Identität des Landes, insbesondere während der Zeit der sowjetischen Besatzung, als das Liederfest erst recht zelebriert wurde, um trotz Diktatur die lettische Kultur hochzuhalten. Schade, dass es erst wieder 2028 stattfindet. Aber so ist es nun mal mit großartigen Ereignissen: Willst du gelten, mach dich selten.

Nationalmuseum
Das 1869 gegründete National­museum birgt die größte Sammlung lettischer kulturhistorischer Werke mit mehr als einer Million Exponaten. Foto: Latvia Travel

Alle fünf Jahre steht Riga Kopf

Es ist kurz vor Mitternacht, als ein Wirt Stühle von draußen nach drinnen einsammelt, kurz vor seinem vermeintlichen Feierabend. Plötzlich stürmt eine Horde ins Souterrain des Lokals, alle tragen die gleiche Tracht und gehören einer Chorgemeinschaft an. Sie überreden den Wirt mit geballter Charmeoffensive, noch nicht zu schließen, denn sie würden so gerne noch feiern.

VON FISCH VERSTEHEN DIE LETTEN WIRKLICH VIEL. DIE GANZE BAND­BREITE AN FRISCHEN FLOSSEN FINDET MAN IN RIGAS ZENTRALMARKT.

Verständlich, dass er einwilligt, für seine weise und unabdingbare Ent­scheidung einige Küsschen erntet, die Tür von innen abschließt und die Musik aufdrehen lässt. Gegen diese Invasion hätte er eh keine Chance gehabt. Jetzt lassen es alle gemeinsam krachen, die beschwingte Trachtentruppe ebenso wie die komplette Belegschaft des Lokals nach einem außergewöhnlich anstrengenden Einsatz. 

So kommt plötzlich auch der Koch samt seiner Mütze aus dem Nichts hervor, singt und tanzt. Der Wirt spendiert allen Anwesenden einen Kurzen nach dem anderen, selbstverständlich gehen die aufs Haus. Das lettische Liederfest wird nun auf 30 Quadratmetern mit Indoor-Tanz- und Gesangseinlagen fortgeführt. Spontane Partys sind immer noch die besten. Alles ist gratis und dennoch unbezahlbar.

Nationalbibliothek
Foto: Latvia Travel

Lettische Leckereien

Rupjemaize

Sein malziges Aroma verleiht dem Brot aus Roggen und Gerste das gewisse Etwas. In Lettland ist die landestypische Antwort auf Pumpernickel allgegenwärtig. Fällt es den Einheimischen auf den Boden, wird es unverzüglich aufgehoben und geküsst. 

Piragi

Traditionelle lettische Hefeteigpasteten, gefüllt mit einer herzhaften Mischung aus Speck und Zwiebeln oder süßen Füllungen wie Marmelade. Werden oft als Snack oder Vorspeise serviert.

Kefir

Das Angebot in den Kühlanlagen der Supermärkte ist üppiger als bei Milch. Kefir gibt’s in allen Variationen und Fettgehaltsstufen.

Kvass

Leicht alkoholisches, erfrischendes Getränk aus fermentiertem Brot, das oft mit Früchten aromatisiert wird. 

Karums

Leicht säuerlicher Quarksnack mit Scho­kolade umhüllt. Die Milchschnitte Lett­lands.

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