Overtourism

Wer nicht reagiert, verliert

Blick auf die Wiener Ringstraße
Wien wird seit Jahren als Premium-Destination vermarktet, die Tourismus-Verantwortlichen kooperieren nicht mit den Treibern von Massentourismus, sondern versuchen qualitätsvollen Tourismus zu fördern – bis jetzt offensichtlich mit Erfolg. (© WienTourismus/Christian Stemper)
Das Beratungsunternehmen Roland Berger und die ÖHV präsentieren europaweite Studie zu Overtourism und zeigen, wie Städte dem Phänomen Herr werden können.
Mittwoch, 12.12.2018, 13:42 Uhr, Autor: Clemens Kriegelstein

Die überfüllte La Rambla in Barcelona, Mega-Kreuzer vor dem Dogenpalast in Venedig – man kennt die Bilder: „Da wurden Städte Opfer ihres eigenen Erfolgs. Das ist unverantwortlich und wirklich nicht notwendig“, fasst Markus Gratzer, Generalsekretär der Österreichischen Hoteliervereinigung (ÖHV), die Situation zusammen. Die Hintergründe legt Dr. Vladimir Preveden, Managing Partner bei Roland Berger Österreich und Co-Autor der neuen europaweiten Studie „European city tourism study 2018: Protecting your city from overtourism“, offen: „Das geschieht ja nicht von heute auf morgen und es wirken immer mehrere Faktoren zusammen“, verweist er auf Ausnahmesituationen wie in Amsterdam oder Lissabon. Einer davon ist der anhaltende Trend zum Städteurlaub: Stiegen die Nächtigungen in den untersuchten Ländern in den vergangenen 10 Jahren um 26 %, nahmen sie in Städten mehr als doppelt so schnell zu. Eine Entwicklung, die zusätzlich durch die Sharing Economy forciert wird.

Verhältnis zwischen Touristen und Einheimischen muss stimmen
„Entscheidend sind die Wertschöpfung und das Verhältnis zwischen Touristen und Einheimischen, die sogenannte Tourismusintensität“, erklärt Preveden die zentralen Messgrößen der Studie. „In London, Wien, Berlin, München oder Rom ist ihr Verhältnis geradezu optimal, in Venedig, Reykjavik, Istanbul, aber auch Salzburg sehen wir – durchaus unterschiedlichen – Handlungsbedarf.“

„Die gute Nachricht: Overtourism ist keine Einbahnstraße. Ein Turnaround ist möglich“, hebt Gratzer hervor. Die Studie zeigt sieben Ansätze auf, wie Städte dem effektiv begegnen können. Wichtigste Nachricht: „Wer noch nicht unter Druck steht, muss handeln, damit es so bleibt.“ Städte mit niedriger oder mittlerer Tourismusintensität hätten es selbst in der Hand:

Mögliche Maßnahmen

  • Tourismusärmere Stadtviertel beleben: Um den Gästestrom ideal in Städten zu verteilen und Zentren zu entlasten müssen Hot Spots abseits ausgetretener touristischer Pfade geschaffen werden. So können Viertel revitalisiert und aufgewertet werden.
  • Gästesegmente upgraden: Zur Steigerung der Wertschöpfung werden Angebote geschaffen, die gezielt Luxus-Gäste ansprechen. Qualität vor Quantität verhindert, dass Städte in die Overtourism-Falle tappen.
  • Alternative Angebote in Szene setzen: Bestehende Angebote abseits vielfrequentierter Lagen werden adaptiert, neu interpretiert und aktiv beworben – idealerweise über die Stadt und die Saisonen verteilt.

Als besonders kritischer Faktor, der den Overtourism begünstigt, wird die unregulierte Sharing Economy gesehen. Wie Städte reagieren und ob sie alle Maßnahmen umsetzen, sei von Fall zu Fall zu klären: „Passiv bleiben, der Entwicklung zusehen, ist keine Option. Es braucht heute nicht nur Tourismuswerbung, Tourismusmanagement ist unerlässlich. Maßnahmen wie das Management der Sharing Economy können gar nicht früh genug angedacht werden, damit es gar nicht so weit kommt, dass die Situation entgleitet“, gibt Gratzer weitere Tipps, zur Verhinderung unnötigen Unmuts in der Bevölkerung.

Wien unter den „Shining Stars“
Zusammen mit weiteren Städten zählt Wien laut Studie zu den „Shining Stars“, die sich durch gesunden, nachhaltigen Tourismus auszeichnen. „Das gute Abschneiden Wiens sehe ich sehr positiv, verstehe es aber als Auftrag. Aus repräsentativen Untersuchungen wissen wir: 96 Prozent der Wiener stehen dem Tourismus in der Stadt positiv gegenüber. Es gilt jene Balance aufrecht zu erhalten, die Wien für Gäste liebenswert, für Einheimische lebenswert und als Destination profitabel für die Wirtschaft macht“, erklärt Wiens Tourismusdirektor Norbert Kettner.

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