Premium-Biere
Hopfen und Malz sind nicht verloren!
Allen Unkenrufen zum Trotz fällt Brauereien immer wieder etwas Neues ein. Zum Beispiel Edelbiere. »Brauereien sind zunehmend bestrebt, ihre Qualität und Vielfalt an den Verbraucher zu kommunizieren«, sagt Dr. Linda Hasselmann, Director Corporate Communications bei Carlsberg Deutschland. Sebastian Priller-Riegele von der Riegele Brauerei bringt das neue Selbstbewusstsein in Sachen Bier auf den Punkt: »Bier ist der neue Wein.«
Flüssiger Luxus für den Gaumen
Mittlerweile manifestiert sich der Imagewandel des Getränkeklassikers in unzähligen Begriffen wie Craft-, Edel-, Premium-, Spezial- und Gourmet-Bier. »Die Vielfalt der Bierstile war schon immer da, sie wird derzeit nur wieder neu entdeckt«, erklärt Dr. Michael Zepf. »Dieser schlummernde Schatz wurde sowohl vonseiten der Konsumenten als auch vonseiten der Brauer viel zu lange übersehen.« Der Bier-Doktor leitet die Genussakademie bei Doemens, wo man unter anderem eine Ausbildung zum Braumeister oder zum Biersommelier absolvieren kann: »Durch diese Renaissance der Vielfalt wird auch der Genuss stärker betont.« Spezialbiere sind ein spannender Zusatzmarkt für die Branche – nicht nur für Brauereien, sondern auch für aufgeweckte Gastronomen, die mit der Steigerung der Vielfalt auch den Umsatz steigern wollen.
Größeres Aromenspektrum als Wein
»Spezialbiere sind in ihrem Aromenspektrum noch vielfältiger als Wein«, ist Marc Rauschmann, Braumeister bei der auf Craft-Bier spezialisierten Radeberger-Tochter BraufactuM, überzeugt. Wertige Biere könnten sogar neue Akzente in der Gastronomie setzen: »Zu Bier gestaltet ein kreativer Koch seine Speisen anders als zu Wein. Die Möglichkeiten passender Food- und Bier-Kombinationen sind dabei äußerst vielfältig und bieten echten Genuss für anspruchsvolle Gäste. Insofern hat das Image von Bier in der Gastronomie einen Wandel durchlaufen.«
Die ganze Kunst des Bierbrauens
Doch ist das Image alles, was Gourmet-Biere von Standardbieren unterscheidet? Nein, das wäre ja, als würde man alten Wein – pardon: altes Bier – in neuen Schläuchen anbieten. Der Premium-Anspruch beginnt bereits bei der Herstellung. »Hier kommen unterschiedlichste handwerkliche Brautechniken zur Anwendung, die im Massenmarkt nicht oder nicht mehr üblich sind«, erklärt Dr. Zepf von Doemens.
Holzfassausbau oder spezielle Techniken, wie den Hopfen im Kaltbereich zu verwenden, mehrere Gärungen usw. Auch seltene Aromahopfen, unterschiedlichste Hefen und teure Spezialmalze werden eingesetzt. »Es gibt über 60 Malzsorten«, so der Getränke-Experte. »In Spezialbieren finden sich ausgewählte Mischungen von fünf bis zehn unterschiedlichen Malzsorten.«
Wie Parfümeure legen die Brauereien entsprechend viel Wert auf die Entwicklung der Rezepturen für diese besonderen Mischungen. Marc Rauschmann von BraufactuM erklärt den besonderen Aufwand am Beispiel der Craft-Biere: »Der Brauprozess umfasst insgesamt zwölf Schritte. Er reicht von der Auswahl bester Zutaten über Mälzen, Maischen, Läutern, Würzekochen, Hefegabe und Gären bis hin zum Lagern und Abfüllen des fertigen Bieres. Das sind ein Dutzend Schritte für kreative Brauer, ihr Handwerk mit viel Leidenschaft, Kreativität und Experimentierfreude neu zu interpretieren.«
Bier mit Charakter
»Unsere Edelbiere haben wesentlich mehr Charakter als ein herkömmliches Bier«, findet Jeff Maisel, Inhaber der Brauerei Maisel. Mit der Linie »Maisel & Friends« ist die Brauerei im Segment der Edelbiere vertreten. »Das spiegelt sich in der geschmacklichen Komplexität und auch in einem höheren Alkoholgehalt wider. Deswegen sind diese Biere in erster Linie nicht zum Durstlöschen gedacht. Sie wurden für die besonderen Genussmomente gebraut und bieten Geschmackserlebnisse, wie man sie bisher eher von Wein oder Cognac kennt.«
Die angewandten Techniken der Edel- und Spezialbiere weichen nicht nur von der Norm ab, sie sind auch meist teurer und aufwendiger als in der Massenproduktion. Entsprechend kleiner sind auch die Stückzahlen, was Gourmet-Bieren die Wertigkeit einer limitierten Auflage verleiht. Im extremsten Fall ist das Produkt nicht nur selten, sondern einmalig. Ein einmaliger Sud ist unwiederbringlich. Auch Produkte mit einer Jahrgangsangabe verkörpern Einmaligkeit. Saisonale Biere, die auf die Jahreszeitabgestimmt sind, strahlen ebenso den Reiz des Besonderen aus. Carlsberg zum Beispiel bringt mit seiner Edelmarke Duckstein eine Frühlings-, Sommer- und eine Herbst-Novität. Der wahre Superlativ unter den Superpremium-Bieren allerdings ist die »Vintage«-Reihe der Carlsberg-Tochter Jacobsen: mit rund 275 Euro für eine Flasche eher Sammlerstück als Durstlöscher.
Man liebt sie oder hasst sie …
Den Unterschied zwischen einem Gourmet-Bier und einem altbekannten Klassiker erkennt man teils schon auf den ersten Blick. Die Flaschengrößen und –formen unterscheiden sich. Beispielsweise gibt es Gourmet-Biere, die aufgrund ihrer Flaschengärung in champagnerartigen Flaschen serviert werden. Auch am Geschmack lässt sich ein echtes Edelbier ausmachen.
Das Gros der konsumierten Biere wird bewusst relativ neutral gehalten, um von der breiten Masse angenommen zu werden. Bei Edelbieren dagegen ist Experimentierfreude, Kreativität und der Mut zum Charisma angesagt. Das Ergebnis kann für den Gast vom Gewohnten und Erwarteten weit entfernt sein. Ein Wagnis, das Braumeister wie Markus Lohner, Betreiber der Privatbrauerei und Brauereigaststätte Camba Bavaria im bayerischen Truchtlaching, bewusst eingehen: »Wenn man im Spezialbiersektor unterwegs ist, will man gar nicht, dass es jedem schmeckt. Man macht charaktervolle Biere, die in eine bestimmte Richtung gehen. Das ist vergleichbar mit Käsesorten: Wirklich charakteristische liebt man, oder man kann sie nicht ausstehen. « Für den Gastronomen ist wichtig zu wissen: Gourmet-Biere können und wollen Bier kein Ersatz für die bewährten Standards sein, sondern ein zusätzliches Angebot für Liebhaber des Besonderen.
Text: Michael Eichhammer
Bildquelle: Getty Images/beats3