Das 14. JRE Genusslabor im „Huberwirt“
„Ich wollte nicht die Generation sein, die das Ding gegen die Wand fährt!“, Andreas Widmann rückt seine Brille gerade, fährt sich durchs Haar. Deshalb hatte er sofort – wie viele findige Kollegen – im ersten Lockdown mit Kochboxen, Takeaway und Online-Veranstaltungen losgelegt. So manövrierte er „Widmann´s Alb.leben“, einen Traditionsbetrieb aus Hotel und Wirtshaus in Königsbronn-Zang, den er in neunter Generation 2017 von seinen Eltern übernahm und mit dem besternten Gourmetrestaurant „Ursprung“ und luxuriösen Chalets seine eigenen Stempel aufgedrückte, erfolgreich durch die Krise. Bevor er sein puristisches Fischgericht – gereifte Seeforelle aus Bayern mit fränkischem Kaviar, von Apfelsaft verfeinerter Beurre blanc und Dill – serviert, stellt er jedem Teilnehmenden eine dieser Kochboxen mit Kostproben hin. Mehr Ausblick, denn Rückblick: Widmann wird auch zukünftig neue Wege gehen und erschließt mit seiner krisenerprobten hausgemachten Feinkost – zum Beispiel Räucherforellen-Rilette, Saubraten oder Maultaschen von der Schwäbischen Alb – ein zusätzliches Geschäftsfeld. Deshalb lässt er eine Produktionshalle bauen und hat bereits Mitarbeitende eingestellt.
Viel zu probieren und zu besprechen
Diesen „Austausch anstelle von Geheimniskrämerei“ schätzt Genusslabor-Organisator Tobias Bätz („Posthotel Alexander Herrmann“, Wirsberg) am Zusammenkommen von wechselnden Jeunes Restaurateurs-Mitgliedern, eingeladenen Gastköchen und Produzenten wie Patrick von Vacano („Original Beans“) und Leonhard Riederer von Paar („Gutshof Polting“) aus dem Kreis des JRE-Genussnetzes als zusätzliche Diskussionspartner. Natürlich stand das JRE-Genusslabor, das vor acht Jahren seine Premiere ebenfalls im Pleiskirchener „Huberwirt“ von JRE-Präsident Alexander Huber feierte, dieses Mal unter besonderen Vorzeichen.
Zum ersten Mal seit Februar 2020 wurden wieder wie gewohnt Gerichte im Entwicklungsstadium gemeinsam verkostet und auf Augenhöhe offen diskutiert. Dabei zeigten die kochenden Protagonisten in Form eines Menüs konkret, wie sie die Zeit der Restaurantschließung kreativ genutzt hatten, welche Strategien sie zukünftig weiterverfolgen und welche Lehren sie aus der Corona-Pandemie mit zwei Lockdowns, Restarts sowie einer veränderten Personal-, Gäste und Lieferantensituation entwickelt haben. Verständlich, dass daraus lebhafte Gespräche und Situationsberichte über aktuelle Branchenthemen, die die vergangenen fast zwei Jahre erst recht aufgeworfen haben, resultierten.
Neubewährtes beibehalten, Althergebrachtes überdenken
Wie Andreas Widmann hat auch Hans-Harald Reber („Reber‘s Pflug“, Schwäbisch Hall) Erkenntnisse gewonnen und führt sein aus der Not geborenes Stadl als Tages-Konzept weiter. Er hatte erfolgreich sein Team in Arbeit und seine Gäste in Genusslaune gehalten, indem er aus einer umfunktionierten Weihnachtsmarkthütte hochwertige Imbissgerichte aus eigener Produktion oder von befreundeten Genusshandwerkern verkaufte und einen Genusskühlschrank für Produkte zum Mitnehmen aufstellte. Das Genusslabor nutzte Reber, in dessen Betrieb es zum Frühstück selbstgemachte Blut-, Leber und -Presswurst gibt und Gourmetrestaurant und Gasthaus („Es ist vielleicht auch unsere Aufgabe, das Gasthaussterben aufzuhalten!“) nicht getrennt sind, um ein Nose-to-tail-Gericht zu servieren.
Bei seinem als „Dosenwurst“ betiteltem Amuse-Gueule verwendet er Nebenteile vom Duroc-Schwein, das sein Bruder („Bis 180 kg, doppelt so langes Leben und Hausschlachtung“) kleinbäuerlich züchtet. Damit zeigte er, zu welcher Delikatesse sich oftmals verpönte Stücke wie Kopf, Zunge und sogar Ohr vom Schwein mit Kartoffeln und Sauerkrautsud verfeinern lassen. Zustimmung erhielt er entgegen seiner eigenen Skepsis, dies seinen Gästen anzubieten, von seinen Kollegen. „Wir haben auch eine Metzgerei. Ich kann die vollständige Nutzung gut verstehen und finde sie sehr gelungen“, so JRE-Kollege Christian Fleischmann („Landhotel Weißes Roß“, Illschwang).
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