Am anderen Ende des Spektrums steht Urgestein Silvio Salizzoni. Sein Dorfwirtshaus Locanda Fiore in Poia gilt dem Slow-Food-Führer als eine der besten Osterien im Garda Trentino, auch wenn er meint, er sei ja kein Koch, sondern Gastwirt. Zimmer mit Aussicht, Frühstück und Swimmingpool (45 Euro pro Nacht, kein Druckfehler!) bietet er an, dazu bodenständige Küche nach Familienrezepten mit vor der Haustür erzeugten Zutaten. Die Carne Salada ist hausgemacht, die Auf­schnittplatten (Tagliere) üppig bemessen. Die Ravioli sind auberginefarben gefüllt, mit den lila Kartoffeln der Region. Und dazu? Klaro: Trentodoc. Die Locanda von Silvio Salizzoni wurde 1863, kurz nach der Vereinigung des Landes, begründet – also was ist nochmal sein Erfolgsrezept? Es ist die Kommunikation mit dem Gast: „Ich will immer sicherstellen, dass dieser weiß, was er isst.“

Im Restaurant La Casina genießen Gäste in traumhaftem Ambiente bodenständige wie verspielt moderne Küche.
Im Restaurant La Casina genießen Gäste in traumhaftem Ambiente bodenständige wie verspielt moderne Küche. Foto: La Casina/irisdesign.it

Auf der Skala zwischen Sternelokal und Locanda liegt das La Casina. Nichteinheimischen empfiehlt sich für die Fahrt ein „designated driver“, da die schmale Straße enorm kurvig und steil ist, bis sich in den Bergen ein Plateau mit dem riesigen Steinhaus auftut. Zur Belohnung warten ein traumhaftes Ambiente und eine ebenso bodenständige wie verspielte und moderne Küche.

Die blutjunge Chefköchin Giada Miori tischt wahlweise ein Berg- oder ein Seemenü auf, es gibt laktose- und glutenfreie Varianten und es gibt Vegetari­sches. Viergängige Menüs mit Weinbegleitung und unzähligen Amuses liegen bei etwa 80 Euro – man genießt Risotto mit Carne-Salada-Chips oder ein „Eintauchen in den See“ mit Pasta, Bisque und fangfrischem Fisch.

DAS GARDA TRENTINO IST DAS NÖRDLICHSTE ANBAUGEBIET FÜR OLIVENÖL WELTWEIT. DAS MIKROKLIMA DES GARDASEES SCHAFFT OPTIMALE VORAUSSETZUNGen FÜR DIE ERSTKLASSIGE HERSTELLUNG. 

Alles wirkt mühelos charmant, sei es das Vitello trotato mit Forellenmayonnaise und Beeren, Ravioli mit Ripp­chen und Butter mit geräucherten Chilis oder das Knusper-Ei mit Kräuterbrot. Die Carne Salada von Mamma gilt als die beste der Region. Gäste aller Altersgruppen werden gut versorgt und auch wirklich satt. Und wer sich mal durch Trentino-Weine probieren will, hat hier Gelegenheit.

Wer lieber in der Ebene bleiben und einen Abend im lauschigen Garten eines ehemaligen Klosters verbringen will, ist nirgendwo besser aufgehoben als in der Osteria Servite in Arco: klassische italienische Küche und eine Weinkarte mit rund 500 Positionen.  Auch nur ein Glaserl Wein geht hier. Heiratsanträge wären überdies eine ­Option.

Pilzkulturen direkt vor Ort

Aber nun genug Heimeligkeit und hin zum Shiitake: Stefano und Chiara bauen die Pilze seit 2018 auf der Azienda Agricola Guà an. Da wachsen sie ganz natürlich im Wald, auf 1.000 Metern Höhe, an Baumstämmen, so wie in ­Japan auch. Das nützt dem Wald, der sich nicht für Forstwirtschaft eignet und auf diese Weise bewahrt wird, und das nützt den Edelpilzen, die ohne den Einsatz von Pestiziden gedeihen. Wirkt erstmal sehr handgestrickt, doch hier sind Profis am Werk: zwei studierte Agroforstwirte, die überdies vor ihrem Haus vertikale Landwirtschaft betreiben und Früchte, Beeren und Kräuter anbauen. Die Gastronomen freut’s – die Shiitakeernte, 700 bis 800 Kilogramm im Jahr, wandert größtenteils in die Profikochtöpfe der Region.

Olivenölmühle Maso Bòtes
Die familiengeführte Olivenölmühle Maso Bòtes ist eine der ältesten im Garda Trentino und steht heute unter der Leitung von Nachkömmling Andrea Santuliano. Weggeworfen wird hier übrigens nichts: Die aus den Mahlresten gewonnene Molche-Paste wird beispielsweise als leckere Soße zum Essen gereicht. Foto: Garda Dolomiti AG 

Olivenöl auf dem 46. Breitengrad

Nun aber endlich zum Olivenöl und der Tatsache, dass es sich hier um das nördlichste Olivenanbaugebiet der Welt handelt, wo Öle extra vergine gewonnen werden. Acht Ölmühlen gibt es, Maso Bòtes wurde vor 30 Jahren ge­gründet, ist aber eigentlich uralt. Hier, wo schon vor fast 1.500 Jahren Bäume die Sorte Casaliva trugen, werden auf etwa fünf Hektar Land Olivenhaine bewirt­schaftet, oft in Handarbeit.

Andrea Santuliano ist 28 und führt uns durch den „Lebenstraum“ seiner Fami­lie: Die Haine stehen teils auf Trockenmauern – mit einem derart traumhaften Blick auf das historische Städtchen Arco mit dem Gardasee im Hintergrund, dass man wahrhaft neidisch werden könnte. Es sind junge Leute wie Andrea, die das Wissen der Alten bei Olivenöltastings ansprechend vermitteln können. Zudem sorgen sie dafür, dass – mal wieder ein Gegensatz – sowohl der Verkostungsraum als auch das Packaging der Öle modern gestaltet sind. „Naja, nicht alles war früher besser“, lacht der Junior. Bis zu 8.000 Liter im Jahr werden auf dem Gut produziert; drei unterschiedliche Böden sorgen dabei für dreierlei Geschmacksrichtungen.

Weggeworfen wird hier nichts: „Molche ist eine traditionelle Paste, hergestellt aus Schalen, Fruchtfleisch und Öl der Oliven“, erklärt Andrea. „Es ist eigent­lich ein Abfallprodukt, denn es enthält alles aus dem Olivenpresskuchen außer den Kernen – lecker als Soße zu Kartoffelgnocchi oder als Würze von Olivenbrot.“ Wie eng die Erzeuger in der Region zusammenarbeiten, sieht man hier an einer weiteren Veredelung, einer Walnuss-Oliven-Pâté, für die die eingangs erwähnten Walnüsse aus Bleggio verarbeitet werden.

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