Tests „so oft wie möglich“
Die Ausbreitung der Delta-Variante des Coronavirus und der Wunsch nach späteren Buchungen könnten nach Einschätzung von Tui zu einer Verlängerung der Reisesaison 2021 führen. Er sehe grundsätzlich gute Chancen, die als aggressiv geltende Mutante unter Kontrolle zu bringen, sagte Finanzvorstand Sebastian Ebel: „Wir gehen davon aus, dass es weiter einen hohen Schutz gibt.“ Insgesamt sei die Buchungsentwicklung derzeit zwar solide. Unter anderem wegen noch vorsichtiger Kunden richtet sich der größte Touristikkonzern aber auf Nachholeffekte ein, die sich bis zum Jahresende ziehen könnten. „Ich würde mich nicht wundern, wenn zunächst einmal auch die Sommersaison 2021 länger wird“, erklärte Ebel. „Zumindest der November sollte noch ohne Probleme machbar sein, vielleicht kann es hier und da sogar bis nach Weihnachten gehen.“
Maske und Tests wichtig
Der Tui-Finanzchef rief Urlauber auf, in der Heimat vorsichtig zu bleiben, um Öffnungsschritte nicht zu gefährden. Er persönlich würde die Maske weiter anbehalten, wenn er in öffentliche Innenräume gehe. „Aber nicht, wenn ich an einem Tisch sitze oder auf der Sonnenliege bin“, so Ebel. „Wenn irgendwann die Inzidenzen hoffentlich gegen Null gehen, kann man sicher großzügiger werden. Bis dahin finde ich es gut, so oft wie möglich Testmöglichkeiten wahrzunehmen. Das gilt explizit nicht nur für den Urlaub, sondern auch für das Kind, das wieder in die Schule geht, oder für den Gang ins Geschäft.“
Im Moment spüre Tui – trotz der schwierigen Lage in Großbritannien mit verschobenen weiteren Lockerungen – insgesamt eine „sehr deutliche Belebung“. Im Geschäftsquartal von Juli bis September werde mehr Geld zu- als abfließen, ein Umschwung zu einer stabilen Hauptsaison nach den drastischen Einbrüchen 2020 sei möglich. Aber manche Verbraucher dürften angesichts der noch nicht überall sicheren Bedingungen weiter abwarten. „Wenn wie für Portugal Öffnungen und neue Schließungen sich im Takt weniger Wochen abwechseln, lässt das Kunden überlegen: Wann buche ich – jetzt, oder wenn die Reiseregeln klar sind?“, sagte Ebel.
Geschäftsausbau in Deutschland
Auch den Trend zu mehr Urlaub in Deutschland greift Tui auf. Es gebe „Initiativen für neue Umsatzquellen“, so Ebel. „Eine davon ist, dass wir Unterkünfte ohne Anreise vermarkten, also das Geschäft, das auch Booking.com betreibt. Da haben wir das größte Wachstum in Österreich, gefolgt von Deutschland und Kroatien.“
Darüber hinaus gehe es daheim nicht um Neubauten von Hotels, sondern um den möglichen Betrieb weiterer Häuser: „Wir können den Kunden häufiger abholen, weil der vielleicht einen Urlaub in Spanien oder eine Städtereise macht, aber vielleicht auch noch mal etwas in Deutschland unternehmen will.“ Nach Überzeugung des Tui-Vorstands erlebt parallel dazu die Pauschalreise eine Renaissance – Risiken der individuellen Planung und hoher Beratungsbedarf seien die Auslöser.
Sommergeschäft für Tui entscheidend
Der Konzern wurde vom Staat und von seinen privaten Aktionären mit Milliarden unterstützt, um nach dem existenzbedrohenden Jahr 2020 wieder in die Spur zu kommen. Daher geht es für Tui 2021 ums Ganze. Aktuell seien die Aussichten für eine hinreichende Liquidität positiv, sagte Ebel. „Auch für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist diese Veränderung sehr wichtig. Wir hatten durch die Schließungen über Monate nur Kosten, jetzt geht es deutlich bergauf, sie spüren das.“ Entscheidend sei es, in den kommenden Wochen und Monaten „operativ einen guten Job zu machen“. Ende März habe die Summe der vorliegenden Anzahlungen bei 1,9 Milliarden Euro gelegen, in normalen Jahren wäre es zu der Zeit mehr als das Doppelte. „Weil unser Niveau da so ist, wie es ist, kann auch weniger abfließen“, meinte der Tui-Finanzchef. „Der bisherige Wert sollte uns gut durch den Winter tragen.“
Die Nettoschulden im Konzern lagen zuletzt bei 6,8 Milliarden Euro. „Davon waren aber die Hälfte Leasing-Verbindlichkeiten etwa für Flugzeuge oder Hotels, die wir nicht laufend refinanzieren müssen, sondern die durch unsere Vermögenswerte gesichert sind“, sagte Ebel. „Wir sind insgesamt solide finanziert für den Winter, bis es ab Januar zu stärkerem Mittelzufluss aus dem operativen Geschäft kommt.“
(dpa/NZ)