Inklusionshotel sollte als „Oha“-Moment wahrgenommen werden
Rocco Pabst ist bereits seit 14 Jahren Direktor des Hotels im Kornspeicher in Marburg. Auch hier war die Version von Beginn an eindeutig, einen Arbeitsplatz für schwerbehinderte Menschen zu schaffen.
„Das Hotelprojekt entstand aus der Initiative eines ortsansässigen Vereins, der bereits im Werkstattbereich mit Schwerbehinderten gearbeitet hatte. Das Projekt sollte neue Arbeitsfelder für diese Menschen schaffen, und zwar nicht im Hintergrund, sondern direkt im Stadtzentrum in einem Hotel, um das Thema Behinderung in den Mittelpunkt des öffentlichen Geschehens zu bringen.“
Zunächst musste evaluiert werden, welche Arbeitsplätze in dem Hotel geschaffen werden können, sodass es ein gängiger Hotelbetrieb ist. „Der Anspruch damals und heute ist es, dass man nicht sagt: ‚Da arbeiten behinderte Menschen und die haben sich Mühe gegeben‘, sondern dass der Gast, wenn er im Aufzug steht und liest, dass es ein Inklusionshotel ist, eher überrascht ist“, erklärt Rocco Pabst.
Das Argument dabei darf nicht sein, und das betonen beide Hoteliers, dass Gäste in das Hotel gehen, um die Schwerbehinderten zu unterstützen, sondern im besten Fall gar nicht davon wissen und es wie jedes andere Hotel wahrnehmen.
Qualität, Service und das Aufenthaltsgefühl ist dasselbe oder ein Besseres, so lautet der Anspruch. Die Tatsache, dass es sich um ein Inklusionshotel handelt, sollte eher als „Oha“-Moment wahrgenommen werden.
Leidenschaft und Engagement für Inklusion in der Hotellerie
Victoria Knauer-Hansen, Sustainability Managerin bei GreenSign ist seit Jahren bemüht, als Speakerin, Dozentin und Bloggerin, die Inklusion in der Branche zu fördern. „Ich kam dem Thema durch berufliche und private Erfahrungen nahe. Es gab damals zu meiner Zeit im Hotel leider null Aufmerksamkeit dafür und wir bekamen keinerlei Hilfe und Zuspruch zum Umgang mit Behinderten. Jedoch hatten wir einfach bei der Arbeit auf unsere gegenseitigen Bedürfnisse geachtet und einen unvergleichlichen Zusammenhalt gespürt", erinnert sie sich.
"Rückblickend war das die beste Zeit und das tollste Teamwork, das ich je hatte. Als das Thema mich später auch im Privaten berührt hat, entschloss ich mich, für zukünftige Generationen und aktuelle Betroffene eine Stimme einzunehmen und die Thematik verstärkt in die Branche zu bringen.“
Es braucht Verständnis, Geduld und ständige Reflektion
Dass die Arbeit in einem Inklusionsbetrieb auch vielerlei Herausforderungen birgt, liegt auf der Hand. Die Voraussetzungen und Ansprüche der einzelnen Mitarbeiter müssen ergründet werden, um aufeinander eingehen und miteinander im Team funktionieren zu können. Bei nicht sichtbaren Behinderungen ist es zusätzlich schwieriger, die Stärken und Schwächen einzuschätzen, das benötigt Zeit und Erfahrung.
Bei dem Lernprozess sind, neben dem Embrace Verband, auch Jobcoaches, das Inklusionsamt und andere Sozialverbände hilfreich. Rückschritte kommen allerdings auch immer wieder vor. Dafür braucht es Verständnis, Geduld und ständige Reflektion. Dass der Hotelier hierbei auch sehr viel über sich selbst lernt und seinen eigenen Umgang, die Reaktionen und das Erkennen von Chancen optimiert, ist ein positiver Effekt dieser Entwicklung.
Für mehr Offenheit zum Thema Inklusion
Viele Menschen haben heute noch Berührungsängste mit und großen Respekt vor dem Thema Inklusion. Dies beginnt schon bei der Hemmung, welche Worte für Menschen mit Behinderung überhaupt ‚erlaubt‘ sind.
Letztendlich sind es erfahrungsgemäß individuelle Menschen, die sich einen offenen Umgang wünschen und auf ihre persönlichen Bedürfnisse angesprochen werden möchten. Ein proaktives Gespräch auf Augenhöhe kann erste Hemmungen meist schnell lösen.
Im Team ist das Prinzip Aufklärung und Orientierung essenziell für ein positives Arbeitsumfeld. Hier fehlt es in der Hotellerie noch an Guidelines, Erfahrungsberichten und Lösungswegen. Das ist der Grund, warum der Embrace Verband und das GreenSign Institut das Thema forcieren und verstärkt in die öffentliche Kommunikation einfließen lassen möchten.
(GreenSign Institut/SAKL)