Fischstäbchen aus dem Labor
„Wir entnehmen aus dem Gewebe lebender Forellen oder Lachse Stammzellen und lassen sie in einer Nährlösung unter anderem zu Muskelzellen heranreifen“, sagt Hans-Georg Höllerer, Vizepräsident von Bluu Seafood. Die würden anschließend in einem Bioreaktor auf einem Gerüst aus Kollagen oder Polysacchariden verankert. „Dadurch entsteht eine Struktur aus Muskelfasern, die mit pflanzlichen Proteinen angereichert und zu Fischbällchen oder Fischstäbchen geformt werden kann“, sagt Höllerer.
Die Zellen dafür werden nach Unternehmensangaben durch eine Biopsie, also eine Gewebeentnahme von lebenden oder frisch geschlachteten Fischen, gewonnen. „Das ist ein einmaliger Vorgang“, betont Höllerer. „Da wir eine sogenannte immortalisierte (unsterbliche) Zelllinie kreieren, können die Zellen unbegrenzt wachsen und sich teilen. So können wir eine beliebige Menge an Produkten herstellen, ohne neue Fische töten zu müssen“, erläutert er. Außerdem sei der kultivierte Fisch im Gegensatz zu Wildfängen oder Fisch aus Fischfarmen frei von Mikroplastik, Medikamenten oder Schwermetallen.
Noch Optimierungsbedarf
Nach Angaben von Hans-Georg Höllerer hätten die Produkte bereits Marktreife erreicht, jetzt gingen sie in das Zulassungsverfahren.
Derzeit wird laut Sebastian Rakers, Gründer und Geschäftsführer von Bluu Seafood, noch im Labormaßstab produziert. „Doch wir wollen voraussichtlich Ende 2022 in Hamburg eine Produktionsstätte errichten, in der pro Monat mehrere Hundert Kilogramm Biomasse kultiviert werden können“, sagt er.
Darüber hinaus werde aktuell noch an der Optimierung der Prozesse gearbeitet, um die Produktionskosten zu senken. „Im Moment kostet die Herstellung von einem Kilogramm Biomasse noch etwa 100 Euro, rund die Hälfte davon entfällt auf die Wachstumslösung für die Zellen“, sagt Rakers. „Diese Kosten wollen wir in den nächsten fünf Jahren auf etwa einen Euro je Kilo senken.“
Mit der Zulassung und Markteinführung erster Produkte rechnet das Unternehmen ab 2023. Das werde voraussichtlich als erstes in Singapur der Fall sein, weil der Zulassungsprozess dort bereits am weitesten ausdefiniert sei, sagt Höllerer. „Darüber hinaus werden wir die Zulassung auch in den USA, in Großbritannien und der EU beantragen“, sagt er. Auch andere Unternehmen, etwa in den USA oder Asien, arbeiten an der Entwicklung zellbasierter Fisch- und Meeresfrucht-Produkte.