Spitzenkoch Roland Trettl schimpft über Restaurantführer
Spitzenkoch Roland Trettl bezeichnet sich selbst als einen „Gegner von diesen ganzen Restaurantführern“. Diese lägen für ihn seit Jahren in einem Dornröschenschlaf, und die Gastronomie ließe sich von ihnen einschränken, weil sie alle genau in das Raster passen wollten, um sich auch ja alle Sterne, Punkte, Hauben an die Tür kleben zu können“, betont der 45-Jährige gegenüber der „Neuen Osnabrücker Zeitung“.
Es könne viel mehr wirklich gute Restaurants geben, wenn Restaurantführer wie Michelin und Gault-Millau ein wenig mit der Zeit gingen, monierte der Südtiroler. „Aber sie tun es nicht, es sind unfassbare Schlafmützen.“ Ein in seinen Augen gutes modernes Restaurant beschrieb Trettl als „lässig, die Gäste sind mit mir auf einer gewissen Augenhöhe, ich kann in Jeans und mit coolen Sneakers rumrennen – die Gäste auch. Und es ist absolut wurscht, ob ich den Teller von links oder rechts serviere. Wenn ich richtig charmant bin, dann kann ich dem Gast sogar noch den Wein über der Hose leeren, und er wird mir nicht böse sein.“
Umgang mit Kindern in der Gastronomie nervt ihn
Ihm persönlich sei es „scheißegal, ob ein Drei-Sterne-Koch mehr oder weniger in Deutschland unterwegs sei“, sagt Trettl weiter: „Das berührt mich wirklich überhaupt nicht mehr. Es langweilt mich. Das Ganze ist eh so inflationär geworden, dass ich es nicht ernst nehmen kann.“
Auch der Umgang vieler Restaurants mit den jüngsten Gästen missfällt dem Koch, der mittlerweile auch als Juror in Kochshows, Buchautor, Kritiker und Coach arbeitet: „Die kulinarische Neugierde der Kinder wird von vielen Eltern und Gastronomen kaputtgemacht.“ Häufig müsse er sagen: „Verschwinde mit deiner blöden Kinderkarte. Warum soll mein Kind ein Micky-Maus-Schnitzel bestellen? Glaubt ihr, das bekommen sie daheim auch? Nein.“
Kulinarisches Bewusstsein ändere sich ins Positive
Andererseits beobachtet Trettl gerade einen Wandel in der Gesellschaft: „Ich habe das Gefühl, dass sich das Bewusstsein der Menschen, was das Essen anbelangt, verändert und ins Positive geht. Es ist wichtig, dass Lebensmittel respektiert werden, dass man sich Gedanken über das macht, was man auf den Teller bringt und isst. Ich denke, da wächst gerade bei immer mehr Menschen ein Bewusstsein.“
Essen sei auch immer eine Frage des Stellenwertes, betonte der 45-Jährige: „Das neueste Handy, das neueste Auto – das hat jeder. Was soll auch sonst der Nachbar denken? Neue Schuhe – auch wenn schon zehn Paar im Schrank liegen, alles wichtig. Und dann: Oh, es bleibt nur noch wenig Geld über, da müssen wir dann wohl beim Essen sparen. Stattdessen sollte man beim Essen anfangen.“ (Neue Osnabrücker Zeitung / FL)