La Cuisine française in Deutschland?
Wie der Superstar der europäischen Küchen auch hierzulande gut ankommt
Wann, wenn nicht in den Wochen vor Weihnachten, ist die Zeit für den ganz großen Genuss? Und welches Land, wenn nicht Frankreich, gilt dafür noch immer als Synonym?
Text: Gabriele Gugetzer
Wer die vergnügliche Serie »Kitchen Impossible« mit Tim Mälzer verfolgt hat, wird sich erinnern, wie dieser von einem etwas behäbig wirkenden Westfalen (ohne Tattoos) so richtig vorgeführt wurde. Das war Christian Lohse. Mit dem »Fischers Fritz« in Berlin hält er zwei Sterne, klassische französische Küche bedeutet für ihn »Weltoffenheit, Genuss und Freude pur«. Der Monsieur aus Bad Oeynhausen absolvierte schon die Lehre in seinem Traumland Frankreich, bis ihm die latente Deutschfeindlichkeit vor Ort dann doch mal gehörig auf die Nerven ging.
Old school neu im Trend?
Aber seine Liebe zur französischen Küche ist geblieben. Heute hat er eine sehr eigene Mischung aus klassisch und modern gefunden. Deshalb schrecken ihn die Modewörter vegan, regional, saisonal nicht. Im Gegenteil haben sie für ihn »als Einflüsse bereits lange Bestand«. Christian Lohse beherrscht die richtig elegante Grätsche zwischen klassisch zubereitetem bretonischem Hummer à la presse und japanischem Onsen-Ei und hantiert mit Pomelo, Koriander und Ayran.
Um die 70 Prozent seiner Produkte kann Lohse aus dem Berliner Umland beziehen. Auch deshalb wird’s nie langweilig – Jungköchen sei als Inspiration einfach nur der Blick auf die Speisekarte empfohlen.
Am Rande: Interessanterweise machen sich in der Hauptstadt der Hipster gerade mehrere junge Restaurants mit französischer Küche einen Namen, das »Lamazère«, das »Bandol sûr mèr« und das elsässisch geprägte »Rosa Lisbert« fahren das ganze Programm zwischen Gillardeau-Austern, Gänsestopfleber und Flammkuchen auf.
Gänseleber und glasiertes Eisbein
Ist Frankreich wieder in? Findet Sebastian Prüßmann schon, der Einsterner aus der »Zirbelstube«, einer Stuttgarter Institution. Er hat 40 Champagner auf der Karte und – kleiner Tipp – zwei davon immer im offenen Ausschank, obwohl durchaus hochpreisig. Nur: »Zehn Köche für vier Tische« findet er »nicht mehr zeitgemäß«. Aus seiner Küche heraus wird auch das Bankett fürs Hotel gemacht. Ob Schwäbisches Allerlei, sein aktueller Liebling, der Färöerlachs in Misobeize oder ein Kalbstafelspitz – auf den ersten Blick klingt das alles wenig französisch. Aber Prüßmann hat bei Dieter Müller gelernt, mit verschiedenen Gewürzen und Aromen zu arbeiten, und sieht es nicht so eng. Außerdem erkennt er das Potenzial des Regionalen. Ebenfalls wichtig: Steif soll’s nicht zugehen. So hat der wunderschöne Gastraum ein lässiges Update bekommen, und Prüßmann serviert im Gegensatz zu vielen Sternekollegen auch »sehr gerne« auf der Terrasse.
Das Produkt steht im Mittelpunkt
So beschreibt Boris Kasprik, Geschäftsführer und Küchenchef im »Petit Amour«, seine Kochphilosophie. 13 Tische hat das Restaurant im Hamburger Stadtteil Altona, wo gewaltfreie Pizza und linksalternatives Gyros regieren. Aber der 31-jährige Hamburger Jung, der im »De Karmeliet« in Brügge und im Ducasse-Tempel »Jules Verne« in Paris gearbeitet hat, setzt einen Kontrapunkt, der ein Jahr nach der Gründung gut und gerne im ersten Stern resultieren könnte.
Sein Credo: Das Beste ist automatisch saisonal, aber längst nicht regional. So kommt sein Wild zwar aus Norddeutschland, der Steinbutt aber aus der Vendée, wo Gezeiten und Nährstoffe daraus unvergleichliche Qualität machen.
Wenige Zutaten zieren seine Teller: eine Felsenbarbe wirkt mit Wildfenchel und konfierter Amalfi-Zitrone ebenso schön und schnörkellos wie schlüssig auf dem Teller. Der Tupfen- und Tröpfelwahn vieler Kollegen wird geflissentlich wegignoriert. Pipettenkleckse Fehlanzeige.
Bistronomie: lässig aus der Hand
Auch Michael Hüsken vom »Sophia’s« im Rocco Forte Hotel München kleckert nicht durch die Gegend, arbeitet stattdessen mit hoher Qualität und Slow Food. Die französische Küche bilde für viele seiner Gerichte die Basis. »Das Schöne an unserer Zeit«, findet er, »ist, dass man offener sein kann und dies von den Gästen (internationale Hotelgäste und schickes Münchner Publikum, Anm. der Autorin) auch gewünscht ist. Man kann seine Kreativität ausleben und sich von anderen Küchenstilen inspirieren lassen.« Dazu gehört für ihn auch die ganz bewusste Verwendung des ganzen Tiers. »Nicht nur Lammhaxe, auch Schulter oder Nacken«, erzählt er, »und vom Maishähnchen gibt’s die knusprige Brust, aus den Schlegeln Süßkartoffelgnocchi mit Ragout, aus dem Rest eine Hühnerbouillon mit Wan Tans.«
Baguette … Jeannette … Claudette … so nett (die Älteren kennen den Bläck-Fööss-Song bestimmt noch) … Unterm Strich: Französische Küche ist viel kreativer, als man denkt, und auf jeden Gastgeldbeutel einpreisbar.