Textilhändler locken mit Gastronomie
Was tun gegen die wachsende Online-Konkurrenz? Modehändler in den Innenstädten setzen zunehmend auf eine neue Wunderwaffe: Gastronomie. Egal ob in Düsseldorf, Mannheim, München oder Stuttgart – immer häufiger locken Textilgeschäfte nicht nur mit den neuesten Kollektionen, sondern bieten ihren Kunden gleichzeitig schmackhafte Gerichte und edle Getränke. Ein Modehaus leistet sich sogar ein Zwei-Sterne-Restaurant unter seinem Dach.
„Essen ist in Mode“, urteilte das Fachblatt „Textilwirtschaft“. „Die Gastronomie-Offensive ist eine starke Reaktion auf den Online-Handel. So etwas kann die Konkurrenz aus dem Internet nicht bieten. Es zieht die Leute ins Geschäft“, erklärt der Marketing-Experte Martin Fassnacht von der Wirtschaftshochschule WHU den Trend. Einer der Vorreiter ist die Kette Breuninger, die in ihren Filialen in Düsseldorf und Stuttgart nicht nur Mode präsentiert, sondern auch mit den beiden einzigen Festland-Filialen der Sylter Kultkneipe „Sansibar“ aufwartet. In Düsseldorf reichen zwei Schritte, um von der Damenabteilung im ersten Stock in das Restaurant zu wechseln, wo die Currywurst mit „Sansibar“-Sauce für 12 Euro ebenso zu haben ist wie das halbe Dutzend Sylter-Royal-Austern für 16 Euro oder das 850 Gramm schwere Porterhouse-Steak für 78 Euro.
„Die Gastronomie ist ein unheimlich wichtiger Bestandteil unseres Geschäftsmodells. Sie trägt zur Atmosphäre, zur Aufenthaltsqualität, zum Erleben beim Einkaufen bei“, sagt ein Breuninger-Sprecher zur Restaurant-Strategie der Kette. Noch höher hinaus geht der kulinarische Ehrgeiz im Mannheimer Modehaus Engelhorn. Dessen Gastronomie-Angebot umfasst eine Champagner-Bar sowie diverse Restaurants – und obendrein den Gourmet-Tempel „Opus V“ der inzwischen mit zwei Michelin-Sternen ausgezeichnet ist und bei dem das Neun-Gänge-Menü 180 Euro kostet. Angeboten werden auch Kochkurse oder Küchenparties. „Wir wollen den Menschen gerade wegen des wachsenden E-Commerce Anlässe geben, in die Stadt zu kommen“, erklärt Engelhorn-Miteigentümer Andreas Hilgenstock den Ansatz. Die beste Antwort auf die dramatischen Veränderungen durch den Siegeszug von Amazon und Co. sei es, den Kunden Erlebnisse zu bieten. „Man kann halt nicht essen im Internet, nicht riechen und nicht schmecken.“
Doch nicht nur Modehäuser haben das Thema Gastronomie für sich entdeckt. Auch in den deutschen Einkaufszentren spielt Essen und Trinken eine immer größere Rolle. In den Shopping-Centern des Einkaufszentrum-Betreibers ECE etwa nehmen die Gastronomie-Angebote zunehmend Raum ein. Einer ECE-Studie zufolge stieg der Gastronomie-Umsatz in den Centern innerhalb von fünf Jahren um 54 Prozent. Fast 66 Prozent der Kunden nutzten mittlerweile bei ihrem Besuch die gastronomischen Einrichtungen. Ganz neu ist das Konzept, Mode und Essen zu verbinden, freilich nicht. Viele Warenhäuser boten ihren Kunden schon vor Jahrzehnten Jägerschnitzel und Salate im eigenen Restaurant an. Doch stand dabei häufig gefühlt mehr das Sattwerden im Vordergrund als das Erlebnis.
Ein Allheilmittel für die Probleme des Modehandels sei die Gastronomie aber nicht, mahnt der Geschäftsführer der Handelsberatung BBE, Joachim Stumpf. Denn eine erfolgreiche Umsetzung sei alles andere als einfach. „Rein wirtschaftlich rechnet sich ein Gastronomie-Angebot für den Modehandel in den seltensten Fällen“, meint er. Doch könne es sich bezahlt machen, wenn es dafür sorgt, dass Kunden öfter wiederkommen und mehr einkaufen. Stumpf ist überzeugt: „Die Zahl solcher Angebote wird in Zukunft wahrscheinlich noch steigen.“ (MJ)