Wir fragen uns: Will die Politik das?
Nachgefragt bei Jürgen Gangl
von Karoline Giokas„7 statt 19 Prozent“ – das drohende Auslaufen der Mehrwertsteuer-Entlastung auf Speisen in der Gastronomie hat für einen großen Aufschrei in der Branche gesorgt. Auch Sie haben daran bereits scharfe Kritik geübt.
Die Zusagen der Ampelkoalition, die während der Corona-Pandemie eingeführte Hilfe für die Gastronomie fortzuführen, erweisen sich einmal mehr als leere Versprechen. Die schwierige Lage, in der sich die Gastwelt nach wie vor befindet, findet keine Beachtung. Unsere Volksvertreterinnen und Volksvertreter in Berlin haben, ohne in die Diskussion zu gehen, ohne umfassende Kenntnisse der Sachlage, ohne Pro und Kontra abzuwägen und sich eine endgültige, ausgewogene Meinung zu bilden, dieses brennende Thema auf Eis gelegt.
Die Erhöhung des Mehrwertsteuersatzes auf 19 Prozent wird weitere Insolvenzen nach sich ziehen. Es werden Arbeitsplätze in der Gastronomie und in der Zulieferbranche verloren gehen und damit Kosten provoziert, die letztendlich vom Steuerzahler getragen werden. Die Preissteigerung wird an den Endkunden weitergegeben werden müssen, damit wird ein Restaurantbesuch zum Luxus. Wir sind mit der hohen Preissensibilität unserer Gäste täglich konfrontiert. Letztendlich wird die Inflation durch die erhöhten Preise auf Speisen befeuert. Da fragen wir uns: Will die Politik das?
Wie nehmen Sie die Reaktionen der HDV-Mitglieder wahr?
Die gesamte Branche ist alarmiert, kritisiert das Vorhaben der Ampel und fordert vollkommen zu Recht eine dauerhafte Senkung des Mehrwertsteuersatzes. Angesichts der hohen Belastungen der Betriebe durch drastisch gestiegene Preise und die Auswirkungen der Inflation liegt es auf der Hand, welche Folgen die Erhöhung haben würde. Für die gastronomischen Betriebe hierzulande ist die Beibehaltung des reduzierten Mehrwertsteuersatzes überlebenswichtig.
Inflation, Fachkräftemangel, Energiekrise – Gastgeber haben heute stetig zu kämpfen. Welche Themen bewegen Ihre Mitglieder und die HDV aktuell außerdem?
Nachhaltigkeit und Künstliche Intelligenz beeinflussen die Hospitality-Branche einschneidend. Nachhaltigkeitsstrategien gewinnen an Bedeutung. Es gibt immer mehr gesetzliche Anforderungen wie etwa das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, das von 2024 an auch von Unternehmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten umgesetzt werden muss.
Nachhaltigkeit in allen Facetten steht auf der Agenda von Hotels, Firmenkunden, Gästen, Mitarbeitern und Zulieferern. Welchen Einfluss KI auf unsere Branche in Zukunft haben wird, wird derzeit heiß diskutiert. Kann KI den Fachkräftemangel abmildern oder operative Abläufe unterstützen?
Die Hauptthemen sind nach wie vor Inflation, Fachkräftemangel und Energiekrise. Trotz der positiven Nachfrageentwicklung ist die Krise nicht vorbei. Die vergangenen drei Jahre haben deutliche Spuren hinterlassen. Wieder zeigt sich, dass die Politik keine Konzepte hat, um den extremen Kostensteigerungen und dem anhaltenden Mitarbeiter- und Nachwuchsmangel entgegenzuwirken. Im Gegenteil: Die Rücknahme der reduzierten Mehrwertsteuer auf Speisen blockiert uns.
Welche Ziele haben Sie sich für die nächsten Monate gesteckt?
Wir haben viel vor. Die HDV steht seit mehr als 40 Jahren für Wandel und Innovation. Vor rund einem Jahr haben wir uns mit Blick auf die Zukunft der HDV einer bemerkenswerten Aufgabe gestellt, die unserem Verband neue Impulse gibt: In einem aufwendigen Prozess, an dem ein Leitbildteam aus HDV-Mitgliedern maßgeblich mitgewirkt hat, wurde unser Leitbild neu gefasst. Das HDV-Leitbild beschreibt das Selbstverständnis und die Grundsätze des Verbandes.
Innovationsteams arbeiten derzeit an Themen wie Außendarstellung, interne Kommunikation, Exzellente Ausbildung oder auch Tagungen und Events. Wesentliche Voraussetzung
für den Erfolg eines Leitbildes ist die Bereitschaft, das Leitbild in die Verbandsarbeit zu integrieren, gemeinsam auf Ziele hinzuarbeiten und dies aktiv nach außen zu kommunizieren. Derzeit wird intensiv an der Umsetzung des Leitbildes gearbeitet. Der Leitbildprozess hat uns aufs Beste vor Augen geführt, wie viel Potenzial unser Verband hat und welche wesentlichen Aufgaben vor uns liegen.
Im November steht die nächste Herbsttagung der HDV in Stuttgart an. Nach dem aufmerksamkeitsstarken Branchentag im Europa-Park sicher kein leichtes Unterfangen, hier wieder ein spannendes Programm auf die Beine zu stellen, oder?
Der Branchentag im Europa-Park in Rust hat erstmals zehn Top-Verbände der Hospitality-Branche gemeinsam auf eine Bühne gebracht. Wir haben Geschlossenheit gezeigt, uns ausgetauscht, voneinander gelernt. Die Herbsttagung in Stuttgart ist eine von zwei HDV-Jahrestagungen. Die HDV-Mitglieder treffen sich zum Netzwerken und zu einem anspruchsvollen Tagungsprogramm. Darüber hinaus verleihen wir hochkarätige Nachwuchspreise.