Alte Gemüsesorten! Der neue Trend zum Alten
Immer mehr Küchen-Profis setzen auf die altmodischen Aromen von Pastinake, Steckrübe & Co. Kein Wunder, denn die alten Gemüse-Stars lassen sich hervorragend verarbeiten – und zwar zu hochwertigen, sehr modernen Gerichten, die sich gut einpreisen lassen.
Kennen Sie die „Ostpreußische Ananas“? Ihre Eltern und Großeltern bestimmt. Es ist die Steckrübe, mittlerweile wortwörtlich in aller Munde und sehr angesagt. In den Mangeljahren nach beiden Weltkriegen musste sie allerdings als Grundnahrungsmittel herhalten und bekam deshalb den hochgejazzten Namen. Geholfen hat’s nix, sie blieb verhasst, wurde stundenlang gekocht und schmeckte immer noch nach abgestandenem Kohl mit einem Hauch Tennissocke. Ganz falsch.
Pastinaken schmecken auch im Kuchen
In der neuen Gemüseküche wird sie kurz gegart oder geschmort, pikant mit Würzöl und -essig abgeschmeckt und ist eine kleine Delikatesse. Ähnlich erging’ s der Pastinake, im Volksmund Hammelmöhre genannt, weil man sie früher den Nutztieren überließ. Jetzt wissen wir: Pastinaken schmecken sogar im Kuchen (sie werden nach längerer Lagerung süß). Dass es Tausende von Tomatensorten gibt und die alten Sorten weniger tomatenrot als hellblau, violett und hellgelb daherkommen, ist ebenfalls Wissen, das irgendwie abhandengekommen war. Und Knollenziest war gleich ganz in Vergessenheit geraten. Doch vor einigen Jahren gab’s die große Wende.
Überraschung für Gaumen und Auge
Regionales existierte natürlich immer in der Gastronomie. Für Filder-Spitzkraut, Alblinsen, Bonner Maiwirsing und Bamberger Hornla macht sich seit langem auch Slowfood e. V. stark. Und wenn ein Gastronom die auf der Speisekarte hatte, konnte er interessierte Gäste erwarten. Doch erst mit der Wiederentdeckung der schnöden Roten Bete entwickelte sich ein Trend hin zu alten Sorten allgemein. Die Bete wird in der neuen Küche längst nicht mehr in Essig eingelegt und mit Kümmel gewürzt, sondern beispielsweise roh als Salat mit Orangenfilets und Ziegenkäse serviert. Besonders beeindruckend gelingt das mit Chioggia-Bete. Außen ist sie entweder rot, orange oder gelb, innen lustig weiß geringelt. Ein echter Tellerschmücker also, mit dem sich überdies ein spannendes Aromenspiel lostreten lässt.
Darüber lässt sich mit Gästen reden
Zu guter Letzt kann der Küchen-Profi mit Fachwissen zu „Altem Gemüse“ auch bei den Gästen glänzen – beispielsweise, wenn es um die lilafarbene Urmöhre geht oder um wilde Radieschen. Tatsächlich lässt sich über alte Sorten und deren farbliche und aromatische Vielfalt viel erzählen: Das ist gut für den Gastronomen, der dann mittels „Storytelling“ seine Kreationen aus Pastinake, Steckrübe & Co. noch besser an den Gast bringen kann.
Text: Gabriele Gugetzer, Foto: Getty-Images