Most! Erst Retro, dann Lifestyle?
Dem Retro-Trend sei Dank, erlebt er im benachbarten Österreich jedoch gerade eine Metamorphose zum edlen Kultgetränk.
Die Chancen, dass der Trend zu uns herüberschwappt, stehen nicht schlecht. Schließlich ist der traditionelle Most-Trinkspruch „G’sundheit – sollst leben“ aufgrund seiner Inhaltsstoffe kein leeres Wort.
Auch in Deutschland war er mal eine große Nummer: Der Most war lange Zeit der klassische Haustrunk auf vielen Bauernhöfen in Bayern und Baden-Württemberg. Leicht und billig herzustellen, löschte er den Durst von Familienmitgliedern, Mägden und Knechten. Die Industrialisierung dünnte die Bauernhöfe aus, dazu kam der Siegeszug des Bieres: Haltbar und spottbillig in der Erzeugung, verdrängte es den Most, der nun ein Dasein als Arme-Leute-Getränk fristen musste. Allerdings nur hierzulande.
Qualitätsschub schürte den Trend
Schon in den Neunzigern des letzten Jahrhunderts zeigten nämlich engagierte Bauern in Österreich, „wo der Bartl den Most herholt“: Sie sorgten mit einem guten Marketing für einen ordentlichen Qualitätsschub. Heute hat Most in der Alpenrepublik dieselbe Bedeutung wie Weißwein, und eine 0,7-Liter-Flasche kostet schon einmal bis zu neun Euro. Außerdem hat sich, als Folge des Trends, die Mostfamilie stark vergrößert: Zum traditionellen Mischmost sind Schaumweine, Jungmost, sortenreine Qualitätsmoste und als letzter Hit die leichten Cider und Apfelfrizzante dazugekommen. Leicht und spritzig, sind sie die perfekten Einstiegsgetränke für Mostneulinge.
Die Leichtigkeit des Seins
Vielleicht war es der geringe Prozentsatz an Alkohol, vielleicht waren es die innovativen Bauern, die dem Most zum Revival verhalfen. Immerhin ist der hellgelbe bis bernsteinfarbene Most mit vier bis acht Volumprozent Alkohol und knapp 500 Kalorien pro Liter ein alkoholisches Leichtgewicht. Im Vergleich dazu hat das Bier etwa fünf Volumprozent Alkohol und der Wein sogar rund zwölf. Zudem kann er fast als Gesundheitsgetränk durchgehen: Reich an Vitamin C, Kalium, Kalzium und Magnesium, kann er die Cholesterinwerte senken und hilft der Verdauung auf die Sprünge.
Für Most-Neulinge
Nach der Pressung verbringt der Birnen- oder Apfelsaft vier bis acht Wochen in Gärbehältern, dann wird in Flaschen abgefüllt. Manche Mostproduzenten lassen den Saft bis zu acht Monate für einen schweren Most reifen. Wer im Mostkeller von heute Holzpressen und Holzfässer sucht, wird selten fündig. Denn ähnlich wie Weinkeller sind auch die Mostkeller mit moderner Kellertechnologie ausgestattet. Glänzende Stahltanks und fast klinische Sauberkeit sollen Bakterien keine Chance geben. Die Abfüllung erfolgt wie beim Wein mit mobilen Füllanlagen. Die moderne Mostproduktion ähnelt jener von Weißwein; Plastik- oder Edelstahlfässer sowie Mostpumpen dominieren die Keller.
Der frisch gepresste und unvergorene Apfel-und Birnensaft wird überall unter dem Begriff „Süßmost“ ausgeschenkt.
Text: Petra Pachler, Foto: Getty-Images