EU soll einen Tourismuskommissar bekommen
Wenn es nach den Vorschlägen von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen geht, soll Apostolos Tzitzikostas Kommissar für nachhaltigen Verkehr und Tourismus werden. Erstmals seit den 90er Jahren soll damit wieder ein EU-Kommissar Tourismus in seiner Funktionsbeschreibung tragen.
Die Mobilität von Gütern und Personen seien wesentliche Sektoren für die Wettbewerbsfähigkeit, für die Verbindungen zwischen Menschen in Europa sowie eine Grundbedingung für erfolgreiches regionales Wirtschaften, heißt es in der Erklärung von der Leyens.
Diese hatte am 17. September 2024 ihre Vorschlagsliste für die künftigen EU-Kommissare vorgelegt. Das Europäische Parlament muss den Vorschlägen noch zustimmen.
„Gute Nachrichten für die Tourismusbranche in Europa“
Der Bundesverband der Deutschen Tourismuswirtschaft (BTW) begrüßt die Pläne von Ursula von der Leyen, einen Kommissar speziell für Verkehr und Tourismus einzusetzen. „Das sind gute Nachrichten für die Tourismusbranche in Europa. Die strukturelle Neuausrichtung entspricht ganz klar unserer Forderung, die Bedeutung der Tourismuswirtschaft auch politisch zu unterstreichen“, sagt BTW-Generalsekretär Sven Liebert.
Er ergänzt: „Tourismus ist einer der größten Arbeitgeber und eine starke Wirtschaftskraft sowohl in Deutschland als auch der gesamten EU. Dies gilt es, weiter zu stärken, aktuelle Hürden für die Tourismusbranche in Europa zu reduzieren und drohende Belastungen zu verhindern. Wichtig ist auch, dass die verschiedenen Mobilitätsträger sowie die Tourismuswirtschaft allgemein die nötige Unterstützung bei der nachhaltigen Transformation erfahren. Genau hierzu könnte ein Kommissar für nachhaltigen Verkehr und Tourismus beitragen.“
Mehr Beachtung für die Reisewirtschaft
Weltweit ist der Tourismus für über zehn Prozent der Wirtschaftsleistung verantwortlich und schafft rund um den Globus circa 330 Millionen Arbeitsplätze. Daher begrüßt auch der Deutsche Reiseverband (DRV) die Pläne von Ursula von der Leyen.
„Damit wird aus Sicht des Branchenverbandes deutlich, welche besondere Rolle die Reisewirtschaft in Europa einnimmt“, heißt es in einer Medienmitteilung des Verbandes. „Eine Vielzahl an EU-Bürgern arbeitet für Unternehmen und Organisationen in diesem Dienstleistungssektor. Sie leisten einen enormen Beitrag, um Urlaubern besondere Erlebnisse und eine erholsame Zeit zu verschaffen.“
Damit die Branche auch zukünftig auf Wachstumskurs bleibe, müssten die rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen so gestaltet werden, dass die Unternehmen der Reisewirtschaft ihr Geschäft langfristig erfolgreich und zukunftssicher ausrichten können.
Durch die Schaffung eines expliziten Kommissionspostens für den Bereich Tourismus rücke dieses Thema stärker in den Fokus. „Die Reisewirtschaft kann nun zuversichtlich hoffen, dass die Anliegen der Branche auf Kommissionsebene künftig noch mehr Beachtung finden werden“, betont der DRV.
„Deutschland ist reif für ein eigenes Tourismusministerium“
Auch die Denkfabrik Zukunft der Gastwelt (DZG) sieht in der Ernennung eines EU-Tourismuskommissars einen wichtigen Schritt zur politischen Stärkung der gesamten touristischen Wertschöpfungskette in Europa. Nun müsse das Amt in Brüssel auch mit konkreten Inhalten und politischem Leben gefüllt werden, um den Tourismussektor – den die DZG auch als Gastwelt bezeichnet – auch tatsächlich zu unterstützen.
„Die Europäische Union gibt die Richtung vor: Für uns ist nun auch Deutschland reif für ein eigenes Tourismusministerium. Auf jeden Fall muss der Bund seine Kompetenzen nach der nächsten Wahl – aktuell haben 12 Berliner Ministerien Teilzuständigkeiten – zentral und schlagkräftig in einem neuen Bundesministerium für Wirtschaft und Tourismus bündeln“, erklärt DZG-Vorstandssprecher Dr. Marcel Klinge.
Deutschland könne aus dem europäischen Beispiel lernen. Wirtschaftlicher Erfolg im Tourismus erfordere eine starke politische Verankerung und eine koordinierte Strategie für Förderpolitik und Entwicklung des gesamten Sektors.
„Wenn die Benennung von Apostolos Tzitzikostas zum Tourismuskommissar kein Lippenbekenntnis ist, wäre das ein bedeutender Schritt nach vorn,“ unterstreicht der ehemalige Bundestagsabgeordnete.
„Tourismuswirtschaft benötigt eine institutionelle Verankerung auf höchster ministerieller Ebene“
Für die Wahlperiode 2025 bis 2029 fordert die Denkfabrik im Bund schon länger eine effektivere Bündelung und die Schaffung einer starken Koordinationsrolle auf höchster politischer Ebene. Erst im Juli 2024 hat die DZG in einer neuen Studie, die die tourismuspolitischen Verantwortlichkeiten im europäischen Ausland detailliert untersuchte, herausgearbeitet, dass Deutschland in vielen Aspekten noch Nachholbedarf habe.
„Auch wenn der aktuelle Tourismuskoordinator Dieter Janecek (Grüne) einen sehr engagierten und kompetenten Job macht, reicht dies dauerhaft einfach nicht“, meint Dr. Marcel Klinge. „Mit Blick auf die enormen Markt-Herausforderungen wie den existenzbedrohenden Mitarbeitermangel, steigende Kosten und sinkende Wettbewerbsfähigkeit benötigt die Tourismuswirtschaft zwingend eine institutionelle Verankerung auf höchster ministerieller Ebene – am besten direkt am Kabinettstisch. Mit einem BIP-Anteil von fast neun Prozent spielen wir bereits im oberen europäischen Mittelfeld – Italien und Österreich sind in Sichtweite. Der Schritt zu einem ‚eigenen‘ Ministerium ist also realistisch und sollte aus unserer Sicht die zentrale Kernforderung der Branche für die Bundestagswahl 2025 sein.“
Die Tourismusministeriumsstudie der DZG aus diesem Jahr kann kostenfrei als PDF heruntergeladen werden: https://bit.ly/dzg-studie-tourismuspolitik
(BTW/DRV/DZG/SAKL)