Nachgefragt: Greg Koch, Stone Brewing Berlin
Stone Brewing ist eine der größten Craft-Beer-Brauereien in den USA. Das in San Diego, Kalifornien, ansässige Unternehmen wurde 1996 von Greg Koch und Steve Wagner gegründet. Gerade erst hat Stone nun den Schritt nach Europa gewagt und auf dem Gelände eines ehemaligen Gaswerks in Berlin-Mariendorf eine Brauerei mit Gastronomie eröffnet. Wir haben uns mit Greg Koch über Craft-Bier und das Reinheitsgebot unterhalten.
Wie erklären Sie sich die zunehmende Beliebtheit von Craft-Bier hier in Deutschland?
Die Craft-Bier-Gemeinschaft in Deutschland ist noch relativ klein, aber man kann beobachten, wie sie schnell an Boden gewinnt. Es gibt eine Subkultur, die sich für Brauereien wie Stone interessiert und sich mit Freude in einer Gemeinschaft engagiert, die handwerkliche Werte, faire Geschäfte und Zusammenhalt wertschätzt. Die Craft-Bier-Bewegung zelebriert Kreativität und Qualität, und deutsche Biertrinker nutzen den Zugang zu kreativen Qualitätsbieren, so wie viele andere Nationen auch.
»Das Reinheitsgebot ist kein Qualitätsgarant«
Sie haben sich entschlossen, in Berlin eine Brauerei zu eröffnen. Warum gerade hier?
Bevor wir uns für das wunderschöne Gelände in Alt-Mariendorf mit historischen Gebäuden an einer ehemaligen Gasfabrik entschieden haben, haben wir uns mehr als 130 verschiedene Standorte in neun Ländern angeschaut. Nicht viel später haben wir uns auch in die Stadt verliebt. Berlin ist unglaublich fortschrittlich mit seinen vielfältigen Subkulturen und einer lockeren Mentalität. Heute hat Berlin eine wachsende Craft-Bier-Gemeinschaft, an der wir mit Freude teilhaben. Ein Leben gefüllt mit Kreativität, Leidenschaft und Individualität ist mir persönlich wichtig. Berlin ist ein lebendiges, atmendes Umfeld, das alle diese Attribute ausstrahlt.
Ist es für Sie verständlich, dass die Deutschen so vehement an ihrem Reinheitsgebot festhalten?
Es ist schon ein wenig eigenartig, dass für manche deutschen Konsumenten das Brauen von Bieren, die gegen das Gebot verstoßen, ein bisschen wie Schummeln ist. Wenn wir uns den Aufwand machen, einen lokal produzierten Bio- und Fair-Trade-Kaffee zu beschaffen, um ihn in einem Coffee Stout zu verwenden, kann man kaum sagen, dass wir es uns leicht machen. In Wahrheit ist es nicht nur teurer, sondern auch komplizierter. Es ist auch kein Problem für uns, ein Coffee Stout in Berlin zu brauen. Wir dürfen es nur einfach nicht »Bier« nennen.
500 Jahre Reinheitsgebot - nicht für alle ein Grund zu feiern ...
Seit 500 Jahren darf Bier in Deutschland mit wenigen Ausnahmen nur aus Gerstenmalz, Hopfen, Hefe und Wasser gebraut werden. So besagt es das deutsche Reinheitsgebot. Seit damals ist es ein Garant für die außerordentliche Qualität deutscher Biere, und es soll die Bierliebhaber davor schützen, dass Aromen oder künstliche Zusatzstoffe ins Bier gelangen. Sagen die einen ...
Könnte das deutsche Reinheitsgebot von 1516 bald das gleiche Schicksal ereilen wie den Majestätsbeleidigungs-Paragraphen im Strafgesetzbuch? Ausgerechnet im Jahre seines 500. Jubiläums mehren sich die Stimmen, die das wohl älteste noch gültige Lebensmittelgesetz ausmustern wollen. Gerade in der jungen Craft-Brauer-Szene hat das Reinheitsgebot nur wenige Freunde.
»Ich kritisiere, dass das heutige Reinheitsgebot Dinge erlaubt, die ich meinem Bier nie antun würde«, klagt z. B. Oliver Wesseloh, Inhaber der Kehrwieder Kreativbrauerei. Dazu zählt er z. B. das sogenannte High Gravity Brewing (das stärkere Einbrauen eines Sudes und spätere Verdünnen auf eine oder mehrere Sorten vor der Abfüllung), die Verwendung von Hopfenextrakten oder künstlichen Filterhilfsmitteln wie Polyvinylpolypyrrolidon (E1202 – um das Bier so zu stabilisieren, dass es auch über Jahre keine Eiweißtrübung bekommt). »Das waren übrigens alles Gründe dafür, dass die UNESCO das Reinheitsgebot als immaterielles Weltkulturerbe mit dem Hinweis auf die stark industriell geprägte Auslegung abgelehnt hat«, argumentiert Wesseloh.
Zusätzliche Lösung für internationale Bierstile
Ganz so kritisch sieht es Jeff Maisel, Inhaber der Brauerei Gebr. Maisel, nicht: »Deutsches Bier gilt heute zu Recht als eines der reinsten Lebensmittel überhaupt, und die Konsumenten weltweit verlassen sich auf diese Qualität. Wir halten das Reinheitsgebot daher für unbedingt schützenswert.« Als einer der Pioniere der deutschen Craft-Bier-Szene sehe er trotzdem Handlungsbedarf. »Für einige traditionelle, internationale Bierstile und moderne Rezepturen sind Zutaten wie z. B. Koriander und Orangenschalen erforderlich, die wir aufgrund des strengen Reinheitsgebotes nicht verwenden dürfen«, so Maisel. »Wir haben die Initiative ergriffen und eine Arbeitsgruppe mit Brauerkollegen, Verbänden und Behörden gegründet. Unser gemeinsames Ziel ist, das Reinheitsgebot zu bewahren. Gleichzeitig möchten wir einen verbindlichen Rahmen für die Bierstile schaffen, zu deren Herstellung vom Reinheitsgebot nicht zugelassene, natürliche Zutaten unerlässlich sind.«
Reinheitsgebot ist eine starke Marke
Wie könnte eine solche Lösung aussehen? Die Arbeitsgruppe strebt eine Lösung an, die gewährleistet, dass alle verwendeten Zutaten einer rechtsverbindlichen Grundlage bzw. einem »Reinheitskodex« unterliegen, damit ausschließlich reine, natürliche Zutaten verwendet werden. Ohne eine solche Regelung könne nicht verhindert werden, dass auch künstliche Aromen, Enzyme oder Konservierungsstoffe ihren Weg ins Getränk finden.
Dass der Begriff Reinheitsgebot eine starke Marke ist, daran zweifelt auch Oliver Wesseloh nicht. Zu feiern gibt es bei ihm aber erst etwas, wenn daraus tatsächlich ein Natürlichkeitsgebot werden würde.
Was ist Craft-Bier?
»Craft« heißt übersetzt »Handwerk« – dementsprechend handelt es sich bei Craft Bieren um kunstfertig gebraute Biere mit geschmacklichem Alleinstellungsmerkmal. Die Wiege des Craft-Bieres sind die Vereinigten Staaten. Seit Anfang der 80er-Jahre schreibt Craft-Bier dort eine beispiellose Erfolgsgeschichte. Aus reiner Verzweiflung heraus, weil Bierliebhaber nach anständigem Gerstensaft lechzten, nach geschmackvollen Alternativen suchten zu all den wässrigen Mainstream-Bieren a là »Budweiser«. Prominentester Craft-Fan ist übrigens kein Geringerer als US-Präsident Barack Obama.