Ein Luxushotel als Notlösung
Auf höherem Niveau als im Trofana Royal in Ischgl Urlaub zu machen, ist in Österreich fast unmöglich – und zwar gleich in mehrfacher Hinsicht
von Clemens KriegelsteinIschgl war Anfang der 1990er-Jahre eine typische Tiroler Winterdestination: Ein schneesicheres Skigebiet (Ischgl selbst liegt auf 1.400 Meter Seehöhe, die Pisten gehen fast bis 3.000 Meter hinauf), viele Privatquartiere und Mittelklassehotels und eine gerade beginnende Après-Ski-Industrie. Für die Familie von der Thannen, die Eltern des heutigen Betreibers, Anreiz, in diesem Reigen mit einem eigenen Betrieb mitzumischen. Geplant war damals ein ortstypisches 200-Betten-Haus der 4-Sterne-Kategorie. Dieses Vorhaben erwies sich allerdings als nicht kompatibel, sowohl mit damaligen Raumplanungsverordnungen als auch mit den Finanzierungsmöglichkeiten. Genehmigt wurden auf der damaligen Liegenschaft schließlich lediglich 100 Betten.
Für die Familie von der Thannen kein Problem, man machte einfach aus der Not eine Tugend, verdoppelte die Größe der Zimmer und peilte die 5-Sterne-Kategorie an. Und weil halbe Sachen einem Tiroler Unternehmer nicht gut zu Gesicht stehen, holte man zur Eröffnung des Trofana Royal 1996 mit Martin Sieberer einen aufstrebenden jungen Küchenchef an Bord, der das hauseigene Restaurant »Paznaunerstube« in kürzester Zeit und bis heute zu einem der besten und höchstdekorierten Restaurants Österreichs gemacht hat.
Mehr Betten für Mitarbeiter als für Gäste
»Wir hatten damals allerdings schon etwas Bauchweh«, erzählt der aktuelle Chef Alexander von der Thannen. »5-Sterne-Betriebe gab es damals in der ganzen Region bis hin zum Arlberg kaum. Ob so was in Ischgl überleben kann, war alles andere als sicher, und die damaligen Investitionskosten von rund 200 Mio. Schilling (umgerechnet knapp 15 Mio. Euro, Anm. d. Red.) waren auch nicht ohne.« Die geringe Größe des Trofana Royal erwies sich aber letztlich als Glücksgriff, die 98 Betten waren schon in der ersten Saison annähernd zu 100 Prozent ausgelastet, wodurch einem bis heute stetigen Wachstum an Qualität wie Quantität nichts mehr im Wege stand. 1999 stand die erste Erweiterung an, es kamen rund 60 Betten (deren Genehmigung inzwischen kein Problem mehr war) und eine deutlich vergrößerte Wellness-Abteilung hinzu. Weitere Ausbauten folgten, und bald musste auch der ehemalige Mitarbeitertrakt als Gästebereich adaptiert werden. Ergebnis: Für die Mitarbeiter mussten andere Wohnmöglichkeiten geschaffen werden, und inzwischen gibt es vom Trofana Royal in ganz Ischgl fünf (!) Mitarbeiterhäuser auf Top-Niveau mit insgesamt 250 Betten. »Wir haben also mehr Betten für Mitarbeiter als für Gäste«, lacht von der Thannen.
Die meisten Superstars sind erstaunlich pflegeleicht
2009 kam schließlich die bis dato letzte Erweiterung des Hotels auf 220 Betten – was eine neuerliche Vergrößerung des Wellness-Bereiches nötig machte, die dann 2015 erfolgte. 2009 wurde dem Trofana Royal auch als viertem Hotel in Österreich das Prädikat »Superior« zusätzlich zum 5. Stern verliehen. Und auf welches superiore Angebot darf sich der Gast seither freuen? Von der Thannen: »Die Frage bekomme ich öfter gestellt. Manche meinen, das sei ein besonderes All-inclusive-Konzept. Meine Antwort lautet dann immer: ›Bei uns gibt es alles, aber nicht umsonst.‹ Oder um den alten Spruch zu zitieren: ›Gibt’s nicht‹ gibt es nicht. Was sich der Gast wünscht, nicht illegal und irgendwie möglich ist, bekommt er von uns. Und dazu eben einen riesigen, modernen Wellness-Bereich, ein tägliches Halbpensionsmenü der Spitzenklasse etc.«
Im Sommer ist die ganze Welt die Konkurrenz
Nach wie vor ist das Trofana Royal ein klassischer Zwei-Saisons-Betrieb, einmal von Ende November bis Anfang Mai, und dann nochmal von Anfang Juli bis Mitte September, wobei sich das Publikum im Sommer und Winter deutlich unterscheidet. »Im Sommer ist Ischgl deutlich ruhiger, da kommen die Leute, bei denen Wellness, gut essen und sich verwöhnen lassen im Vordergrund steht. Im Winter kommt der klassische Skifahrer zu uns, und auch insgesamt ist da in Ischgl mehr Action«, erklärt von der Thannen. Das Leistungsspektrum des Hotels sei aber natürlich sommers wie winters gleich, auch wenn die Preise »leider« nicht die gleichen seien. »Im Sommer sind wir in Konkurrenz zur ganzen Welt, für einen Winterurlaub gibt es mit überschaubarem Aufwand aber nur die Alpen, was es uns erleichtert, die Preise zu verlangen, die wir gerne hätten.« Aber vor diesem Problem stünden auch ähnlich positionierte Betriebe in anderen Alpendestinationen wie etwa am Arlberg.
Ob ein Ganzjahresbetrieb – man denke an die vielen Feiertage im Frühling oder Aktivurlaube im Herbst – nicht reizvoll sei? Von der Thannen: »Das ist bei uns leider klimatisch bedingt schwierig. Letztes Jahr im Mai hatten wir auf der Idalpe drei Meter Neuschneezuwachs! Das war Ende Juni ein Riesenaufwand, die Wander- und Mountainbike-Wege schneefrei zu bekommen. Und das war keine Ausnahme. Im Frühjahr sind also in der Regel alle Alpenübergänge hier, die man zum Wandern oder Mountainbiken braucht, schneebedeckt. So ähnlich ist es im Herbst, wenn Mitte September mal wieder der erste Schnee fällt. Aber dafür ist Ischgl eben auch in unserer Hauptsaison, im Winter, sehr schneesicher.«
100 Prozent Stammgäste zu Weihnachten
Naturgemäß ist der Anteil an Stammgästen bei dieser Art von Hotel relativ groß – rund um Weihnachten etwa an die 100 Prozent. »Einmal Ischgl, immer Ischgl«, wie es so schön heißt. Trotzdem darf man das Marketing im Haus nicht vergessen. Sehr wichtig ist dabei – wenig überraschend – das Stammgäste-Bonusprogramm. Dadurch erhält man beim Aufenthalt bis zu 20 Prozent Rabatt. Und auch an den sozialen Medien kommt ein Trofana Royal nicht vorbei. Dafür gibt es eine junge Mitarbeiterin, die diese Kanäle professionell betreut. »Nicht zu vernachlässigen ist auch die Mundpropaganda bestehender Gäste für uns«, erklärt von der Thannen.
Eine Art »Stammgäste« sind dabei auch die Stars, die jedes Jahr zum großen Skiopening- oder Closing-Konzert auf der Idalpe auftreten. Von Mariah Carey über Helene Fischer bis zu Robbie Williams steigen die Sänger in der Regel auch im Trofana Royal ab. Und wie exzentrisch geben sich die Superstars dabei? Von der Thannen: »Die meisten sind erstaunlich pflegeleicht. Größere Probleme macht da eher noch das Management im Vorfeld, das sich wichtigmachen möchte.«
Booking.com ist »Gruselkabinett«
Etwas ambivalent ist indes sein Verhältnis zu booking.com & Co.: »Das ist ein Gruselkabinett. Die sind inzwischen so ein Global Player, dass du als einzelner Betrieb nurmehr eine Nummer bist. Und bei den Gästen schürt das die Mentalität von ›Ich buche jetzt mal ein Zimmer und schaue dann, wie das Wetter wird, denn stornieren kann ich ja ohnehin noch drei Tage vor der Anreise‹. Ich löse das Problem halt so, dass ich teilweise auch von booking-Kunden eine Anzahlung verlange, dass ich keine kostenlose Stornierung zulasse und vor allem, dass meine Preise bei booking 15 Prozent höher sind als bei Direktbuchung.«
Sieberer, ein Glückstreffer fürs Haus
Wesentlicher Erfolgsfaktor im Trofana Royal sind klarerweise die Mitarbeiter, allen voran Küchenchef Martin Sieberer (laut von der Thannen »ein Glückstreffer für uns«), der seit inzwischen knapp 25 Jahren für die gesamte Kulinarik des Hauses (s. Bericht auf Seite 2) verantwortlich zeichnet. Aber auch andere Mitarbeiter in wichtigen Positionen halten dem Haus oft schon seit zehn oder 20 Jahren die Treue. Das klingt auf den ersten Blick zwar großartig, kann aber auch zu Problemen führen, wie von der Thannen es ausführt: »Jetzt hast du einen jungen, guten, ehrgeizigen Mitarbeiter, der gerne Küchenchef oder Restaurantleiter werden möchte, und du musst ihm absagen, weil die Position eben seit Langem gut besetzt ist. Solche Mitarbeiter verliert man dann natürlich.« Aber insgesamt sei man personaltechnisch recht zufriedenstellend aufgestellt, auch wenn gute Leute prinzipiell immer willkommen seien.
Neben den schon erwähnten Mitarbeiterquartieren auf höchstem Niveau seien es vor allem diverse Mitarbeiter-Incentives oder die Ischgl Crew Card mit zahlreichen Vergünstigungen und Fortbildungsmöglichkeiten, die hier im Ort für ein attraktives Arbeitsumfeld sorgten.