Praxiseinblicke

Foodwaste verhindern – Kosten sparen

Marion und Stefan Gerhardt für Netzwerk Culinaria (Foto: © Netwerk Culinaria)
Marion und Stefan Gerhardt, langjährige Leiter von Schulmensen, empfehlen einen ganzheitlichen Ansatz, um Foodwaste zu senken. Sinnvoll in einer Frischküche vor allem just-in-time Nachproduktionen in kleinen Mengen. (Foto: © Netwerk Culinaria)
Modell-Analysen zeigen, dass mit jeder verkauften Mahlzeit in Großküchen Speiseabfälle im Wert von rund 40 Cent in die Tonne wandern. Ein massiver Teil davon wäre vermeidbar. Das stellen die Experten vom Netzwerk Culinaria unter Beweis.
Freitag, 23.02.2024, 14:07 Uhr, Autor: Christine Hintersdorf

Den CO2-Fußabdruck um mehr als 50 Prozent verringern oder auch Abfallkosten von rund 4 Euro je Kilogramm Abfall deutlich senken – es gibt viele gute Gründe und noch mehr Ansätze für ein aktives Management von Foodwaste.

„In der Praxis tun sich jedoch oft Hürden auf, die sich nicht so einfach aus dem Weg räumen lassen“, berichtet Eva Gelhausen, Pressesprecherin Netzwerk Culinaria. Als Beispiel führt sie Caterer an. Diese sind häufig vertraglich verpflichtet, den Gästen bis kurz vor Schluss die komplette Vielfalt in der Ausgabe zu präsentieren, damit wären Überproduktionen oft vorprogrammiert, die am Ende der Ausgabezeit aus hygienischen Gründen zu verwerfen sind.  

Vieles an guten Tipps lässt sich nicht überall 1:1 umsetzen. „Aber es ist schon allein aus wirtschaftlichen Gründen geboten, individuell für seine Küche zu prüfen, was klappt“, berichtet Küchenmeister Stefan Gerhardt, viele Jahre Leiter von Großküchen.

Schulküchen haben kritische Kundschaft

Der Berater hat etwa in der gemeinsam mit Ehefrau Marion geführten Mensa der IGS in Braunschweig Foodwaste auf nahezu Null gesenkt. Und das, obwohl die Schulverpflegung eine kritische Klientel bewirtet. Er berichtet: „Ab der 8. Klasse wollen Schülerinnen und Schüler nicht vorbestellen, von den 720 täglichen Gästen waren daher bis zu 300 ad hoc-Esser.“ Außerdem würden die Jüngeren manche Lebensmittel, die serviert werden, gar nicht mehr kennen.

Die Schulverpflegung kämpft daher generell mit Überproduktionen und Tellerresten – rund 60 Gramm Abfall wandern je Mahlzeit in der Schulverpflegung in die Tonne.

Mit Technik und Planung zum Ziel

Um das zu minimieren, setzte das Team um Stefan Gerhardt auf ein Bündel an Maßnahmen. So wurde konsequent auf eine chargenweise Produktion mit dafür geeigneten Rezepturen und Techniken umgestellt. Damit lassen sich Beilagen wie Gemüse in wenigen Minuten nachproduzieren, komplette Gerichte wie eine Bolognese mit roten Linsen gelingen dank Highspeedgaren in 15 bis 20 Minuten.

Eine solche chargenweise Nachproduktion ist für Frischküchen mit der wirkungsvollste Hebel, um Überproduktionen zu vermeiden, ist sich Gerhardt sicher. Eine weitere Möglichkeit ist, dass die geschulten Ausgabekräfte im ersten Step kleinere Portionen nach Kellenplan servieren. Auf Wunsch wird ein Nachschlag angeboten.

Eine ungewöhnliche, aber offenbar hilfreiche Maßnahme erläutert Marion Gerhardt: „Jüngere Schüler bis etwa 12 Jahre bewirten wir nach und nach in Vierergruppen an der Ausgabe, um Ruhe für ein Gespräch und die richtige Auswahl zu haben.“ Das kostet Zeit, aber die Erfahrung gibt ihnen recht: „Die jüngeren Gäste essen das, was sie sich selbst aussuchen dürfen.“

Schüler dürfen Wünsche äußern

Wichtig sei zudem ein guter Austausch mit allen, um möglichst viele zu einer Teilnahme am Mittagessen zu motivieren, zugleich eine wirtschaftliche Basis ohne unnötige Warenverluste zu erzielen. „In den regelmäßigen Tutorenstunden zu Fragen und Wünschen rund um die Schule können unsere jungen Gäste immer Wünsche zum Mittagessen an uns richten.“

Verglichen mit herkömmlichen Mengen an Speiseabfällen in der Schulverpflegung sparten sie so monatlich zwischen 3.000 und 4.000 Euro an Lebensmittelkosten, bei ca. 720 täglichen Essensteilnehmern und einem Wareneinsatz von rund 1,60 € je Mahlzeit.

KI gegen Foodwaste

Betriebsrestaurants haben aufgrund größerer Portionen von meist 500 Gramm mit über 100 Gramm Speiseabfällen je Mahlzeit noch mehr Einsparpotenzial – in der Spitze weisen manche sogar um die 55 Prozent Warenverluste aus.

„Manche Betriebsgastronomien kochen vorbildlich nach dem Nose to tail-Prinzip – alles wird genutzt, bis hin zu den Knochen für eigene Saucen“, so Eva Gelhausen. Doch bei SB-Angeboten im Free Flow sei die Produktionsplanung stets die Herausforderung: „Neben einer chargenweisen Nachproduktion unterstützt heute KI mit am wirksamsten.“ Beispielsweise lassen sich mit Digital-Tools Überproduktionen bis zu 30 Prozent mindern.

Eine weitere Beobachtung von Gelhausen ist, dass bei All you can eat-Angeboten in Betriebsrestaurants oft Berge an Geschirr und Essen zurückkommen. Gemeinschaftsverpflegung und pauschale Preise bei SB – davon rät sie daher ab. 

Eine weitere Empfehlung der Fachplanerin ist, dass das Küchenteam mittags ab einer gewissen Ausgabezeit lieber öfter und nur wenig nachbestücken sollte. Sie verweist darauf, dass Speisen, die in der Küche bleiben, nicht weggeworfen werden müssen.

Campusgastronomien sind eine große Herausforderung

Speisereste sind bei den Größenordnungen von Campusgastronomien eine echte wirtschaftliche Hausnummer. So kommen allein beim Studierendenwerk Düsseldorf, mit rund 1,6 Millionen Essen pro Jahr und damit rund 120 Gramm Speiseresten je Mittagsmahlzeit, jährlich rund 192 Tonnen Nassmüll zusammen.

Die Abfallkosten betragen laut einer Analyse von United against Waste um die 4 Euro je Kilogramm Abfall, ergäbe damit rund 770.000 Euro Kosten pro Jahr.

Foodwaste lässt sich in Energie umwandeln

In Foodwaste steckt viel nutzbare Energie. Mit 192 Tonnen Nassmüll ließen sich knapp 60.000 kWh Strom gewinnen - vorausgesetzt, die Speisereste werden nicht verbrannt oder kompostiert, sondern in einer Biogasanlage vergärt.

Alles das war für Stephan Bruns, Leiter der Campusgastronomie in Düsseldorf, Anlass zum Handeln. „Nassmüll kostet uns Geld, ist ein wertvoller Energielieferant und war für unser Personal eine immense Arbeitsbelastung.“

Allein in der Zentralmensa am Campus der Heinrich-Heine-Universität wurden dreimal pro Woche zehn Abfalltonnen à 120 Liter Speisereste abgeholt. Heute managed in der Zentralmensa diesen Entsorgungsprozess quasi im Alleingang eine Vakuum-Absauganlage. Auch die Abholungskosten sanken um mehr als die Hälfte. Bruns berichtet: „Unsere Speisereste in der Zentralmensa werden nun in einer Biogasanlage in Energie umgewandelt – die Art der Aufbereitung macht es möglich.“

Um den Anteil an Speiseresten insgesamt zu senken, überprüfen die Düsseldorfer regelmäßig ihre Abfallmengen und die Produktionsplanung. „Wir haben im ersten Step die Anteile an Küchenabfällen, Überproduktionen und den Tellerresten unter die Lupe genommen.“

Lagerverluste kommen so gut wie gar nicht vor, denn dank eines Warenwirtschaftsprogramms hat man das MHD stets im Blick. Ein wesentlicher Baustein, um Überproduktionen zu vermeiden, sind neben kleinen Chargen sowie flachen GN-Schalen in der Ausgabe ein angepasstes Angebot vor Ausgabeschluss.

Der Weg ist für die Düsseldorfer aber noch nicht zu Ende: „Wir haben in der Branche gerade viel vor der Brust, aber Speisereste weiter zu minimieren, macht richtig Sinn.“ 

(Netzwerk Culinaria/CHHI)

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