Ampel-Aus: „Das Gastgewerbe braucht eine starke und durchsetzungsfähige Bundesregierung“
Die Ampelkoalition ist gescheitert: Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat den Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier am 6. November 2024 um Entlassung des Bundesministers Christian Lindner (FDP) gebeten. Scholz wirft Lindner Vertrauensbruch vor. Die beiden ehemaligen Koalitionspartner machen sich nun gegenseitig Vorwürfe.
Die FDP-Minister wurden aus der Bundesregierung entlassen, Jörg Kukies wurde zum neuen Bundesfinanzminister ernannt. Während die einen rasche Neuwahlen fordern, will Scholz die Vertrauensfrage erst am 15. Januar stellen, um erst dann eine vorgezogene Bundestagswahl Ende März herbeizuführen.
Es scheint ein politisches Chaos ausgebrochen zu sein. Die Regierung ist instabil – und das in einer Zeit, die sowieso schon von vielen Unsicherheiten geprägt ist. Die Verbände der Gastwelt fordern daher, dass schnell wieder eine stabile und handlungsfähige Bundesregierung aufgestellt wird.
BdS: „Die Branche braucht Planungssicherheit und Stabilität“
„Das Auseinanderbrechen der Ampelkoalition trifft die Branche in einer ohnehin angespannten wirtschaftlichen Lage“, stellt Markus Suchert, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Systemgastronomie e.V. (BdS), auf Anfrage von HOGAPAGE heraus.
Die vorwiegend mittelständisch geprägten Unternehmen der Systemgastronomie würden dringend Entlastungen und weniger bürokratische Hürden benötigen. Wichtig sei daher jetzt, dass kein monatelanges Entscheidungsvakuum entstehe.
„Die Branche braucht Planungssicherheit und Stabilität sowie geordnete politische Verhältnisse und eine handlungsfähige Bundesregierung, die die multiplen Herausforderungen der Branche ernsthaft angeht und verlässliche Rahmenbedingungen sowie Planbarkeit für die Unternehmen der Systemgastronomie schafft“, betont Suchert.
Hierzu gehörten Entlastungen durch eine reduzierte Mehrwertsteuer auf Speisen, weniger ideologiegetriebene Vorgaben und Eingriffe in die unternehmerische Freiheit sowie ein konsequenter Bürokratieabbau. „Nur, wenn diese Forderungen umgesetzt werden, können die Unternehmen der Systemgastronomie auch zukünftig Erfolg haben und ihre Rolle als attraktiver Gastgeber, Rückgrat der deutschen Wirtschaft und Jobmotor erfüllen“, verdeutlicht der BdS-Hauptgeschäftsführer.
BTW: „Stillstand ist ein absolutes No-Go“
Auch der Bundesverband der Deutschen Tourismuswirtschaft (BTW) fordert die Politik auf, alles zu tun, um politischen Stillstand zu vermeiden. „In wirtschaftlich schweren Zeiten wie den aktuellen ist politischer Stillstand ein absolutes No-Go“, sagt BTW-Generalsekretär Sven Liebert. Das Land brauche Impulse und richtungsweisende Entscheidungen, um endlich wieder wirtschaftlichen Aufschwung zu erleben und Arbeitsplätze zu sichern.
„Wir fordern die Parteien der Mitte dringend auf, im Sinne unseres Wirtschafts- und Tourismusstandorts aber auch im Sinne von Bürgern und Gesellschaft eine politische Handlungsstarre zu verhindern. Auch ein weiteres Erstarken der politischen Ränder droht in einer solchen Situation. Es muss deshalb darum gehen, im Bundestag konstruktiv und lösungsorientiert zusammenzuarbeiten, sodass die Regierung bis zur Wahl handlungsfähig bleibt. Und je eher diese Neuwahl stattfindet, umso besser.“
Im Zentrum der Forderungen würden weiterhin ein spürbarer Bürokratieabbau, die Senkung der Standortkosten für die deutsche Tourismuswirtschaft, weitere Maßnahmen zur Fach- und Arbeitskräftesicherung und ein Infrastrukturboost, um nicht den Anschluss im internationalen Wettbewerb zu verlieren, stehen. „Diese Themen dürfen nicht auf die lange Bank geschoben werden, positive Entscheidungen im Sinne der Tourismuswirtschaft sind längst überfällig. Eine politische Hängepartie muss deshalb auf jeden Fall vermieden werden. Wir stehen als Tourismuswirtschaft mit unserer Expertise und Einschätzungen jederzeit zur Verfügung“, sagt Liebert.
HDV: „Wir brauchen einen politischen Neuanfang“
Für Jürgen Gangl, 1. Vorsitzender der Hoteldirektorenvereinigung Deutschland (HDV) und General Manager im Park Inn by Radisson Berlin Alexanderplatz, hat die Ampel-Koalition bereits in den letzten Jahren ein ernüchterndes Bild abgegeben: „Als Bündnis aus drei Parteien startete sie mutig als selbsternannte ‚Zukunftskoalition‘“, sagt Gangl gegenüber HOGAPAGE. „Doch bald schon erstickten interne Konflikte und langjähriges parteipolitisches Gezänk diese Zukunftsambitionen – der Anfang vom Ende dieser Regierung.“
Der Bruch der Ampel demonstriere eine unverantwortliche Herangehensweise an den Regierungsauftrag, den die Bürger erteilt hätten. „Anstatt sich drängenden Herausforderungen des Landes zu widmen, wurden wir Zeugen, wie Koalitionspolitiker sich öffentlich in kontroversen Auseinandersetzungen aufrieben. Diese politischen Scharmützel haben dem Land erheblich geschadet und den Boden für die extremistischen politischen Ränder geebnet“, stellt der Vorsitzende des HDV heraus.
Blockaden und Verzögerungstaktiken wären zur Regel geworden – und das in einer Zeit, die nach wirtschaftlicher Stabilität und entschlossenem Handeln verlange. „Deutschland steckt in einer tiefen Wirtschaftskrise und benötigt dringend eine Regierung, die bereit ist, Verantwortung zu übernehmen und pragmatische Lösungen umzusetzen. Deshalb brauchen wir dringend Neuwahlen, keine weiteren Verzögerungen und einen politischen Neuanfang, um mit klarer Linie der wirtschaftlichen Unsicherheit und dem wachsenden Vertrauensverlust in der Bevölkerung entgegenzuwirken“, betont Gangl.
Dehoga Bayern: „Das Gastgewerbe braucht eine starke und durchsetzungsfähige Bundesregierung“
Der Dehoga Bayern sieht im Scheitern der Ampel-Regierung eine absehbare und am Ende auch folgerichtige Entscheidung. „Der Verband wünscht sich rasche Neuwahlen und eine zügige Regierungsbildung, um das Land und die Wirtschaft wieder handlungsfähig zu machen“, heißt es in einer Pressemitteilung des Dehoga Bayern.
Die Erhöhung der Mehrwertsteuer gehe auf das Konto der „Ampel“. Die gesamte Branche stehe dadurch massiv unter Druck und Betriebe müssten tagtäglich aufgeben. „Angesichts dieser massiven strukturellen Krise braucht die Branche eine schnelle und umfangreiche Wirtschaftswende“, betont der Dehoga Bayern.
Weiter heißt es: „Das Gastgewerbe braucht eine starke und durchsetzungsfähige Bundesregierung, die die richtigen Entscheidungen trifft, um die Branche zukunftsfähig zu halten.“
Dehoga Bundesverband: „Eine monatelange Hängepartie kann sich Deutschland nicht leisten“
Dass das Land jetzt dringend eine neue stabile Regierung benötigt, findet auch der Präsident des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes Guido Zöllick: „Nachdem der Wahlkampf in der Ampelregierung bereits seit geraumer Zeit und sehr offensiv geführt wurde, sollten nach dem gestrigen Ampel-Aus alle ein vitales Interesse haben, zügig die nächsten notwendigen Schritte einzuleiten. Deutschland braucht eine handlungsfähige Regierung – und das so schnell wie möglich.“
Zöllick betont: „Nur schnellstmögliche Neuwahlen schaffen die dringend benötigte Klarheit und Stabilität.“
Am kommenden Dienstag findet der Dehoga Branchentag in Berlin statt, zu dem nach Angaben des Dehoga zahlreiche Spitzen der Bundespolitik zugesagt haben. „Der Dehoga erwartet Antworten auf die wichtigsten Branchenanliegen. Dazu gehört für uns an vorderster Stelle die Zukunftssicherung von Restaurants und Wirtshäusern durch die Gewährleistung eines fairen Wettbewerbs“, stellt Zöllick heraus.
Hierzu zähle u. a. eine einheitliche 7-Prozent-Mehrwertsteuer auf Essen, die Flexibilisierung der Arbeitszeit und ein schneller und spürbarer Bürokratieabbau. „Nur mit einer leistungsfähigen Wirtschaft wird es gelingen, die vielfältigen Herausforderungen zu meistern. Die Weichen für Wachstum und Beschäftigungssicherung müssen jetzt gestellt werden. Betriebe wie Beschäftigte benötigen mehr denn je Klarheit, Stabilität und Planungssicherheit. Eine monatelange Hängepartie kann sich Deutschland nicht leisten. Das gilt auch mit Blick auf die Aufgaben in Europa und die transatlantischen Beziehungen.“
DZG: Ampel-Aus als Chance
Für Dr. Marcel Klinge, Vorstandssprecher der Denkfabrik Zukunft der Gastwelt (DZG) und ehemaliger Bundestagsabgeordneter, bringt das Scheitern der Ampelkoalition ganz klar weitere Unsicherheiten für das Gastgewerbe mit sich.
„Wir steuern jetzt direkt auf einen Wahlkampf zu, gefolgt von wahrscheinlich harten Koalitionsverhandlungen. Bis dahin heißt es: Stillstand. Und eine neue Regierung, egal wer sie führt, wird kurzfristig keine großen finanziellen Spielräume haben – denn die Herausforderungen bleiben enorm“, verdeutlicht Klinge gegenüber HOGAPAGE. Die steigenden Kosten für Sicherheit und Verteidigung würden gerade nach Trumps Wiederwahl das Budget zusätzlich belasten. „Die Gefahr, dass unsere Branche im Wettlauf um knappe Ressourcen hintenansteht, ist hoch“, sagt der Vorstandssprecher der Denkfabrik Zukunft der Gastwelt.
Das Gastgewerbe dürfe sich daher keine Illusionen machen: „Auch bei einem Regierungswechsel bleibt das Risiko real, dass in Bereichen, die uns betreffen, gekürzt wird – vor allem, da die Ausgaben für Sicherheit und Verteidigung deutlich steigen werden. Auch und vor allem neue Steuerspielräume sind alles andere als sicher. Aber: Diese Phase gibt uns auch die Chance, unser Profil zu schärfen und wichtige Themen neu zu setzen“, erklärt Klinge.
Allerdings würde jetzt die Konkurrenz um Aufmerksamkeit in der Politik groß werden, da es viele Krisen gebe, die im Wahlkampf die Bühne beherrschen würden. Deshalb müsse die Branche aktiv kommunizieren und sich darauf konzentrieren, wenige, aber große Ziele klar zu formulieren. „Wenn wir uns auf die zentralen Anliegen einigen und geschlossen auftreten, vermeiden wir, in einem Getöse von vielen Forderungen verschiedener Verbände unterzugehen. Gemeinsam können wir so unsere Themen effektiv platzieren“, erläutert Klinge.
Die Branche müsse jetzt klug und vorausschauend handeln. „Das heißt: verschiedene Szenarien durchdenken und den Dialog mit politischen Akteuren suchen – auch mit denjenigen, die im neuen Bundestag und in einer künftigen Regierung eine Rolle spielen könnten, jetzt aber vielleicht noch nicht auf dem Radar sind“, erklärt der Vorstandssprecher der Denkfabrik Zukunft der Gastwelt.
Mit der Kampagne „Herz unserer Gesellschaft“ habe die Denkfabrik bereits eine starke Plattform, auf der die Gastwelt aufbauen könne. Diese gelte es, weiter auszubauen – am besten mit vielen Akteuren gemeinsam. „Die Devise lautet: Vorsicht und Prävention. Nur gemeinsam und mit einer klaren Kommunikationsstrategie können wir unsere Interessen in diesem turbulenten Umfeld sichern“, betont Klinge abschließend.
(BdS/DZG/BTW/Dehoga Bayern/Norddeutscher Rundfunk/SAKL)