Wien will dem Massentourismus entsagen
Der Tourismus hat sich in Österreich in wenigen Jahrzehnten zu einem tragenden Wirtschaftssektor entwickelt. In Wien steht er etwa für jährlich 4 Milliarden Euro an Wertschöpfung und 90.000 Arbeitsplätze. Seit 1990 sind die Ankünfte in Wiener Beherbergungsbetrieben um über 150 Prozent auf 7,5 Millionen Besucher 2018 angewachsen. „Wien ist zunehmend gefragtes Reiseziel und wir bekennen uns weiter zu Wachstum, aber nicht um jeden Preis. Wiens neue Visitor Economy Strategie steht für einen frischen Denkansatz und nachhaltige Entwicklung, die die Grundlagen des Erfolges nicht untergräbt, sondern im Einklang mit den Bedürfnissen der hier lebenden Menschen steht. Die zentrale Frage für die kommenden Jahre lautet daher nicht, was unsere Stadt für den Tourismus tun kann, sondern darauf zu fokussieren, was Tourismus für unsere Stadt tun kann!“, erklärt Wiens Bürgermeister Michael Ludwig den Ansatz der Wiener Visitor Economy Strategie 2025. Immerhin neun von zehn Wienern geben regelmäßig an, dass sie dem Tourismus positiv gegenüberstehen – und das soll sich auch nicht ändern, Stichwort „Overtourism“.
Klasse statt Masse
Konkret will man mit dem neuen Ansatz den Tourismus zwar weiterhin forcieren, aber nicht um jeden Preis. „Klasse statt Masse“ könnte man auch sagen. Konzentrieren will sich der WienTourismus daher vor allem auf eine zahlungskräftige Klientel, zu der etwa auch Kongressbesucher zählen, die stastistisch gesehen mit rund 540 Euro/Tag mehr als doppelt so viel Geld ausgeben wie der durchschnittliche Wien-Besucher. „Mit der neu akzentuierten Marke ‚Meeting Destination Vienna‘ positionieren wir Wien ab sofort noch prägnanter als Destination für Kongresse und Firmenveranstaltungen auf dem Weltmarkt“, so WienTourismus-Chef Norbert Kettner.
„Massentourismus organisiert sich von selbst. Jeder Gast, der Wien besucht, ist uns lieb und teuer – doch Angebote, die ungebremsten Massentourismus mit sich bringen und der Tourismusverträglichkeit entgegenstehen, wird Wien auch in Zukunft weder fördern noch vermarkten“, erklärt Kettner. „Unsere Marketingaktivitäten werden wir künftig noch fokussierter an jenen Kernzielgruppen ausrichten, die dem Premium-Anspruch unserer Visitor Economy Strategie entsprechen – beispielsweise die Meeting-Industrie, Luxusreisende oder die LGBT-Zielgruppe. Kunst und Kultur werden dabei mittel- und unmittelbar zentrales Leitmotiv unserer Marketingaktivitäten bleiben. Gelernte Formate stehen umso stärker auf dem Prüfstand“, kündigt Kettner an, künftig etwa auf die Teilnahme an der Internationalen Tourismusbörse (ITB) in Berlin zu verzichten. Damit soll auch der „Verramschung“ der Straßen durch Souvenierstandln oder die inflationären „Mozart-Verkäufer“ ein Riegel vorgeschoben werden.
Ökologie im Fokus
Nicht zuletzt will Wien den Tourismus auch nachhaltiger und „grüner“ gestalten. So will man auf Kurzstrecken die Anreise nach Wien mit dem Zug statt mit Auto oder Flugzeug forcieren. Die Zertifizierung von Wiener Betrieben mit dem Österreichischen Umweltzeichen, die Klassifizierung von Hotels anhand von Nachhaltigkeitskriterien sowie Green Meetings im Tagungswesen sind weitere zentrale Handlungsfelder.