Wie Lachgas die Spitzenküche polarisiert
Alle, die mit Molekularküche zu tun haben, wissen, dass hier hohe Kochkunst, praktische Chemie und versiertes Handwerksgeschick ineinandergreifen. Während in herkömmlichen Bewirtungsbetrieben die Zutaten nahezu unverändert und mehr oder weniger erkennbar angerichtet werden, wird in der Molekulargastronomie der Teller des Gastes in eine bunte Landschaft aus Schäumen, Gelees, Perlen und Kügelchen verwandelt. Neben zahlreichen Zutaten aus der Lebensmittelindustrie wie Agar Agar, Carragen oder Xanthan nutzt die Molekularküche dazu technische Laborgeräte wie Wasserbäder, Vakuumpumpen oder Schaum-Siphons, um den Speisen völlig neue Strukturen, Formen und Texturen zu verleihen. Unter anderem kommt hier auch Distickstoffmonoxid, ein Narkosemittel aus der Zahnheilkunde, zum Einsatz – besser bekannt als Lachgas. Mit dieser Substanz lassen sich beispielsweise schön anzuschauende Schäume oder sogenannte „Ballons“ kreieren. Doch was auf den ersten Blick spannend klingen mag, polarisiert mittlerweile sowohl die Spitzenköche als auch die Verbraucher.
„Die Qualität der Lebensmittel wird nicht beeinflusst“
Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) sieht im Einsatz von Lachgas & Co. offensichtlich weniger Probleme, denn von dessen Seiten heißt es in einem Statement: „Gesundheitliche Schäden sind bei einem gelegentlichen Ausflug in die Molekularküche nicht zu befürchten.“ Mit ähnlichen Worten spricht sich in der BILD-Zeitung Andrea Lambeck von der „Centralen Marketing-Gesellschaft der deutschen Agrarwirtschaft“ (CMA) aus: „In der Lebensmittelindustrie sind die Methoden längst gängig. Jetzt sind sie so ausgereift, dass sie in der Küche eingesetzt werden können.“ Der hessische Chefkoch Juan Amador ergänzt: „Die Qualität der Lebensmittel wird nicht beeinflusst, der Nährwert bleibt der gleiche. Die Grundprodukte müssen allerdings frisch sein.“
Toques d’Or bekennt sich öffentlich zum Verzicht auf Lachgas
Doch immer häufiger wenden sich Köche gegen den Einsatz von derartigen Substanzen. Abgesehen davon, dass Lachgas rund 300 mal klimaschädlicher sein soll als der Umweltkiller Kohlendioxid, gibt es auch andere Bedenken. So etwa sieht der Chefredakteur des Restaurantführers „Gault Millau“ Manfred Kohnke den Einsatz von Molekular-Chemikalien in der Spitzenküche sehr viel skeptischer und in der Zeitung „Die Welt“ wendet er sich unter anderem gegen die übermäßige Verwendung von Methylzellulose und Xanthan: „Das wird für Tapetenkleister verwendet und macht Ketchup dickflüssig. Muss ein Spitzenkoch damit Radieschensaft zu rosa Ravioli formen?“ Ganz klar gegen den Einsatz von Lachgas in der Spitzenküche hat sich dieser Tage Toques d’Or ausgesprochen, eine Vereinigung, die sich auf breiter Ebene für den Schutz, die Erhaltung und die Förderung von Lebensmitteln von Qualität und Herkunft einsetzt: „Toques d’Or International ist der Auffassung, dass ein Narkosegas weder etwas in der Küche noch auf den Tellern der Gäste zu tun haben soll, sondern nur von Anästhesisten verwendet werden kann. Gewisse Unterschiede zwischen den Lebensbereichen sollten ja doch gewahrt bleiben – die Naturbewahrung und der damit verbundene Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen!“