Ricky Saward: „Ich versuche, die Menschen mit guter veganer Küche zum Nachdenken zu bringen“
Für Ricky Saward steht Nachhaltigkeit immer an erster Stelle. Als Küchenchef setzt er in seinem Restaurant Seven Swans in Frankfurt am Main auf eine zukunftsweisende vegan-puristische Küche.
Die Umstellung auf vegan war für ihn unvermeidlich, wie er selbst sagt. Ein Konzept wie das des Seven Swans – regional, saisonal, vegan und nachhaltig mit einem „farm to table“- und „root to leaf“-Konzept – mache nur in einem ganzen Paket für ihn Sinn. Dabei setzt er auch auf Produkte von der eigenen Permakultur und vergessene Produkte aus der wilden Umgebung.
Im Jahr 2020 wurde das Seven Swans zum weltweit ersten veganen Sterne-Restaurant gekürt. Auf eine solche Auszeichnung ruht sich der Spitzenkoch jedoch nicht aus. Für ihn ist es wichtig, die Philosophie des veganen und regionalen Kochens weiter voranzubringen.
Und so hat er nun bereits sein nächstes Projekt am Start: In Zusammenarbeit mit der Tierschutzorganisation PETA hat er ein Motiv entwickelt und fotografiert, das seine Grundeinstellung widerspiegeln soll. Im Exklusiv-Interview mit HOGAPAGE verrät er, was dahintersteckt.
Herr Saward, was hat Sie zu diesem Bild inspiriert?
Die Idee kam tatsächlich von mir. Wie einige wissen, habe ich eine bescheidene musikalische Vergangenheit: Ich war einige Jahre Frontman-Sänger einer Punkband. Damals waren wir regelmäßig im Music Store in Köln, um uns an Instrumenten auszutoben. Dort gab es auch unzählige Musik-Magazine. Eines davon präsentierte das neue Album von Lenny Kravitz – Baptism (2004) mit Lenny Kravitz auf dem Cover. Er liegt dort mit seiner Gitarre in einer roten Substanz. Ein prägendes Bild.
Nach den ersten Gesprächen mit Silke Berenthal von PETA war klar, dass wir das Bild adaptieren. Der vegane Koch liegt mit einer Hand voll Roter Beete in einer Wanne mit Kunstblut. Es ist wie mit Kunst. Jeder kann interpretieren, was er möchte. Das Motiv gibt so viele Möglichkeiten.
Das Motiv ist in Kooperation mit PETA entstanden. Wieso sind gerade Sie hier Botschafter von PETA geworden?
Das Problem liegt nicht nur im Pelz-Tragen, womit PETA immer in Zusammenhang gebracht wird. Es geht um sehr viel mehr. Die Fine-Dining-Szene ist grauenhaft in Bezug auf Lebewesen: Es soll immer nur das feinste, weichste, zarteste Stück vom Tier sein. Wir sprechen von „Luxusprodukten“ – umso seltener desto besser. Am besten soll es ein Tier von der roten Liste sein, wie z. B. Kaviar aus dem Bauch eines Störs geschnitten. Oder Hummer und Thunfisch, die beide vom Aussterben bedroht sind, aber von Übersee innerhalb von 24 Stunden per Flugzeug aus dem Meer in der Pfanne im deutschen Restaurant landen. Gänsestopfleber, Rinder, die mit Rotwein massiert werden, bevor sie geschlachtet werden … ich könnte unzählige weitere Bespiele nennen.
Wir haben absolut die Kontrolle über uns selbst verloren. Wir haben kein Feingefühl und keinen Respekt mehr anderen Lebewesen gegenüber. Die Ausbeutung der Tiere und der Ressourcen der Erde schadet aber am Ende uns selbst. Nur versteht das irgendwie keiner. Ich habe mich vor fünf Jahren für einen Weg entschieden, der alles andere als einfach war und voll mit Risiken. Doch es war die richtige Entscheidung, auf regionale, nachhaltige vegane Küche umzustellen.
So ein Motiv gab es bei PETA noch nie. Warum hat sich die Tierschutzorganisation dazu entschlossen, ein solches Bild mit Ihnen zu kreieren?
PETA hatte keine andere Wahl. Ich hab gesagt, ich mach nur mit, wenn wir das Motiv nehmen (lacht). Ehrlich gesagt, brauchte es schon ein wenig Überzeugungsarbeit.
Ich finde es wichtig, in der heutigen Zeit mal wieder Statements zu setzen, zu polarisieren. Wir sind in allen Bereichen so übervorsichtig geworden. Jeder hat Angst, etwas falsches zu sagen oder sich falsch in der Öffentlichkeit zu verhalten. Ich finde, das Bild schwebt geschickt in einer Art Grauzone. Wie gesagt, jeder interpretiert da etwas anderes hinein. Wichtig ist es, die Menschen mal wieder zum Nachdenken anzuregen.
Welche Intention verfolgen Sie denn persönlich mit dem Motiv?
Ganz klar wasche ich mich von dem Blut aus 15 Jahren Kochen mit tierischen Produkten rein. Auch wenn das mit einem Bild natürlich nicht getan ist. Ich liege in einer Wanne voll Blut – symbolisch für das Leid, das ich unzähligen Tieren angetan habe. In der rechten Hand halte ich eine Hand voll Roter Beete, die dem Blut/Fleisch doch so sehr ähnelt. Sie ist jedoch die bessere Alternative – der richtige Weg, für den ich mich entschieden habe. (macht eine Pause)
Oder einfach nur ein Koch, der Werbung für die Rote Beete macht, weil sie so gesund und reich an Kalzium, Phosphor, Kalium, Magnesium, Eisen und Vitamine ist – so köstlich dass ich mich reinlegen kann (lacht).
Aber inwiefern soll das Bild dazu beitragen, dass Sie als nachhaltiger und regionaler Koch wahrgenommen werden?
Hier geht’s nicht um mich. Hier geht’s um die Message. Dieser verhelfe ich als veganer, regionaler und nachhaltiger Koch nur zu mehr Ausdruck, quasi als Richtungsweiser.
Und wie genau wollen Sie mit dem Motiv zu einem Umdenken in der Gastronomie anregen?
Das überlasse ich jedem selbst. Man kann die Probleme der Welt nicht mehr abstreiten oder leugnen. Eigentlich weiß es jeder selbst, dass das Thema ein großes Problem ist. Nur sind wir zu bequem.
Als erstes muss das Script „Der Weg zum Spitzenkoch“ neu geschrieben werden. Da appelliere ich an alle Bewertungsportale, Magazine und Tester dieser Welt. Lasst euch nicht von der „Qualität“ der Produkte täuschen und achtet lieber auf das Handwerk und die Skills der Köche. Denn darum geht’s doch, oder nicht? Aus wenig, Großartiges erstellen, und nicht darum, seltenes totes Tier auf dem Teller für sich sprechen zu lassen. Das hat nichts mit Kochen zu tun und hat sicher keine Standing Ovations verdient.
„Vegan, aber ohne erhobenen Zeigfinger“ – auch das soll das Bild zum Ausdruck bringen. Ist da nicht doch auch ein kleiner Zeigefinger mit dabei?
Jeder soll in dem Motiv das sehen, was er sehen möchte. Doch eigentlich weiß man, was es aussagen möchte. Am Ende zeigt das Motiv meine Motivation und Bewegung zum Umdenken. Ich zeige grundsätzlich nicht auf andere und sage denen, was sie zu tun haben. Auch im Seven Swans findet man keinerlei Hinweise auf vegane Küche. Ich bin kein Politiker, auch wenn sich das einige wünschen würden. Ich gehe nicht auf Demonstrationen oder breche in Schlachthäusern ein. Ich versuche, die Menschen mit guter veganen Küche zum nachdenken zu bringen – ohne Druck, Belehrung oder Zeigefinger.
Vielen Dank für das Gespräch, Herr Saward!
Dieser Artikel könnte Sie auch interessieren:
Ricky Saward und PETA setzen Zeichen für die vegane Küche
(SAKL)