Einzigartige Dessert-Momente
Das sind die diesjährigen Trends bei süßen Sachen
von Gabriele GugetzerLetztes Jahr standen flexible Dessertkonzepte hoch im Kurs, die auch nach Omas Backstube schmecken durften. Für dieses Jahr schlägt die frisch gekürte Obermeisterin der Konditoren-Innung Hamburg ein Aroma vor, das man klassischerweise nicht schmecken kann. Es ist ein Botenstoff der richtigen Gesinnung. Bettina Schliephake-Burchardt glaubt, dass die Nachhaltigkeit kommt. Und regt an, dass dieses Thema auf den Speisekarten kommuniziert wird. »Im Handwerk wird sehr achtsam mit Rohstoffen umgegangen. Profis beziehen häufig regional, arbeiten saisonal, mit traditionellen Rezepten, nur vermarkten sie es nicht. Für sie ist es vollkommen selbstverständlich.«
Was heißt denn Nachhaltigkeit?
Profis wissen, dass eine gut geführte Gastronomie automatisch auch eine auf Nachhaltigkeit basierende Gastronomie ist, in der alles, was weggeworfen wird, einen finanziellen Verlust darstellt, der zu vermeiden ist. Doch der Gast hat nicht unbedingt dieses Bewusstsein. Ein Blick auf die Kochbuch-Neuerscheinungen des Frühjahrs untermauert diese Problematik – Nachhaltigkeit ist in diesem Frühjahr das große Thema. Auch wenn Sie sich jetzt fragen, wozu man dafür Kochbücher braucht: Das genau ist der Beweis, dass der Gast längst nicht so selbstverständlich an die Nachhaltigkeit herangeht wie Profis.
Für die Gastronomie gilt mit anderen Worten: Tue Gutes und rede unbedingt darüber. Erklären Sie den Gästen im Gespräch oder auf der Speisekarte ausgewiesen, wie nachhaltig Sie sind. Das geht übrigens auch dann, wenn Sie mit Convenience arbeiten. Nachhaltigkeit ist nicht nur in Deutschland angesagt. Helen Sinclair vom Convenience-Produzenten Baker and Baker meint sogar: »Nachhaltigkeit ist nicht mehr optional, sondern ein Muss.« Michael Schofield, Kollege bei Bakels Group, sagt: »Die nächste Welle der gesunden Ernährung wird sich auch daran ausrichten, was gesund für den Planeten ist.«
Selbst bei den World’s 50 Best Middle East and North Africa hört man vergleichbare Töne. Die Emirati Sahar Paham al Awadhi holte bei der allerersten Austragung gerade den Preis als beste Patissière. Seit fünf Jahren arbeitet sie im Burj Al Arab und nimmt für sich »Nachhaltigkeit in der Herangehensweise, Regionalität im Geschmack« in Anspruch. »Wir haben eine No-Waste-Policy, der sich auch das Hotel geöffnet hat«, sagt sie.
Milch und die »planetary health diet«
Der Planet soll gesund werden oder bleiben. Wie das bei der Milch geht, fragte sich die Milchwirtschaft, die ja prädestiniert ist für Desserts und gerne gerade als nicht nachhaltig wahrgenommen wird. Mit Heiko Antoniewicz holte sie sich einen prominenten Koch an Bord, der viele Rezeptideen entwickelt. Hintergrund ist das Umschwenken auf eine vorrangig pflanzliche Ernährung angesichts der stetig wachsenden Weltbevölkerung. Nur so könne man den Planeten retten, ist der Grundgedanke. Damit das nicht zu Unterversorgung führt, hat die Milchindustrie Zahlen aufgeführt. In Vollmilch oder im Calciumgehalt sind in dieser Ernährung mit bis zu 250 g täglich enthalten. Diese Menge liegt unterhalb der von der DGE aktuell vorgegebenen Calcium-Empfehlung von 1.000 Mikrogramm.
Dessertkunst in der Hotellerie
Aber was ist mit Genuss? Und wie bindet man nach der Pandemie Gäste wieder an das Hotel oder eine Hotelkette? 25 Hours hat sich die Bäckerin und Konditorin Melissa Forti geangelt. Die Italienerin überraschte vor einigen Jahren mit einem Backbuch, das sowohl mit traditionellen Zutaten wie gekochtem Getreide als auch einer optisch unaufgeregten Opulenz überzeugte. Tim Mälzer lag ihr zu Füßen, ihr Backbuch wurde selbst in den USA, wo es Ausländer meist schwer haben auf dem Buchmarkt, ein Erfolg, dank der klassischen Rezepturen mit internationalem Dreh. Nun soll sie der europaweit operierenden Hotelkette 25 Hours in ihrer Neueröffnung in Kopenhagen zur Seite stehen. Ganz klar, in dieser Foodie-Metropole schwimmt man entweder mit dem skandinavischen Strom oder positioniert sich als Must-Try, zumal 25 Hours bei ihren Restaurants auch immer die Einheimischen als Gäste im Sinn haben. Details zur Speisekarte hatte PR-Chefin Anne Berger bei Redaktionsschluss noch nicht vorliegen, aber der Schwerpunkt wird auf einer zuckerarmen Backkunst mit Bio-Zutaten liegen. Fortis bereits vor fünf Jahren erschienener Erstling (»Backen: Dolci, Tartes und zauberhafte Kuchen«, bei Prestel) lohnt da ein erneutes inspirierendes Durchblättern.
Mit Desserts einen USP schaffen, das klappt auch im Kleinen, beispielsweise bei der Gourmethotelgruppe Dolce Vita in Südtirol. Je nach Hotel bleibt es heimisch oder wird Heimisches mit Internationalem kombiniert, aber gekonnt, ohne Kuddelmuddel. Für Ersteres sind Topfensoufflé mit weißer Schokoladenganache, Nougat-Grießknödel oder Buchweizentörtchen mit Blaubeercoulis beispielhaft. Aber dann begleitet auch schon ein Goldmuskatellerespuma das Strudelröllchen, wird ein Babà mit Tamarinde, Rambutan und Mangoeis serviert und das Basilikumparfait mit dem neuen Dekotrend Fingerlimette. Überraschende Akzente setzen das tasmanische Bergpfeffersorbet zur Frischkäsetarte oder Eis mit Quatre Épices: Gewürze sind bei Desserts zunehmend auch jenseits von Vanille oder Tonka angesagt.
Tipp: »Backen:
Dolci, Tartes und zauberhafte Kuchen« von der Bäckerin und konditorin melissa forti, bei Prestel
Schokolade – passt immer
Mit Valhrona als Sponsor ist es auf den ersten Blick wenig verwunderlich, wenn der jährlich frisch gekürte Patissier des Jahres sich auf Schokolade verlegt. Aber wie jeder Küchenchef weiß: für Schokolade ist immer noch Platz. Logan Seibert vom Restaurant 959 in Heidelberg ist der amtierende Patissier des Jahres. Sein Freestyle-Dessert punktete mit Pure-Brésil-Itakui-Schokolade (dazu Mango-Safran-Variation und Passionsfrucht-, Ingwer- und Kokosaromen). Im Drei-Komponenten-Dessert fabrizierte er ein Schokoladensoufflé mit Sorbet und Espuma von schwarzer Kirsche. In der letzten Disziplin machte er eine Walnuss-Praline mit blonder Schokolade mit einer Ganache aus Vin Jaune.
Handwerk aus der Convenience
Von »der süßen Kunst in kleiner Form« schwärmt Timo Rohde, Produktentwickler bei Sander Gourmet und zuständig für Desserts. Damit meint er den handgemachten Look der neuen Produkte Kirsch-Nougat und Nougat-Moelleux. Beiden gemein sind die Bio-Rohwaren, die entsprechend gekennzeichnet sind. Interessanterweise ist die Portionierung nicht opulent und tellerübergreifend gedacht wie ein Wiener Schnitzel, sondern als Schnitte bzw. Küchlein konzipiert. »Kunstvolle Hingucker« sollen die Teilchen nämlich sein, trotzdem eignen sie sich, versprechen die Sanders, auch für die Büfett-Bestückung. Die Happen bestehen einzeln, mit Nocken ausgarniert, sogar im handgemachten Look angerichtet (das hauseigene Foodstyling greift nach Holzbrettchen, Holzgriffgabel und rustikaler Serviette).
Nachhaltigkeit ist nicht mehr optional, sondern ein Muss
Bei Dr. Oetker setzt man auf Althergebrachtes, denn Retro darf im Dessertbereich keinesfalls fehlen. Mousse au Chocolat gibt es ab März auch in der dunklen Variante. Auch hier ist ebenso an die herkömmliche Gastronomie wie ans Catering-Büfett gedacht.
Bei Debic hat man sich besondere Gedanken um die Ausgarnierung gemacht, ebenfalls im Hinblick auf den süßen kleinen Teller wie auf das großzügige Gästebüfett. Die »Shapes« sehen elegant aus. Und auch sie sind konzipiert für kleine(re) Portionen. Der Panna-cotta-Ring, der Mascarpone-Riegel und die Mousse-au-Chocolat-Nocken eignen sich zur großen Oper. Eine Broschüre zeigt Ideen auch für große Gesellschaften, arbeitet mit tropischen Früchten ebenso wie mit Salzkaramell und Yuzu und erspart das Mise en place.